"The Militant" (Vorabdruck) der Ausgabe Nr. 12, 6. April 2015

Keine von Revolutionären ausgefochtene Schlacht endet mit dem, was man einmal getan hatte"

Die fünf Kubaner sagen den Studenten in Havanna: "Je selbstloser du bist, umso glücklicher und freier wirst du als Mann oder Frau sein."

Die fünf kubanischen Revolutionäre, die wegen ihrer Verteidigung der Kubanischen Revolution über Jahre in Washingtons Gefängnissen einsaßen, haben seit dem 17. Dezember fast täglich vor Publikum gesprochen. An diesem Tag kamen drei von ihnen - Gerardo Hernández, Ramón Labañino und Antonio Guerrero - nach über 16 Jahren hinter Gittern zu einer Heldenwillkommensfeier zurück. Sie schlossen sich damit Fernando González und René Gonzáles an, die nach Verbüßung ihrer gesamten Strafurteile schon vorher freigelassen worden waren.
Eine der vielen Veranstaltungen, an denen sie teilgenommen hatten, war ein Treffen am 19. Februar in Havannas größter Ingenieur- und Wissenschaftsuniversität, bekannt als CUJAE. Dort traten Tony, René und Fernando in einen lebhaften Austausch mit 300 Jugendlichen und Professoren.
Bei dem Treffen, das während der internationalen Buchmesse in Havanna stattfand, wurde das vom U.S.-Verlag "Pathfinder Press" veröffentlichte Buch "Absolved by Solidarity/Absueltos por la Solidaridad" [Freigesprochen von der Solidarität] vorgestellt. Das Buch enthält einen Satz von 16 Aquarellen, die Guerrero noch in seinem letzten Jahr im Bundesgefängnis von Marianna, Florida, gemalt hatte. Die Gemälde geben Washingtons politischen Schauprozess wieder, bei dem sie Gefängnisstrafen bis zu zweimal lebenslänglich ohne Bewährung erhielten.
Zu den Sprechern auf dem Podium gehörten auch Mary-Alice Waters, die Herausgeberin von Absolved by Solidarity, die Rektorin von CUJAE Alicia Alonso und Professor Julián Gutiérrez, der die Veranstaltung als Höhepunkt jahrelanger allmonatlicher Campus-Veranstaltungen im Kampf für die Freilassung der Cuban Five organisierte.
Guerrero sprach nach Waters, beschrieb das Buch und sprach darüber, wie es in den Vereinigten Staaten und in aller Welt eingesetzt werde. Dann beantworteten er und seine Waffenbrüder Fragen. Der lebhafte Austausch dauerte zwei Stunden. Die Militant-Ausgabe vom 9. März veröffentlichte einen Artikel über die Veranstaltung sowie auch über die Vorstellung von Waters.
Es folgen Ausschnitte aus den Ausführungen von Tony, René und Fernando:

