Die Cuban Five berichten über ihre Freilassung und ihre Rückkehr nach Kuba

Die Cuban Five berichten über ihre Freilassung und Rückkehr nach Kuba. Während.der ersten Reihe von Interviews mit den Protagonisten der kubanischen Geschichte bei "Mesa Redonda" dem allmonatlich ausgestrahlten kubanischen Fernsehprogramm "Runder Tisch" erinnern sich die antiterroristischen Kämpfer Gerardo Hernández, Antonio Guerrero und Ramón Labañino nach der Verbüßung von 16 Jahren ihrer unrechtmäßigen Haft an die Einzelheiten ihrer Freilassung aus U.S.-Gefängnissen und ihre Rückkehr nach Kuba.

Die drei Kubaner, die am 17. Dezember in ihr Heimatland zurückkehrten, berichteten die Details ihres Transfers, die von Labañino als von den U.S.-Behörden und denen in Havanna als sehr diskret und gut organisiert beschrieben wurden.
Sowohl Labañino als auch Guerrero wiesen auf das ihnen gegenüber aufrechterhaltene Schweigen rund um ihre Rückkehr während ihrer Überführung in das medizinische Zentrum hin, von wo aus sie in ihr Land kamen und auf die äußerste Vorsicht jedes Weitertransportes.
Sie erklärten, dass sie zwei Tage zuvor überführt wurden, während Gerardo in der vorherigen Woche abtransportiert und in ein Loch [Isolationshaft, Anm. d. Ü.] gesperrt wurde. Gerardo, Antonio und Ramón waren gemeinsam mit Fernando González und René González wegen ihrer Informationsweitergabe über die von in Florida ansässigen gewalttätigen Gruppen geplanten Terrorakte in den Vereinigten Staaten inhaftiert worden.
Fernando und René waren nach vollständiger Verbüßung ihrer Haftstrafen zuvor nach Kuba zurückgekehrt. Bei dieser Gelegenheit hatten sie ihren gerade zurückgekehrten Kampfesbrüdern das Feld überlassen.
Gerardo: "Ich möchte die Haltung meiner vier kubanischen Brüder hervorheben. Sie hatten sehr wenig gegen René und auch Fernando in der Hand, wenn sie dem Druck und der Bestechung nachgegeben hätten, hätten sie nicht einmal ein Jahr im Gefängnis verbringen müssen."

