Einer der "Cuban Five" aus Sicht seiner Söhne

 
  (Die stetige Fröhlichkeit, die Antonio andern vermittelt, damit sie sich nicht sorgen, ist etwas, das seine Kinder überrascht.
Foto von Cubarte: von links nach rechts: Tonito, Gabriel, Mirta, Tony und sein Neffe Carlos.)

Gabriel und Tonito, die Söhne von Antonio Guerrero, einem der fünf zu Unrecht in den USA gefangen gehaltenen kubanischen Antiterroristen, sprechen mit "JuventudRebelde" an dessen Geburtstag über ihren Vater.

Von Susana Gómez Bugallo, Yuniel Labacena Romero

Am 16. Oktober hatte Antonio Guerrero, einer der fünf zu Unrecht in den USA im Gefängnis gehaltenen kubanischen Antiterroristen Geburtstag. Tony ist Vater von zwei Söhnen, die in der Bewunderung für ihren Vater wegen seiner Einfühlsamkeit und seines großen Herzens nie müde werden. Und da viele bereits wissen, dass Antonio und Tony ein und die selbe Person sind, baten wir seine beiden Söhne, mit uns über diesen außergewöhnlichen Mann zu sprechen.

Sie wären gerne jederzeit mit ihm zusammen gewesen. Doch die Umstände ließen es nicht zu. Sie wuchsen ohne seine physische Anwesenheit auf. Aber sie beziehen immer noch Trost und Stolz aus der Tatsache, dass ihr Vater weiter für eine gerechte Sache steht.
Während all dieser Jahre der Trennung haben Gabriel und Tonito, Tonys Söhne, seelische Kraft aus Briefen, Gedichten und den wenigen Telefonanrufen geschöpft, die Antonio bei seiner Familie machen durfte.
"Mein Dad ist ein erstaunlicher Mensch. Ich bin stolzer, sein Sohn zu sein. Er ist sehr bodenständig. Er ist immer bereit, neue Dinge zu lehren, für dich da zu sein, dich zu beraten. Man fühlt seine Abwesenheit und wünscht sich, bei ihm zu sein und immer mit ihm sprechen zu können.
Ich bin immer wieder erstaunt von der Fröhlichkeit, die er uns übermittelt, damit wir uns nicht sorgen. Er sorgt sich immer um meine Sachen an der Universität, um meine Großmutter, um die Sachen bei mir zu Hause und das ist bewundernswert, denn er bleibt stark in einer schwierigen Situation," sagt Gabriel.
Gabriel, Antonios jüngster Sohn, stammt aus der Beziehung von Antonio mit der Panamaerin Niccia Pérez und hatte immer in Panama gelebt. Er wusste sehr wenig über die politischen Rahmenbedingungen des Falles und über die "Cuban Five", weil die Medien in Panama, wie an anderen Orten weltweit, eine Mauer des Schweigens um sie errichtet haben.
Antonio überzeugte Gabriel davon, in Kuba aufs Kolleg zu gehen. Nach einem Jahr erinnert sich Gabriel immer noch an das erste Mal, als er in ein kubanisches Klassenzimmer kam und ist immer noch erstaunt, dass er in allen Fächern des ersten Semesters für Automatisierungstechnik bestanden hat, ein Hauptfach, das er als Herausforderung empfindet.
Tonito, Antonios älterer Sohn sagt: "Mein Vater war trotz der Entfernung immer für mich da. Ein ausgezeichneter Vater, einer, der weiß, wie er dich beraten kann, unabhängig vom Wo und Wie, jemand, der weiß, wie man da sein kann."
Tonito ist ein diplomierter Computeringenieur, der nach seinem Studienabschluss als Netzwerk-Administrator arbeitet. Er sagte, dass sein Vater für seine Kolleg-Ausbildung sehr entscheidend war, weil er ihn aus der Gefängniszelle, in der er von seiner Familie weggesperrt ist, unterstützt habe.
"Ein Beispiel für all die Fürsorge meines Vaters für seinen Sohn ist das, als ich meine Kolleg-Ausbildung begann. Ich war schon durch mehrere Examen gefallen, und es blieb mir nur noch eine Chance in dem Lehrgang zu verbleiben. Dann besuchte ich ihn und erzählte ihm, wie ich mich ‚verheddert' hatte.
Ich weiß nicht wie, aber mein Vater schaffte es, an ein Buch in Differenzial- und Integralrechnung auf Englisch zu kommen. Beim nächsten Besuch, eine Woche danach, hatte er bereits eine Buchbesprechung davon vorbereitet, die er mir unter den schlimmen Umständen im Gefängnis übermittelte: dort, wo es keine Bleistifte, kein Papier, keine Gesten, keine Hinweise gab. Ich kam weiter, Dank seiner zusammengefassten Erklärungen und Lehrvorträge, von denen ich nicht weiß, wo er sie her nahm, die er mir dann in den Briefen schickte."

