CounterPunch, 6. September 2012

Eine Herausforderung für Journalisten, Teil II

Die Medien und die fünf Kubaner

Von Ricardo Alarcón de Quesada

Die eigentliche Groteske im Fall der Cuban Five scheint in seiner Beziehung zu den Medien zu liegen.
In Miami genoss der Fall überproportionale Beachtung, und die "Journalisten" und die lokalen Medien fungierten innerhalb seiner Umgebung als Instrument zur Erzeugung von irrationalem Hass, der für den von der Regierung vorherbestimmten Ausgang sorgte. Selbsternannte professionelle Journalisten verdrehten die Fakten, logen und erfanden ein Image, das die Angeklagten als Bedrohung für die Gemeinde darstellte. Diese "Journalisten" führten in ihrer Rolle als verdeckte Söldlinge der Regierung die Aufgabe aus, für die sie bezahlt wurden.
Seit der Jury-Auswahl in der Anfangsphase des Prozesses koordinierten sie ihre Aktionen mit denen der Staatsanwaltschaft und der terroristischen Gruppen; und sie taten dies insbesondere, um - über sieben Monate nach der Verhaftung - noch eine neue völlig erfundene Anklage der "Verschwörung, Mord zu begehen" hinzufügen zu können. Der größte Anteil des Prozesses und der Medienaufmerksamkeit drehte sich um diese infame Verleumdung. Die Geschworenen wurden dauernd von Interviews und Pressekonferenzen mit Kollegen und Verwandten der Opfer überflutet, die in ihrer unmittelbaren Nähe, außerhalb des Gerichtssaals, abgehalten wurden. Wenn sie dann zu Hause waren, konnten sie diese in ihrer Wiederholung am Radio und Fernsehen hören und sehen. In ihren eigenen Wohnungen sahen sie sich beim Verlassen des Gerichts von Kameras und Mikrophonen verfolgt.
Außerhalb von Miami fand der Prozess gegen die Fünf kein Interesse seitens der großen Medienkonzerne. Die Einzelheiten des Falles wurden in den Nachrichtenausgaben nicht wiedergegeben, nicht in den Printmedien veröffentlicht oder von der Berichterstattung des Radios und Fernsehens außerhalb von Florida berücksichtigt. Es hatte keinen Platz - nicht einmal einen Sendeplatz bei den Fernsehsendern, die sich täglich 24 Stunden lang ausschließlich den Gerichtsereignissen widmen.
Wie lässt sich solch ein Desinteresse erklären? Es war damals das längste Gerichtsverfahren der Geschichte der Vereinigten Staaten. Generäle, Obristen, hochrangige Beamte und Experten, ein Admiral und ein Berater des Präsidenten, bekannte, als solche identifizierte Terroristen - einige von ihnen trugen ihre kriegerischen Uniformen - wurden in den Zeugenstand gerufen. Hier ging es um einen Streit, der internationale Beziehungen und - ob in Wahrheit oder angeblich - damit verbundene Angelegenheiten betrafen wie die nationale Sicherheit, die Lieblingsthemen der großen Medien. Doch niemand sagte irgendetwas dazu außer die Lokalmedien. Für den Rest des Volkes existierte der Prozess einfach nicht.