DIE BEGEGNUNG

Antonio Guerrero: "Um 5:30 Uhr traf ein Pfleger bei mir ein und sagte: ‚Guerrero, kommen Sie ’ runter, Sie müssen packen, um 6:30 Uhr müssen Sie am Treffpunkt sein, verstanden? Möchten Sie, dass ich es noch auf Spanisch sage?’ Die Türen wurden geschlossen, sie öffneten sich kurz nach 6:00, und ich sagte zu meinem Zellengenossen: ‚Steh auf, ich habe Dir ja gesagt, dass ich vor Dir gehe.’ Er sollte am 20. Januar entlassen werden, und ich hatte ihm ein paar Mal gesagt, dass die Möglichkeit bestünde, dass ich vor ihm ginge.
In der Abteilung, in die sie uns verbracht hatten, begann ich seltsame, alarmierende Dinge wahrzunehmen, weil ich ja tatsächlich um keinen Transfer gebeten hatte. Von da aus brachten sie mich in den Raum, von wo ich abgeholt werden sollte, und als ich dort wartete, kamen sie und sagten: ‚Guerrero, Sie kommen nach Bourne!’ - in das medizinische Zentrum in Bourne.
Ich dachte weiter an die Möglichkeit, irgendwo anders hinzukommen, aber dann sagten sie mir schon, dass ich in ein Gefängnis ginge.
Die Oberleutnants kamen, brachten mich in ein sehr kleines Verwaltungsflughafengebäude, das Flugzeug kam. Alles, was da geschah, war im Vergleich zu meinen anderen Transfers anormal. Ich hatte einmal eine ähnliche medizinische Überführung, aber noch keine wie diese, ich sagte sogar zu dem mich aus dem Gefängnis begleitenden Oberleutnant: ‚Sie werden diese Überführung für den Rest Ihres Lebens nicht vergessen.’
Ich traf nach Ramón ein, etwa um drei Uhr nachmittags am Montag, dem 15. Von da aus ging ich in diese Abteilung, ich hatte nicht Ramóns Glück zu wissen, dass Gerardo überführt worden war, diese Information hatte ich nicht, und als ich diese Abteilung erreichte, waren dort ein Pfleger, ein Puertoricaner, der dort arbeitete, und ein Beamter, von ihnen versuchte ich, etwas Information zu erhalten, und sie sagten, dass es da einen Bereich für Arbeiter gebe, aber keinen medizinischen, und alles deute daraufhin, dass ich diesem Bereich zugeordnet würde.
Sie brachten mich in eine Loch-[Isolations]-Zelle in einem anderen Bereich, er empfahl mir, gut zu schlafen, er würde um 7:00 Uhr morgens kommen, um mich abzuholen! Vor sieben kamen sie und fragten, ob ich bereit sei. Einer der Beamten, die mich hier her überführt hatten, kam, um mich abzuholen. Wir gingen durch eine Passage, sie nahmen mir zwar die Handschellen ab, aber wir bewegten uns mit Überschallgeschwindigkeit. Es kamen einige Beamte angerannt und die, die mich übernahmen, hielten nicht inne, brachten mich in einen Durchgang zum Besucherraum, der Beamte hielt im Eingang an und sagte: ‚Let’s go"’ und in dem Moment sah ich jemanden, der Gerardos Hand schüttelte, es waren ziemlich viele Leute dort, aber ich konnte nicht an mich halten und sagte: ‚Gerar!’ Ich hatte den Eindruck, ihm erging es genau so, aber bis zu diesem Augenblick, hatte ich keine Ahnung gehabt, und er sagte, er hätte es auch nicht gewusst, was da vor sich ging. Diese erste Begegnung war in Bourne.