Die Treffen mit ihrem Vater

Die Treffen mit ihrem Vater waren für Tonito eine Wiedervereinigung mit dem Vater, mit dem er seine gesamte Adoleszenz in dem Gedanken daran verbracht hatte, dass er weg gegangen war und eines Tages wieder zu ihm zurück käme oder ihn mitnähme, wogegen es für Gabriel eine Gelegenheit war, seinen Vater in Fleisch und Blut zu sehen, den er zuvor nur von Fotos kannte.
"Am Anfang war da ein großes Schweigen. Wir mussten die Barriere vieler Jahre durchbrechen, denn, wie viele Briefe du auch bekommst oder wie oft du auch telefonierst, es ist nicht das selbe, wie wenn die Person vor dir steht, das Gefühl beim Händeschütteln, bei einer Umarmung oder einem Kuss...," sagt Gabriel in Erinnerung an seinen ersten Besuch.
"Wir hatten die Gelegenheit, persönlich über all' die Dinge zu sprechen, die ich wissen musste. Er erklärte mir in seiner gewohnten Geduld alles ehrlich. Von da an wurden wir vertrauter und kamen uns näher.
Jetzt erst kann ich sagen, dass ich meinen Vater wirklich kenne, obwohl wir immer in Kontakt waren. Unsere Beziehung wuchs beständig, aber jetzt kann ich ihn tiefgreifender betrachten, als Mensch und als Vater.
Ich war überrascht, wie gut gelaunt er trotz des Aufenthalts im Gefängnis bleibt. Wenn man an diesen bedrückenden Ort kommt und trifft dann auf diesen Mann voller Leben, fühlt man sich ermutigt. Jeder andere wäre an seiner Stelle in Depressionen versunken. Er nicht. Die Gedichte, die Malereien und die Briefe halfen ihm durch seinen Leidensweg," sagte Gabriel.
Tonito erinnert sich an den athletischen Mann, der ihn zum Baseball und Basketball mitnahm und sich immer Zeit für ihn nahm. Aber die Bilder und Erinnerungen haben wenig mit der Realität zu tun, die ihn bei seinen Besuchen erwartet.
"Es ist wirklich schwer, mit anzusehen, wie der Druck und die schlechte Behandlung einen Menschen im Gefängnis körperlich verfallen lassen. Er hat Haare verloren, sein Zahnfleisch ist beschädigt, seine Haut ist sehr bleich. Das sind die Dinge, die mich am meisten verletzen. Ich sage das auch zu meiner Großmutter, die eine Hüftoperation hinter sich hat.
Während des Besuchs konnten wir trotz des Lachens und der Harmonie sehen, dass die Jahre vergangen waren," sagte er.
Kinder von Antonio Guerrero zu sein, ist ein Privileg, das das Leben Gabriel und Tonito geschenkt hat. Einen Vater zu haben, der so feinfühlig und tapfer ist, bedeutet Ermutigung, weiter zu machen, auch in einer Situation, die ihr gesamtes tägliche Leben beeinträchtigt hat. Aber nicht jeder wird mit einer solchen Situation fertig.
Der letzte Tag der Besuche ist der schlimmste für die Familie: "Wenn man fort geht und sieht ihn dort, dann möchte man ihn mitnehmen, obwohl man weiß, dass man es nicht kann. Wie ist es möglich, dass ein Mann mit so vielen Werten und noblen Eigenschaften dort bleiben muss? Es reißt einem die Seele aus dem Leib," sagte Gabriel.
"Wir konnten die Tränen nicht zurückhalten, weil es nicht leicht ist zu sehen, wie er in der Uniform der Insassen aus der Tür kommt," sagt Tonito mit belegter Stimme und erinnert sich, dass er auf der Hochschule war, als er die wahre Geschichte seines Vaters erfuhr.
"Mein Leben verwandelte sich völlig, ich begriff die Zusammenhänge und erfuhr, wer mein Vater in Wahrheit war. Es beantwortete viele Fragen wie: ,Warum hat er uns verlassen?' ,Wenn er ein guter Mensch ist, warum ist er dann nicht bei mir?' Und es rechtfertigte alle seine Abwesenheiten an meinen Geburtstagen, meinen Graduierungen und den Familientreffen, an denen er früher teilnahm," erinnert sich Tonito.

Eine Quelle der Inspiration und des Stolzes

"Mein Vater hat mir immer gesagt, mir selbst treu zu bleiben. Ich bin wie jeder Kubaner und wo immer ich gehe, versuche ich, so zu bleiben. Ich lebe nicht von seinem Namen. Einige Leute glauben, ich profitiere von der Tatsache, dass mein Vater ein Held der Republik ist. Andere erwarten mehr von dem, was mein Vater ist, als von dem was ich bin.
Zu all' diesen Dingen kann ich nur sagen: ,Hättest du gerne, dass dein Vater im Gefängnis sitzt?'
Mein Vater hat alles zurückgelassen, weil er für die Revolution kämpfen musste. Das sind seine Prinzipien, und wenn er entschieden hat, es zu tun, dann unterstütze ich ihn. Ich lebe nicht davon. Ich habe versucht, wie mein Vater zu sein, aber ich bin kein Held. Ich vertrete ihn nur wo immer es nötig ist," sagte Tonito.
"Ich bringe das Studium, die Arbeit, die täglichen Aktivitäten und alles, was junge Leute so tun, mit dem Kampf für die Rückkehr meines Vaters und seiner Kameraden unter einen Hut. Es gibt keine Zugeständnisse an mich, man behandelt mich wie jeden anderen Studenten auch, aber ich habe mich verschrieben, für die Wahrheit dessen, was meinen Vater ins Gefängnis gebracht hat, zu kämpfen.
Wir müssen der Ungerechtigkeit ein Ende bereiten. Wenn man Menschen sieht, die wie meine Großmutter mit Krankheiten kämpfen, und über die Tage nachdenkt, an denen sie gehofft hat, ihren Sohn in Freiheit zu sehen, ist das wirklich herzzerreißend.
Sie ist sehr stark, sie beklagt sich nie, und das ermutigt uns, weiter zu machen. Ich könnte heute nicht stolzer darauf sein, wer mein Vater ist," sagt Gabriel.
Und Tony ist aus seiner Gefängniszelle heraus genauso stolz auf seine beiden Söhne. Einer Gefängniszelle, die von der Stärke der Liebe erschüttert wird. Einer Gefangenschaft, in der der Held zum Künstler wurde.

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

(Quelle: Realcuba's Blog vom 18. Oktober 2012)

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