Aus den einführenden Anmerkungen von Antonio Guerrero

Es ist mir eine Ehre hier zu sein und die Jugend, die Professoren, die Arbeiter treffen zu können. Wahrend der Frage-und Antwort-Zeit werden abwechselnd Fernando und René zu Wort kommen.
Zuerst möchten wir den Compañeros von Pathfinder danken, die Tag-Aus-Tag ein, unter Bedingungen, die ihr euch nicht einmal vorstellen könnt, den Sozialismus in den Vereinigten Staaten verteidigen. Wir hatten die Ehre, diese Compañeros während der Jahre im Gefängnis kennenzulernen. Seit der Zeit, in der unsere Lage 2001 bekannt wurde, konnten wir miteinander kommunizieren.
Für uns Kubaner ist es leicht, zu dem Schluss zu kommen, dass Sozialismus der einzig mögliche Weg in eine bessere Welt ist. Nur in einer Gesellschaft mit anderer Mentalität als der Gesellschaft, wie wir sie hier unter so großen Opfern aufgebaut haben, können wir hoffen, dass die Welt die Umstände überlebt, die Bedingungen, die wir erleben, wie Fidel uns mehr als einmal gewarnt hat. In den Vereinigten Staaten ist es schwer, dafür ein Bewusstsein zu wecken. Hier in Kuba ist es wegen unserer Geschichte, wegen der Revolution und der Größe dieses Unternehmens, das natürlich nicht perfekt ist, leichter. Wir müssen noch viele Dinge lernen zu korrigieren, zu ändern - ändern jedoch innerhalb unserer eigenen Gegebenheiten, innerhalb unserer eigenen Idealvorstellungen.
Als ich diese Compañeros vor ein paar Tagen persönlich traf, hatte ich das Gefühl, sie schon seit vielen Jahren zu kennen. Sie unterstützten uns von Beginn an. Sie schickten uns weiterhin Magazine, Bücher und Zeitungen sowohl auf Englisch und Spanisch. Das half uns, viele Beziehungen mit Leuten innerhalb des Gefängnisses zu knüpfen. Wir begannen wegen unserer Unterstützung von außen, die Bewunderung von anderen Gefangenen zu gewinnen. Wir gaben die Bücher, die sie uns geschickt hatten, weiter, und andere Gefangene sollten dann sagen: "Das ist sehr interessant."
Dank der in unserem Land erhaltenen Ausbildung waren wir in der Lage, uns mit ihnen hinzusetzen und mit jedem von ihnen offene Diskussionen über jedweden Gegenstand zu führen. Oft wurde ich gefragt: "Was ist Kommunismus, was Sozialismus?" Das ist für uns leicht zu erklären. Aber wir hatten auch eine wichtige Waffe - diese Bücher. Sie schickten uns auch eine Zeitung namens die Militant, die in beiden Sprachen veröffentlicht wird. Andere Gefangene bekamen ebenfalls Interesse daran, sie zu lesen.
Wir begannen auch, einige Projekte mit diesen Compañeros durchzuführen, Sie waren daran interessiert, die menschliche Seite der Fünf auf bedeutsame Weise darzustellen, um so das an uns begangene Unrecht verurteilen zu können. Eines der größten Projekte, an dem wir arbeiteten, war das vorherige Buch mit 15 Aquarellen....
Diese Compañeros - es gibt nicht viele von ihnen, sie sind bescheiden, aber stark in der Art, wie sie ihre Ressourcen nutzen - sie brachten die Aquarelle an Orte, die ihr euch nicht vorstellen könntet. Und so erhielten wir Briefe von Studenten, Jugendlichen und Kindern aus den gesamten Vereinigten Staaten. Ich erinnere mich, dass, wenn die Militant wöchentlich erschien, sie eine Liste der Ausstellungen enthielt. Daraus ging dann hervor, dass "I Will Die the Way I’ve Lived" [Ich werde sterben, wie ich gelebt habe] in dieser Stadt und in dieser und jener Stadt gezeigt werden würde. In der Woche darauf sah man: Jetzt wird sie hier, hier und dort gezeigt.
Aus Neuseeland schickten mir Sekundarschüler wundervolle Briefe und Fotos. Auch das war die Folge ihrer Arbeit.
Diese Ausstellungen mit den Aquarellen über das "Loch" wurden zu einer sehr effektiven Waffe. Die graphische Darstellung zieht dich an, sie bleibt dir im Gedächtnis. Und es gab unter jedem Bild dazu eine Erklärung.
Daher beschloss ich, nachdem sie eine Ausstellung in Miami gemacht hatten, eine neue Reihe von Aquarellen zu malen. Die Zeit war kurz. Die Darstellung des Gerichtsprozesses war komplexer. Um den 12. September 2014 hielten sie bereits alle der 16 Aquarelle, "Absolved by Solidarity" in Händen. Sie wurden dann in Washington, D.C., ausgestellt.
Die Compañeros vom "Pathfinder" schrieben mir einen Brief und schickten mir einen Entwurf für ein neues Buch mit diesen Aquarellen. Sie hatten geplant, es um den 1. Januar zu veröffentlichen. Es war bereits in der Militant-Zeitung angekündigt worden. Doch dann, plötzlich am 17. Dezember, waren wir Drei hier zurück.
Wir waren bereits etwas länger als zwei Monate hier und auf einer Veranstaltung nach der anderen - ich hatte nicht einmal Zeit, mich selbst zu fragen, was wohl aus dem Buch mit den Aquarellen geworden sein könnte, als ein Compañero aus dem Außenministerium mich anruft und mir sagt: "Ich habe etwas für Dich, was uns von unserem UN-Botschafter übergeben wurde. Es war ihm von den Compañeros der ’Pathfinder’ geschickt worden." Es war dieses Buch.
Also, ich weiß nicht, wie ich meine Rührung beschreiben soll. Während der kurzen Zeit, hatten sie das Buch aktualisiert. Ihr könnt seine Qualität sehen, mit Fotos von unserer Rückkehr und mit von meinen Brüdern dazu geschriebenen Kommentaren. Alles wirft noch einmal ein Licht auf die Bedeutung des Buchtitels, der lautet Absolved by Solidarity - auf die Solidarität, auf den dank der Jury aus Millionen gewonnenen Sieg.
Die Schlacht ist hier nicht zu Ende. Keine Schlacht, die von Revolutionären geschlagen wird, endet mit etwas, was man einmal getan hat. Was du getan hast, ist Vergangenheit. Möchtest du von dem leben, was du getan hast? Nein, du musst von dem leben, was du täglich tust.
An jedem Tag musst du an die Aufgabe, die Verpflichtung denken. An deine Zukunft - die Zukunft der Revolution. In eurer Zukunft geht es nicht ums Studium und bestandene Examina und darum, den Leuten zu sagen: "Seht her, hier ist mein Ingenieurdiplom." Es geht darum, wofür das Diplom steht. Es geht um darum, was heute passiert.
Als ich ein Student war wie Ihr, pflegte ich immer zu sagen: "Ich habe in der Sowjetunion studiert." Und ich sagte: "Alles, was ich habe, verdanke ich der Revolution." Und ich denke, dass ich damit nie falsch lag.
Die Zeiten haben sich geändert. Einige Leute in unserem Land haben angefangen, zuerst und vor allen Dingen an sich Selbst zu denken. Ich spreche nicht von euch, sondern eher im Allgemeinen. Egoismus beginnt wieder in Erscheinung zu treten. Ich möchte euch eines sagen: Je weniger egoistisch man ist, je glücklicher wird man sein. Und man wird ein besserer Revolutionär, ein besserer Mann und eine bessere Frau. [Applaus]