Gerardo Hernández: "Ich verließ das Gefängnis ohne irgendeine Ankündigung. Als sie mich abgeholt hatten, wurde ich für 11 Tage in das Loch [Isolationszelle] in Oklahoma gesteckt. Ich dachte, dass sie vielleicht auch von mir wollen könnten, dass ich die Details auffrischen sollte, falls etwas an der Installation von Kcho (einem kubanischen Künstler) korrigiert werden müsste. Sie überführten Ramón und mich am selben Tag, am Montag, dem 15, unter unterschiedlichen Bedingungen.
Man geht alle Details durch und sammelt sie, trotz allem, was ich immer gesagt habe: ‚Ich glaube, dass ich nach Kuba komme, an dem Tag, an dem das Flugzeug landet.’ Als ich Ramón und Tony sah, sagte ich mir: ‚Dies ist anders.’ Noch als wir landeten, wurden wir vom Aussteigen abgehalten, und die U.S.-Beamten gingen die Stufen auf und nieder, und ich sagte zu ihnen: ‚Wenn wir hier wieder abheben, werfe ich mich aus dem Fenster.’"
Ramón Labañino: "Für mich war [folgendes] interessant: Man verbringt 16 Jahre des Wartens auf diesen Moment. Ein Gefängnisbeamter sagte mir, ich solle mich fertigmachen und meine Sachen einpacken. Ich hatte noch geschlafen, und mein erster Eindruck war: ‚Also, gut, mal sehen, was passiert.’ Sie brachten mich an den Ort, wo man die Kleider wechselt und wo sie einem die Ketten anlegen. In dieser Zeitspanne, in der ich auf die Ankunft eines anderen Beamten wartete, konnte ich ihre Kommentare hören, ich hatte schon immer gute Ohren und an dem Tag um so mehr, und ich hörte sie sagen: ‚Dies ist ein merkwürdiges Geschäft, wir müssen diese Typen hier ’raus und zum nächsten Flughafen bringen.’
An dem Punkt dachte ich: Jetzt wird es ernst. Daher fühlte ich mich mulmig. Sie nahmen mich mit hinaus, legten mir Handschellen an, schlossen mich ein und transportierten mich zusammen mit zwei Wachen in einer Black Box auf einem Lastwagen zum Lexington-Flughafen, dort führten sie mich in ein kleines Flugzeug, das mich nach Bourne brachte. Ich wusste rein gar nichts und fragte nach, aber sie antworteten nicht. Ich kam in Bourne an, es war eine Blitzaktion gewesen und die in aller Stille, und ich hörte einen Wachmann sagen: ‚Beeilung, denn die anderen kommen nach.’ In dieser Nacht konnte ich nicht schlafen, denn ich fing an, darüber nachzudenken, dass ich in Kuba wäre, und ich wartete darauf, dass ich die anderen vorbeigehen sähe. Ich verbrachte die Nacht mit Gymnastik. Alles war sehr gut koordiniert, auf den Millimeter genau berechnet.