Das Thema wurde von den großen Konzernen außerhalb Miamis ignoriert. Aber dort berichteten die Rundfunkstationen täglich und beteiligten sich enthusiastisch an dem Wahnsinn der Medien, der ihre Stadt überflutete.
Die dem Fall auferlegte eiserne Zensur war die Gewähr für die erstaunliche Straffreiheit, mit der die Behörden die Terroristen schützte und ungerechtfertigter- und grausamerweise fünf Männer bestrafte, die ihnen heroisch widerstanden, unbewaffnet, ohne Gewalt, ohne irgendjemanden zu verletzen. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Absichten nie verheimlicht. Sie sagte es mehrfach klar und deutlich, wie man es in den Prozessprotokollen nachlesen kann. Sie hatte keine Bedenken, denn sie konnte sich auf das Schweigen der großen Medien verlassen und wusste, dass die Allgemeinheit selten amtliche Berichte liest oder Gerichtsverhandlungen besucht und hauptsächlich durch journalistische Berichte herausfindet, was geschieht.
Die Geschworenen sahen ihrerseits wie die Staatsanwälte Tag für Tag freundlich mit den Zeugen plauderten, die sich mit ihrer Gewaltbereitschaft und ihren vollbrachten terroristischen Taten brüsteten; sie hörten die aufgeheizten Behauptungen der Ersteren und die bedrohlichen Schmähreden der Letzteren.
Wenn sie zu ihren Familien und Nachbarn nach Hause kamen, wurden sie von den selben Vorstellungen verfolgt. Das waren für sie bekannte Gesichter und Stimmen.
Sie waren noch kurz zuvor zu sehen gewesen, als sie den 6-jährigen Elián González gekidnapped hatten. Sie hatten der Bundesregierung und ihren Richtern getrotzt, Chaos in der Stadt erzeugt und gedroht, sie in Brand zu stecken. Die Geschworenen erinnerten sich daran, dass keiner von ihnen bestraft oder mit Strafe verfolgt worden war. Sie waren Zeugen einer beispiellosen Straflosigkeit gewesen und fürchteten, es könne sich wiederholen und gegen sie verwandt werden, als sie während des Geschworenen-Auswahlprozesses interviewt wurden. Sie waren verängstigt.
Und ihre Angst steigerte sich mit jedem Monat, der verging; sie steigerte sich um so mehr, als die "Journalisten" sie mit ihren Lampen und Mikrophonen verfolgten. Die Geschworenen beklagten sich mehrfach, und die Richterin glaubte, dass sie im Recht seien. Aber es änderte nichts.
Die Staatsanwälte ihrerseits erzählten ihnen fortgesetzt, sie hätten als Geschworene eine ernste Verantwortung, nämlich, in ihren Händen liege nichts Geringeres als das Überleben der Vereinigten Staaten und der Gemeinde, die sie beobachte.
Die Geschworenen hatten Angst und fühlten sich allein gelassen. In den lokalen Medien hörte man nicht eine einzige Stimme, die sie verteidigte und zu Gelassenheit und Sorgfalt aufrief. Die meisten der Geschworenen wünschten, das verdammte Verfahren wäre zu Ende und sie könnten nach Hause gehen und Schwamm drüber.
Sie brauchten nicht lange, um sich zu entscheiden. Das längste Verfahren der Geschichte endete mit der kürzesten Beratung. Aber das war auch keine Nachricht wert.

