Ein Gespräch mit einem kubanischen Agenten, der aus Miami zurück istFernando Ravsberg, BBC, 28. Mai 2013
Am 12. September 1998 deckte das FBI ein Netzwerk von kubanischen Spionen auf [die Übersetzer würden die Tätigkeit der Fünf nie als "Spionage" bezeichnen und distanzieren sich hiermit von der Ausdrucksweise des Interviewers], die in Miami ansässige Anti-Castro-Gruppen beobachteten. Eine Reihe dieser Spione handelten mit der Staatsanwaltschaft eine Reduzierung ihrer Strafurteile aus, fünf von ihnen weigerten sich jedoch, das zu tun. Ihre Verurteilungen führten dann teilweise zu den härtesten, bis zu lebenslänglichen, Strafen.
Einer dieser fünf kubanischen Männer war der Pilot René González, der kürzlich nach 13 Jahren Haft im Gefängnis und fast zwei Jahren zur Bewährung freigelassen wurde. Nun zurück in Kuba, stimmte er einem Gespräch mit mir über sein Leben als Agent, seine Tätigkeit in den Vereinigten Staaten und im Gefängnis zu. Warum erklärten Sie sich damit einverstanden, in die Vereinigten Staaten zu gehen und dort als Spion tätig zu sein? Ich gehöre zu einer Generation von Kubanern, die unter der Bedrohung von Terroranschlägen auf unser Land aufwuchsen. Ich habe nie die Entführung eines kubanischen Fischerbootes und Ermordung von dessen Crew vergessen, wie sie oft von in Miami ansässigen Terrorgruppen begangen wurden. Ich war einer der Millionen Menschen auf der riesigen Versammlung, die zu Ehren der vor der Küste von Barbados bei einem Bombenanschlag auf ein kubanisches Flugzeug Getöteten abgehalten wurde. Daher zögerte ich nicht, als ich gefragt wurde. Ich empfand es als meine Pflicht als Patriot. Ist es ethisch vertretbar, in einem anderen Land zu spionieren? Ich glaube, es ist ethisch vertretbar, sich zu verteidigen, wenn du angegriffen wirst, und das zu tun, dazu brach ich auf. Die mächtigste Nation der Welt hat uns während vieler Jahre angegriffen, und wir haben das Recht auf Selbstverteidigung, vorausgesetzt, wir fügen der amerikanischen Bevölkerung keinen Schaden zu. Zu keiner Zeit lag es in unserer Absicht, irgend jemandem Leid zuzufügen, wir übten nur unser Recht auf Selbstverteidigung aus. Als sie dieses Leben führten, begegneten Sie auf Ihrem Weg wahrscheinlich auch guten Menschen. Hatten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt das Gefühl, sie zu betrügen?
Das menschliche Element kann die Dinge verkomplizieren. In all' diesen Gruppen kann man gute Menschen vorfinden, die tatsächlich an das glauben, was sie tun oder die manipuliert werden oder Vorurteile hegen. Man lernt sie zu erkennen, diejenigen zu identifizieren, die gut sind und welche nicht. Man bemerkt, dass viele dieser Menschen unter anderen Umständen an Bord (bei der Revolution) geblieben wären, und man beginnt, ihnen mit der Freundlichkeit zu begegnen, die sie verdienen. Nach welcher Information haben Sie gesucht? Nach meiner Kenntnis haben einige von Ihnen auf einer Militärbasis gearbeitet. Einer von uns war auf einer Militärbasis. Er machte öffentlich-zugängige Information bekannt, er hatte nie Zugang zu Geheiminformation, noch hat er danach gesucht. Sein Job bestand darin, so viel öffentlich verfügbare Information über Cayo Huesco wie möglich zu sammeln, denn die Basis ist ein Ort, an dem man Anzeichen eines möglichen Angriffs auf Kuba aufschnappen kann. Was taten die anderen? Gerardo hatte die Aufgabe der Koordination der Netzwerkaktivitäten. Ich hatte etliche Organisationen infiltriert. Die "Brothers to the Rescue" (Hermanos al Rescate) [Brüder zur Rettung], "Democracy" [Demokratie], "United