HINTER GITTERN

Antonio: "Das Loch war Folter, eine unrechtmäßige Strafmaßnahme. Sie beraubten uns jeder Kommunikation, und sie taten uns dort Verschiedenes an, zum Beispiel wurde ich manchmal morgens zur Erholung abgeholt, wenn ich noch nicht zu Ende gefrühstückt hatte, und dann warfen sie alles, was wir in der Zelle hatten, hinaus, und sie durchsuchten die Zelle bei dem geringsten Anlass. Wenn wir um Erlaubnis baten, in die Rechtsbibliothek gehen zu dürfen oder um anderes Essen baten oder zum Zahnarzt gehen zu können, pflegten sie unseren Antrag vor unseren Augen zu zerreißen, was die Grenze zur Grausamkeit überschritt. Wenn uns etwas erreichte, ein Brief oder was auch immer, pflegten wir es miteinander zu teilen. Deren Ziel war es fast zwei Jahre lang, uns zu brechen. Abgesehen von unserer Einigkeit half uns die Kraft, die wir einander gaben."
Gerardo: "Es war eine sehr schwere Zeit. Ursprünglich waren zehn von uns verhaftet worden. Ich war der Einzige, der die anderen neun kannte. Das besagt viel über die Haltung unserer Compañeros. Schließlich konnten fünf Leute dem Drucik nicht widerstehen und beschlossen, mit den Behörden gegen uns zu kooperieren. Der Schaden war vom operativen Standpunkt aus nicht so groß, denn dank der Abschottung wussten sie nicht viel. Sie konnten während des Prozesses nur eine Person als Zeugen gegen uns einsetzen. Am Ende mussten sie feststellen, dass es ihnen mehr schadete als nützte.
Diese ersten Momente dienten der Bestätigung. Uns war bewusst, dass sie beabsichtigten, eine Propaganda-Show abzuziehen. Sie wussten, dass wir ihrem Land keinen Schaden zugefügt hatten, noch hatten wir Information, die die nationale U.S.-Sicherheit gefährdet haben könnte. Ich erinnere mich daran, dass einige Jahre danach bei Miami Herald ein Artikel unter der Überschrift, ‚Spy may hold key’ [Spion könnte den Schlüssel in Händen halten, Anm. d. Ü.] erschien, der darauf abzielte, dass ich Fidel und Raúl an dem Tag betrügen könnte, an dem wir unser Berufungsverfahren verlören. Unter uns gab es drei Offiziere, und die gehörten der Gruppe der Fünf an, die sich nicht brechen ließ.
Diejenigen, die sich für die Kollaboration mit den Vereinigten Staaten entschieden, hatten nicht diesen Rang. Darin bestand der ultimative Traum der Staatsanwaltschaft, dass es einen Offizier gäbe, der Kuba anklagte. Als sie das nicht bekamen, wählten sie die Grausamkeit. Ich möchte die Haltung meiner anderen vier Brüder hervorheben. Sie hatten nur sehr wenig gegen René in der Hand oder gegen Fernando, wenn sie sich ergeben hätten, hätten sie nicht einmal ein Jahr im Gefängnis verbracht.
Sie nahmen jedoch ohne das leiseste Zögern ihre Haltung ein, und ab diesem ersten Moment tauchten die Fünf auf der Bildfläche auf.
Ramón: "Der Beamte, der bei mir war, wiederholte immer wieder: ‚Ich kenne Ihre Geschichte, ich weiß, wer Sie sind und was Sie hier tun.’ Und ich sagte ihm dann: ‚Na, gut, sagen Sie mir, was ich hier tue,’ um zu erfahren, was geschehen war. Denn bei allem denkst du, vielleicht sind sie verwirrt, denken, es gehe um Drogen oder etwas anderes. Aber als ich all diese Typen sah, bemerkte ich, dass die Sache ernst war. Es kommt ein Moment im Leben eines Mannes, wo er sich festlegen und wissen muss, auf welcher Seite er in der Geschichte stehen will, und es ist der Moment, wenn er sich selbst nochmals bestätigt, dass er ein Revolutionär ist.
Und wir trafen die richtige Wahl, die auf der Seite unseres Volkes zu sein, unseres Kommandanten und der der Geschichte unseres Heimatlandes. Denn vom ersten Augenblick an nahmen wir wahr, dass es nicht nur ein persönlicher Betrug wäre, sondern auch größere Konsequenzen haben könnte, einschließlich einer Eskalation der anderen Art, die in ihrer höchsten Form militärisch gewesen wäre. Dieser Prozess hätte gegen unser Volk missbraucht werden können.
Fünf oder sechs gaben angesichts so vieler Behauptungen und Angebote nach. Sie brachten uns in die Strafanstalt von Miami, in den 13. Stock, der über dem ‚Loch’ im 12. Stock ist. Wir waren dort etwa 15 Tage, aber getrennt von einander. Das war am Sonnabend, den 12. September, und am 14. wurden wir nach unten in den Gerichtssaal gebracht. Es war im Gerichtssaal, wo wir beteuerten, wie wir uns verhalten würden. An diesem 14. September 1998 begriff ich - und jeder von uns hatte eine andere Wahrnehmung - wer und wer nicht bereit war, die Aufgabe anzunehmen, die der Augenblick verlangte. Zu der Zeit kannte ich René nicht. Aus Gründen der Arbeit gab es gewisse Leute, die sich nicht kannten, aber als wir vor Gericht standen, waren wir darauf vorbereitet, gemeinsam zu sterben."