Aus dem Frage- und Antwortteil

FRAGE: Könntest du erklären, wie wir je weniger egoistisch umso glücklicher werden?

TONY: Wenn wir von Egoismus sprechen, ist die erste Person, die mir einfällt Carlos Manuel de Cespedes (1). Ich denke an Menschen, die alles haben konnten und alles aufgaben - sogar ihr Leben - für etwas Wertvolleres als materielle Dinge. Das muss man verinnerlicht haben. Als sie uns verhafteten, dachte ich oft an [den kubanischen Nationalhelden José] Martí und an Che [Guevara]. Jeder weiß, dass Martí alles hätte haben können, was er wollte. Che auch - er war Arzt, richtig? So beginnt man, sich selbst mit diesen Dingen zu stärken.

Die einzige Art, vorbereitet zu sein

Warum wir, während wir im Gefängnis waren, froh waren? Also, jeder Morgen, an dem du aufstehst, ist ein entscheidender Moment deines Lebens, eine neue Gelegenheit. Doch manchmal ist es noch entscheidender, wenn du feststellst, wer du bist. Je mehr du versuchst an jedem Morgen, an dem du aufstehst, den richtigen Weg einzuschlagen, je mehr stehst du auf eigenen Füßen mit klaren Gedanken, je wahrscheinlicher ist es, dass du, wenn der entscheidende Moment gekommen ist, darauf vorbereitet bist.
Der einzige Weg, vorbereitet zu sein, ist, diese Freiheit verinnerlicht zu haben, diese Beispiele für Selbstlosigkeit. Es muss über Slogans oder etwas, dass du gelesen hast, hinausgehen. Es ist etwas in dir selbst. Und es erlaubt dir, dein Haupt in dein Kissen zu betten und mit ungeheurem Frieden im Herzen einzuschlafen.
Lasst uns beispielsweise die Situation aufgreifen, in der wir uns 1998 bei unserer Verhaftung befanden: Sie setzen dir jemanden vor, der dir abverlangt, etwas zuzugeben, das du nicht getan hast. Er erzählt dir, wenn du auf seine Seite überwechselst, kannst du alle materiellen Dinge, die du hattest, zurück bekommen und wieder in dein normales Leben zurück gehen.
Die Alternative ist, dass die Sache wirklich schlimm wird. Die Typen erzählen dir: "Wissen Sie, wir werden Ihnen eine so lange Strafe aufbrummen, dass Sie im Gefängnis sterben werden."
Daher musst du darauf vorbereitet sein. Du hast mit dir selbst schon eine Vereinbarung darüber getroffen, was du im jeweiligen Moment tun wirst. Wenn du diese Prüfung einmal bestanden und nein gesagt hast, beginnst du wahrzunehmen, dass du glücklicher bist als die um dich herum. Die Leute sehen dich und sagen: "Verdammt! Warum lachen sie dauernd? Warum sind sie so froh?"
Einige Gefangene hatten Drogen verkauft, hatten Geld für die neusten Automodelle und andere Dinge. Sie litten, weil sie diese Dinge vermissten. Einige hatten Strafen von fünf oder 10 Jahren - weniger als wir - und sie konnten es nicht aushalten. Wenn sie entlassen wurden, gingen sie zu den gleichen Sachen zurück, immer wieder wie in einem Teufelskreis. Aber du hast die Wahl.
Heute magst du all diese materiellen Dinge wie den hübschen Mantel besitzen. Aber vielleicht wirst du ihn schon morgen nicht mehr haben.
Als die Spezialperiode begann, sagte Fidel den Frauen hier etwas, was wir nicht vergessen werden. Er sagte: "Nehmt Euch mit dem hübschen Kleid, das Ihr jetzt habt, in Acht, denn es muss noch eine Reihe von Jahren halten." Das war’s, was er den Leuten sagte, richtig?
Und es gab einige, die sagten: "Nein, ich geh’ nach Norden, ich werde jedenfalls wie auch immer an neue Kleider kommen."
Im Austausch für was?