Liberation Command" (Comando de Liberación Unido) [Vereinigtes Befreiungskommando] und andere. Ich kam durch eine ganze Anzahl von verschiedenen Gruppen, denn jeder von ihnen, der ein kleines Flugzeug für ihre Operationen braucht, braucht auch einen Piloten, und dafür stand ich zur Verfügung. Was die "Brothers to the Rescue" betrifft, so wird Gerardo beschuldigt, den Tod von vier ihrer Kameraden verursacht zu haben. Hatten Sie eigentlich etwas damit zu tun? Wir hatten nichts damit zu tun. Ich würde sagen, dass es das dreisteste Stück der Staatsanwaltschaft zur Politisierung des Verfahrens war, die Anklagen der "Brothers to the Rescue" zu diesem Ereignis vor Gericht zu übernehmen. Gerardo kann nicht einmal wegen Mordes verklagt werden, er kann nur wegen Verschwörung, Mord zu begehen, angeklagt werden, das heißt, mit anderen zusammen gearbeitet zu haben, in diesem Fall mit der kubanischen Regierung, Mord zu begehen, der illegalerweise zu dem Tod einer außerhalb Kubas lebenden Person führte. Keine der beiden Anklagen konnte belegt werden. Warum waren dann die Strafen so hoch?
Es ist etwas, das über diese Vorfälle hinaus geht; es ist der tiefe Hass, den sie gegenüber Kuba empfinden. Ich würde soweit gehen zu sagen, es ist ein Racheakt für Kubas Durchhaltevermögen. Die US-Regierung hat eine ungesunde Obsession bezüglich Kuba, eine Obsession, die verantwortlich für die irrationale Politik der letzten 50 Jahre ist. Wenn dem so ist, warum versorgte dann Kuba das FBI mit Informationen, die zu Ihrer Verhaftung führten?
1998 handelte Gabriel García Márquez als eine Art Kontaktmann (für Fidel Castro), um auf zwei Beamte des FBI zuzugehen und ihnen unsere Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus anzubieten. Diesen Beamten wurde eine Aktenmappe mit Beweismitteln übergeben. Aber es war nicht die Information, die Kuba anbot, die zu unserer Verhaftung führte. Es ab Anzeichen, dass wir zu der Zeit bereits unter Beobachtung standen. Gab man Ihnen Gelegenheit zu verhandeln? Warum lehnten Sie das ab?
Ja natürlich. Sie boten uns auch gute Deals an. Einer bekam seine Strafe auf 5 Jahre reduziert, und er war der gleichen Verbrechen angeklagt wie Antonio Guerrero, das heißt, sie hätten ihn zu lebenslangem Gefängnis verurteilt. Für manche Leute ist es hart, ein solches Angebot auszuschlagen. Wie wurden Sie im Gefängnis behandelt?
Während der Anklage warf man uns in Isolationshaft, im Straftrakt des Gefängnisses, und man hielt uns dort 17 Monate. Sie waren sehr grob zu uns, unsere Familien wurden schlecht behandelt, ich durfte meine Töchter nicht sehen, die medizinische Versorgung war lausig. Sie versuchten, uns zu brechen, aber wir hatten genügend moralische Stärke, um zu widerstehen. Glauben Sie, dass der Austausch ihrer Kameraden gegen Alan Gross ein fairer Vorschlag ist?
Ich weiß nicht, ob "Austausch" das richtige Wort ist. Niemand von uns will es, Politiker sind komplizierte Leute. Aber ich glaube, es ist einer, ja, ich glaube, alle sechs Familien profitierten davon. Ich glaube nicht, dass irgendeine Seite eine unilaterale Geste machen sollte, es klingt absurd, ein arroganter Vorschlag. Warum, glauben Sie, tauscht die US-Regierung die Fünf nicht aus, wie sie es mit russischen Spionen tat?
Wayne Smith, ein früher US-Spitzendiplomat in Kuba, sagte, dass Kuba den gleichen Effekt auf die US-Regierung habe wie der Vollmond auf einen Wolf. Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db) (Quelle: Realcuba's Blog vom 28. Mai 2013)
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