DIE RÜCKKEHR

Antonio: "Den 31. (Dezember) haben wir als Familie, als Großfamilie, verbracht. In meinem Fall sind es nicht 16 sondern 24 Jahre. Aber als wir uns gegenseitig umarmten und küssten waren die 24 Jahre wie ausgelöscht. Wir haben einige Dinge noch einmal erzählt, aber seit wir hier sind, wird das, was vergangen ist, von morgens bis abends in die Vergangenheit verbannt, ich verspüre weder Verbitterung noch Nostalgie. Ich weiß nicht, wo ich in mir ein weiteres Stück des Glücks festmachen soll. Meine beiden Söhne sind wunderbare junge Männer. Gabriel ist in Panama.
Ich hatte das Glück, ein paar Tage mit ihm zu verbringen, wir schliefen im selben Zimmer, im selben Bett, und das hat mir große Freude gemacht, auf die gleiche Weise, wie ich für meine Großneffen empfinde. Ich bin es gewohnt, früh aufzustehen und sie taten es auch, und so war mein Frühstück. Am Ende des Tages löschte die Familie diese Zeiten der Qual, und die Freude hält an."
Gerardo: "Gema ist ein hübsches und friedliches Baby. Ich wollte von Anfang an ein Mädchen, weil Jungen sehr verwöhnt werden. Auf jeden Fall hat Gema schon ein Trikot der Industriales [Baseballmannschaft in Havanna], denn wer sagt denn, dass Baseball nicht auch etwas für Mädchen sei. Eine der schlimmsten Sachen im Gefängnis war der Frust darüber, keine Kinder zu haben. In diesen schwierigen Zeiten fanden wir nur einen Weg, unseren Gefühlen Gestalt zu geben, und zwar durch Poesie, obwohl wir beide keine Poeten waren. Dadurch entstand der Brief an das Kind, das kommen sollte, den ich Adriana schicken wollte, aber René bat mich darum und sagte, es sei eine gute Idee ihn in einer Zeitung zu veröffentlichen, um ihn bekannt zu machen.
Die Nachrichten mussten geheim gehalten werden. Als Kuba sein Wort gab, hat es das gehalten, und wie hatten unser Wort gegeben, die Schwangerschaft und alles Drumherum geheim zu halten, um nicht das größere Ziel, unsere Freiheit, zu gefährden."
Ramón: "Die Emotionen hören nicht auf. Seit wir angekommen sind, folgt auf jede Emotion eine neue, jede heftiger als die vorangegangene. Es war emotional, meine herangewachsenen Töchter zu sehen und meine schlanke Frau. Ich versuche mit allen Mittel, meine Zeit mit ihnen nachzuholen, obwohl sie für mich immer klein bleiben, denn für jeden Vater sind seine Kinder immer klein. Ich bin extrem väterlich, die Entlassung ist es wert. Ich teile jede Sekunde mit ihnen, frage sie, wie es ihnen in der Schule ergeht, und was passiert ist...
Nach der ersten Nacht, die wir zusammen waren, weckte ich beide morgens um sechs und nahm sie mit, den Sonnenaufgang zu beobachten. Für mich war das der schönste Augenblick meines Lebens. Ich versuche alles zu essen, was ich kann, der kubanische Geschmack ist wahrscheinlich besser als jeder andere, das ist kein Chauvinismus. Unser Volk hat eine ganz besondere Wärme, eine rührende Art der Umarmung. Obwohl ich derjenige der Fünf bin, der am meisten umarmt, umarmen wir uns alle und lieben einander. Darum möchte ich erneut unserem Volk danken. Dies war ein gewaltiger Sieg, der von der internationalen Solidarität und dem kubanischen Volk genossen werden sollte. Es lebe Kuba und es lebe die Menschlichkeit!"

