Wir warten mit einer Latino-Frau und zweien ihrer Kinder, bis der Gefängniswärter von seinem Tisch an der Eingangstür unsere Nummer aufruft. Wir passieren die Röntgenkontrolle, und unsere Handgelenke werden gestempelt. Dann sitzen wir da und starren auf eine religiöse Darstellung im Schaukasten - Trennung von Staat und Kirche? - , wo die Besucher vor der elektronischen Tür Nr. 1 darauf warten, dass sie von einem inneren Kontrollsystem geöffnet wird.
Als wir den Gefängnis-Besucherraum betreten, starrt ein rotgesichtiger Wärter zuerst auf Sauls Hosen und dann auf sein Gesicht und sagt: "Sie können hier nicht 'reinkommen, so, wie Sie gekleidet sind."
"Was?" antwortet Saul weise.
"Braune Hosen und graue Sweat Shirts - verboten. So sind Gefangene angezogen."
Ein Wärter begleitet Saul zurück zum Eingangsgebäude und gibt ihm Anweisungen für die nächstgelegene Anlaufstelle, zum einzigen Laden weit und breit, "ganz nah neben der Schnellstraße gelegen," sagt er, wo er eine neue Hose kaufen kann.
Saul kann seinen Kostümwechsel bewerkstelligen, kommt zum Hochsicherheitsgefängnis in Victorville, Kalifornien, zurück und schließt sich einer neuen wartenden Menge von Frauen und Kindern an, lauter Schwarzen oder Latinos, die eine Stunde lang darauf warten, dass die Gefangenen gezählt worden sind.
Zurück durch die Röntgenapparatur, der unsichtbare Stempel auf Sauls Handgelenk wird durch ein Lesegerät rot, und dann ist er wieder im Besuchsraum, umarmt Gerardo und setzt sich zu ihm und Danny, um die Rechtssache der fünf Kubaner (Gerardo Hernández, Antonio Guerrero, Fernando González, Ramón Labañino und René González - mit Freiheit auf Bewährung, die sich auf Südflorida beschränkt) zu besprechen, die gewalttätige Exilantengruppen in Miami infiltrierten, um die Kampagne von Bombenattentaten auf kubanische Hotels zu beenden. Das FBI verhaftete die Fünf 1998 und klagte sie wegen schwerwiegender Vergehen an, Gerardo wegen Verschwörung zur Spionage und Unterstützung von Mord.
Eine eingeschüchterte Jury - die Medien fotografierten ihre Autonummernschilder und machten diese so identifizierbar - verurteilte sie, und Richterin Joan Lenard verhängte sehr schwere Strafen, die später von einem Appellationsgericht gemindert wurden, mit Ausnahme der für Gerardo von zwei Mal lebenslänglich.
Gerardo beschreibt die Gefahren des täglichen Lebens im Gefängnis wie die zwischen Gefangenen üblichen Kämpfe, von denen einige tödlich enden, wo ein Gefangener den anderen absticht oder wie ein Gefangener einen Wärter mit einem Bleistift ins Auge sticht.
Wir sehen uns im Raum um und erblicken Gefangene, die sich zu freundlichen Gesprächen mit Familienmitgliedern getroffen haben oder zum Kartenspielen mit ihren Freundinnen. Vier Wärter behalten uns von einem erhöhten Sitzplatz aus sorgfältig im Auge.
Wir erörtern mit Gerardo den von Martin Garbus, seinem Anwalt, zuletzt eingereichten Rechtseinspruch. Garbus fand Dokumente, die belegen, dass "die Regierung das Gerichtsverfahren durch die Bezahlung von Journalisten zu beeinflussen versuchte, damit sie im Miami Herald und El Nuevo Herald schrieben und im Lokalradio und -Fernsehen Material verbreiteten, mit dem die Regierung Einfluss auf die Gemeinde und die Jury nehmen wollte, um eine Verurteilung der Angeklagten zu erreichen."
Weder das Gericht noch die Verteidigung wussten von diesen Bestrebungen. Die Richterin versuchte die Jury von äußeren Einflüssen abzuschirmen, aber laut Garbus "hatte weder sie noch irgendeiner außerhalb der Regierung irgendeine Ahnung von dem massenhaften Einsatz von Energie, Geld und Zeit, die verwendet wurden, um die Jury zu beeinflussen.
In der Vereinigten Staaten ist es der Regierung nicht erlaubt, Geld für die so genannte Inlandspropaganda auszugeben. Wenn die Regierung eine politische Position beziehen will, so ist sie absolut berechtigt dazu. Was sie nicht tun darf ist, jemanden anzuheuern und dem Publikum nicht zu verraten, dass die Person, die diese Position artikuliert, in Wahrheit die Position der Regierung artikuliert. Das ist ein Gesetzesbruch." Und, folgert Garbus, die von der US-Regierung bezahlte Propaganda habe die öffentliche Meinung vergiftet. Ricardo Alarcón, Kubas Parlamentspräsident, nannte diese Bezahlung von Propagandisten während eines Verfahrens eine "Verschwörung der Regierung mit Miamis Medien, um die Beschuldigten im Voraus zu verurteilen und ein faires Verfahren unmöglich zu machen. Der Inhalt dieser Verschwörung war es, die Medien zu benutzen, um eine Kampagne von nie dagewesenem Hass und Feindseligkeit loszutreten. Dafür stellte man eine beträchtliche Anzahl von 'Journalisten' - in Wahrheit verdeckte Agenten der Regierung - ein, die Artikel und Kommentare publizierten, die Tag und Nacht wiederholt wurden und einen wahren Sturm der Desinformation produzierten."
Gerardo knabbert an den Chips, die wir aus den Gefängnisautomaten gezogen haben, und erinnert uns daran, dass wir hier keine Leute der Mittelklasse sähen, "die sich hochbezahlte Anwälte leisten können."
Er hofft, dass Garbus' letzter Habeas-Corpus-Antrag ein Berufungsgericht überzeugt und dieses das Verfahren für ungerecht erklärt und ein neues oder einen Freispruch fordert. Aber er kann darauf nicht sein Leben planen, oder auf baldige Entlassung von seinen zwei lebenslangen Strafen hoffen. Seine Frau Adriana kann ihn nicht besuchen, weil die US-Regierung ihre Visa-Anträge ablehnt. Sie wurde kürzlich als Delegierte des kubanischen Parlaments vorgeschlagen.
Gerardo erträgt seine Entbehrungen mit stoischer Disziplin. Er bewahrt seine Ausgeglichenheit an diesem ungesunden Ort, indem er Übungen macht, liest, Briefe beantwortet und Cartoons zeichnet. Er sieht die Nachrichten und liest die NY Times, die wie all' seine Post geöffnet und von einem speziellen Gefängniszensor gelesen wird.
Vielleicht stimmt Präsident Obama Kubas Vorschlag zu, die Cuban Five - durch unabhängige humanitäre Gesten - gegen Alan Gross auszutauschen, den Vertragsagenten, der für AID arbeitete und versuchte, als Teil der Bemühungen, die kubanische Regierung zu stürzen, nichtortbare Satelliten-Systeme innerhalb Kubas zu installieren. Gross wurde für schuldig befunden und von einem kubanischen Gericht zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.
Danny Glover ist Aktivist und Schauspieler
Saul Landaus FIDEL und WILL THE REAL TERRORIST PLEASE STAND UP [Möge der wahre Terrorist bitte aufstehen] sind als DVD bei cinemalibrestudio.com. verfügbar.
Deutsch ¡Basta Ya! (jmb, db)
(Quelle:
CounterPunch vom 14. Januar 2013)