* * *

Der Habeas-Corpus-Antrag der zu Unrecht in den Vereinigten Staaten inhaftierten Cuban Five und insbesondere das von Gerardos Anwalt Martin Garbus vorgelegte Affidavit konzentrieren sich auf die Rolle der von der US-Regierung bezahlten "Journalisten", die ein Klima der Hysterie und des irrationalen Hasses schufen, was den Geschworenen so lange Angst machte, bis sie einen Schuldspruch fällten, trotz der Tatsache, dass die Staatsanwälte nicht einen einzigen Beweis erbrachten und - noch schlimmer - zugaben, ihre Hauptanklage nicht belegen zu können.
Allerdings ist dies kein Streitpunkt zwischen den Fünfen und ihren Anwälten einerseits und dem Journalismus und den Journalisten andererseits. Es ist eher das Gegenteil.
Die vom Büro der Staatsanwaltschaft angezettelte Operation in Miami war neben der Verletzung der Verfassung und der Regeln eines rechtsstaatlichen Verfahrens auch eine Verunglimpfung eines Berufsstandes, der Respekt verdient. Es war eine Zeitung aus Miami - der Miami Herald - die als erste die geheime Operation aufdeckte, an der einige ihrer Schreiber teilnahmen. Diese wurden, nebenbei bemerkt, gefeuert, weil ihr Verleger ihre Handlungsweise als Verletzung der journalistischen Ethik betrachtete.
Der Autor der Enthüllungen, Oscar Corral, hat für seine Verteidigung der Berufsehre bitter bezahlt. Statt für seine investigative Berichterstattung ausgezeichnet zu werden, wurde er in seinen eigenen Worten "... Opfer einer instrumentalisierten Kampagne von Einschüchterung, Belästigung und Verschweigen. Es war ein Bombardement. Einige Drohungen waren sehr konkret und betrafen meine Familie." Dies veranlasste seine Herausgeber, ihn zu bewegen, einen sichereren Ort aufzusuchen.
Der echte Journalismus wurde ebenfalls Opfer der Tatsachenverdrehungen der Regierung.
Aber wer waren die von der Regierung bezahlten Journalisten, und warum wurden sie angeheuert, um das zu tun, was sie taten?
Alle, ohne Ausnahme, waren Mitglieder von Organisationen - oder pflegten enge Beziehungen zu ihnen - die Gewalt und Terrorismus in Miami kultivieren. Einige von ihnen sind selbst verurteilte und geständige Terroristen; einige wenige haben früher so etwas wie Journalismus betrieben und sind mehr oder weniger in der Lage, ein paar Seiten zu schreiben; andere haben nie die Aufnahmeprüfung irgendeiner Journalistenschule abgelegt.
Alle haben lange Erfahrungen als Provokateure und nehmen häufig an Radio- und Fernsehsendungen teil, die für ihre Unverschämtheit und Lautstärke bekannt sind und offen die Anwendung von Gewalt gegen Kuba propagieren. Alle hatten die Qualifikation, von Washington für eine verdeckte Operation angeheuert zu werden. Mit anderen Worten, es waren Leute, denen man es zutrauen konnte, und so gab man ihnen den Job und bezahlte sie großzügig. Zu alle dem kam das Geld nicht aus ihrer eigenen Tasche, es waren Steuergelder.
Es kam alles aus dem Budget von Radio- und TV-Martí. Das sind Unternehmen der Regierung, die aus dem Bundeshaushalt, der aus Steuergeldern und anderen Abgaben besteht, finanziert werden, d.h. vom Geld der Bürger und Einwohner der Vereinigten Staaten. Aber jene, die unwissentlich die verdeckte Operation bezahlten, hörten nie davon.
Aus diesem Grund betont Garbus' Affidavit, dass dies eine Angelegenheit von außergewöhnlicher Wichtigkeit sei. In erster Linie vor allem für unsere fünf Landsleute, die bald 14 Jahre im Gefängnis sitzen. Aber es ist auch wichtig, und sehr wichtig, für die, die nicht im Gefängnis sind.
Es ist besonders wichtig für wirkliche Journalisten ohne Anführungszeichen. Während diese mit Ehrlichkeit einen Beruf ausüben, werden andere korrumpiert und zu einem Instrument umfunktioniert, fünf unschuldige Männer zu kidnappen.
Im Schlusssatz seines Affidavits erwähnt Garbus den US-Justizminister: "Justizminister Eric Holder Jr. war nicht verantwortlich, als die Anklage begann. Jetzt ist er es. Die Verurteilung des Antragstellers sollte annulliert werden."
Die professionellen Journalisten und die Medien außerhalb Miamis waren nicht für dieses Verbrechen verantwortlich, als es begangen wurde. Aber jetzt, wo sie wissen, was geschah, können sie sich ihrer Verantwortung nicht entziehen. Schweigen wäre jetzt Komplizenschaft. Ricardo Alarcón ist Präsident der kubanischen Nationalversammlung

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

(Quelle: CounterPunch, vom 6. September 2012)

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