GRÜNDE, NICHT AUFZUGEBEN

Antonio: "Ich habe versucht zu erklären, dass wir im Geist nie Gefangene waren. Jetzt sagen die Leute, ‚der hier hat am runden Tisch verloren’. Aber in unserem Kopf bewahrten wir immer Gelassenheit und innere Stärke basierend auf unserer Unschuld. Wenn man etwas böses tut und gefangen wird, wenn man an materiellen Dingen hängt und eingesperrt wird, bekommt man Angst. Aber materiell lebten wir sehr sparsam. Wir widmeten uns einer konkreten Aufgabe. Ich zum Beispiel lebte ein normales Leben, und diese Bedingungen und die Dinge, die wir in uns trugen, bedeuteten, dass wir uns nie wie Gefangene fühlten, und noch weniger aufzugeben. Es gab harte Augenblicke. In der Zeit im ‚Loch’, am zweiten Tag als wir in einen kleine Raum hinunter gingen sagte ich zu ihnen: ‚Ich habe ein Gedicht im Kopf, obwohl ich es nicht aufschreiben konnte.’
Die Poesie erreichte uns alle auf irgendeine Weise, und wir verwandelten sie in eine Waffe des Widerstands. Aber im Besonderen hatten wir zwei Dinge: wir waren überzeugt, dass wir andauernde Unterstützung dafür bekämen, dass wir da heraus kommen, es gab unsere Unschuld und vor allem waren wir bereit, dort zu sterben. Wir hatten ein Foto von Mandela und eines von Che. Wir hatten Werte. Uns war ganz klar, dass man nicht stirbt, wenn man für eine gerechte Sache stirbt. In aller Ruhe möchte ich sagen, dass wir nichts Außergewöhnliches taten, wir taten, was uns aufgetragen wurde. In Wahrheit hätten sie die Terroristen verhaften sollen, aber sie verhafteten uns und lieferten uns in Miami den schlimmsten Bedingungen aus.
Aber wir taten nichts Außergewöhnliches, wir taten, was wir tun mussten. Wir taten es in aller Einfachheit. Wir wussten, dass wir viele Jahre büßen würden. Wir fühlten uns nie besiegt, wir waren immer optimistisch, wir wussten, dass wir weiter kämpfen müssten. Der Kampf war lang und das war es, was uns soviel Solidarität einbrachte, und jetzt, wenn uns ein Schulkind sieht, streckt es die Arme aus, weil man sich schon als Teil der Familie fühlt. Und auf diese Weise vergingen die Tage im Gefängnis, und als die Tage härter wurden und meine Mutter zu Besuch war, sagte ich zu ihr: ‚Mutti, bleib ruhig, wenn Gerardo im Gefängnis sterben muss, wird er das gelassen tun.’ Aber am Ende haben wir gewonnen, und das müssen wir feiern."
Gerardo: "Anfangs hatten Antonio und Ramón ihre Hoffnungen aufgegeben. In unseren Köpfen war das einzig Sichere, dass wir im Gefängnis sterben müssten, wenn die Entscheidung der Regierung aufrecht erhalten bliebe. Man denkt, das werde nicht passieren, aber was man mit Sicherheit weiß, ist, dass wir nicht zufällig an dem Ort waren. Es war keine improvisierte Mission. Das Lehrbuch in diesem Beruf sagt, dass, wenn du gefangen wirst, du auf keinen Fall zugeben darfst, für wen du arbeitest. Wenn sie dich fangen, war’s das.
Während unserer ersten Monate im Gefängnis gab es ein Ereignis, das uns stark bleiben ließ. Während des Gipfels in Portugal gab man uns die Tageszeitung, und ich begann, die Worte unseres Kommandanten zu lesen, der - neben anderen Dingen - versicherte, dass, wenn es stimme, dass wir für Kuba gearbeitet hätten, Kuba uns niemals aufgeben werde. Das war entscheidend für uns. An dem Tag reichten wir die Zeitung von Zelle zu Zelle und hatten so unseren eigenen runden Tisch. Von da an hatte der Feind keine Chance gegen uns."
Ramón: "Als sie uns in Miami verhafteten, war das der schlimmste Teil, der Teil, an den man nicht denken möchte, ich wollte nicht daran denken. So beginnt man eine innere Suche, von etwas zu träumen. Das und revolutionärer Idealismus hilft einem, daraus zu kommen. Immer wenn ich an meine Frau dachte, meine Töchter, an die Drangsal für sie und für mich, an all’ das, was passiert war, nicht in der Lage gewesen zu sein, Elizabeths Schwangerschaft zu genießen, meine kleinen Töchter nicht zu sehen, und an Kuba, war der Schmerz sehr intensiv. So suchte ich zum Beispiel Zuflucht beim Sport, ich wurde besessen darauf, ich bin ein begeisterter Schachanhänger, Schach saugt mich auf, und ich sagte zu mir: ‚Ich muss an die Aufgabe denken, an Gerardo, an den Kampf.’ Der Geist ist sehr trügerisch, er unternimmt Flüge und nachts wird man melancholisch und sucht nach psychologischen Ressourcen, die einem helfen könnten: kubanische Musik, Silvio Rodríguez, Los Van Van oder Sport. Das Gefängnis hilft dir, die besten und schlechtesten menschlichen Wesen zu finden.
Alle Gefängnisse sind hart. Es gibt Menschen, die nicht die Stärke besitzen, mit diesen Bedingungen fertig zu werden. Wir hatten unterschiedliche Bedingungen, besonders Gerardo in dem staatlichen Zuchthaus, und in diesen Augenblicken sucht man in sich selbst und sogar in der kubanischen Geschichte. Man denkt an (Antonio) Maceo, Mariana Grajales, an Martí, die Opfer, die sie gebracht haben, an einen asthmatischen Che, der Berge erklomm; man denkt, dass auch sie da durch mussten, man denkt an unsere Frauen, die während der Diktatur Folter erlitten, und dass sie wie wir Familien hatten, sie hatten Menschen, die sie liebten, die auf ihrer Seite waren, und sie hielten es aus.
Die Poesie hat auch mir geholfen, ich schreibe Gedichte, obwohl die nicht so gut sind wie Tonys, ich habe jeden Tag eine Menge geschrieben. Das sind die Ressourcen, nach denen man sucht. Für uns Fünf war Gerardo stets das Zentrum aller Dinge, und wir wussten, wenn er frei ist, werden wir es auch sein. Der Geist der Brüderlichkeit, der Warmherzigkeit, der revolutionären Liebe, die uns vereinte, war auch etwas, das uns Kraft gab. Eine Umarmung für alle."
Antonio: "Die Anwälte, die uns vom Staat zugewiesen wurden, waren allgemeine Verteidiger. Aber als sie vom Kern des Falles erfuhren, identifizierten sie sich mit uns, mit unseren Familien, und empfanden Bewunderung.
Es ist nicht üblich, dass Anwälte solche Gefühle für ihre Klienten hegen. Wir müssen einen erwähnen, der nie aufhörte, in dieser Schlacht zu kämpfen, unseren lieben und intimen Freund Leonard Weinglass, der leider nicht mehr unter uns weilt und diesen Sieg nicht mehr genießen konnte.
In meinem Fall versuchte die Staatsanwaltschaft unentwegt, nur eine einzige Person zu finden, die gegen mich aussagt, und hatte nie Erfolg damit. Diese Solidarität dehnte sich auf das Gefängnis aus, und als ich Unterricht hielt, nannten mich die Gefangenen ‚Lehrer’, und in diese Atmosphäre der Bewunderung seitens der Anwälte, im Gefängnis und all’ derer, die das Wesen der Leute aus Kuba kannten, war eine Konstante für die Fünf.
Heute wurde ich gefragt: ‚Hattest du keine Probleme im Gefängnis?’ Wir hatten achteinhalb Jahre in Zuchthäusern verbracht. Gerardo 12 Jahre. Die Insassen dort waren sehr gewalttätig. Aber wir erhielten Respekt. Wir hatten häufig ernste Auseinandersetzungen, aber der Respekt überwog. Das kam, weil wir fünf unschuldige, zu Unrecht aus politischen Motiven eingesperrt waren, aus dem einfachen Grund heraus, Kuba für die schlechten Beziehungen zwischen beiden Staaten zu bestrafen."
Gerardo: "Man kann nicht von dem Fall der Fünf sprechen, ohne die Solidaritätsbewegung zu erwähnen. In all’ den Jahren hat sich der Stolz, Kubaner zu sein, vervielfältigt, dank der Solidarität unseres Volkes. Gleichzeitig haben in den Vereinigten Staaten viele Menschen gewaltige Opfer gebracht, sogar ihre Jobs verloren, um ihr Leben unserer Sache zu widmen. Sie alle sollen umarmt sein."

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

(Quelle: Realcuba’s Blog vom 26. Januar 2015)

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