FERNANDO: Ich riskiere es, einige Worte zu diesem Thema zu sagen. Ich stimme dem, was Tony sagte, zu. Wir Menschen haben uns aus dem Tierreich entwickelt und tragen in uns den Instinkt, für unser Dasein zu kämpfen. Aber wir unterscheiden uns von dem Rest des Tierreichs. Wir sind bewusste Tiere, auch wenn der Instinkt, eigennützig zu sein, geblieben ist.
Die menschliche Gesellschaft hat sich unter verschiedenen Wirtschaftssystemen entwickelt. Der Kapitalismus, der heute vorherrscht, fördert den Egoismus in uns allen.
Der Sozialismus, auf der anderen Seite, wird sich in dem Maße durchsetzen, wie es ihm gelingt eine andere Kultur zu schaffen, einschließlich der Fähigkeit, sich zu etwas zu verpflichten, das größer ist als man selbst als Individuum. Mit allem gebührenden Respekt vor der Individualität, ist es das Wichtigste, wie José Martí sagt, etwas für die Gemeinschaft, die Menschheit zu tun.

Wir standen vor der Wahl

RENé: Wir erlebten einige kritische Momente, wie den vom 12. September 1998. Jeder von uns hatte seinen eigenen Lebensstil entwickelt. Wir hatten unsere Lieben. Wir hatten Lebensbedingungen, die tatsächlich besser waren als hier in Kuba, weil wir in einem Land arbeiteten, das sich im Herzen der imperialistischen Welt befindet. Wir hatten alle ein Auto und ein Heim, das uns angeblich gehörte - obwohl wir alle wussten, dass das ein Trugschluss war. Die Geschichte zeigte das später als Olga nach meiner Verhaftung das Haus verlor. Aber es ist wahr, wir hatten ein komfortables Leben.
Plötzlich am Morgen des 12. Septembers mussten wir uns entscheiden, wie Antonio sagte. Wir wussten, dass man uns auf einen Schlag alles, was wir besaßen, wegnehmen konnte. Wir hätten den anderen Weg gehen können. Wir wussten, dass wir uns entscheiden mussten, ob wir Kuba verraten und alles das tun, was die Staatsanwaltschaft und das FBI verlangten.
Wir entschlossen uns, Kuba nicht zu verraten. Und in dem Moment, als man uns ins Bundesgefängnis von Miami brachte, begannen wir zu verstehen, dass wir in diesem Augenblick alles das aufgeben mussten, was wir als selbstverständlich betrachteten. Alle materiellen Güter, die man in Jahren der Arbeit anhäuft - die Kleidung, das Auto, das kleine Haus, das man hergerichtet hat.
Dann begann der Überlebenskampf als menschliches Wesen. Das erste, was sie angriffen, war unsere Würde - und das tat man mit aller zur Verfügung stehenden Macht. Gemeinsam mit unserer Fröhlichkeit, was wir vorhin diskutierten.
Aber schrittweise begreift man, dass es möglich ist, seinen Frohsinn sogar unter diesen Bedingungen zu verteidigen. Es wird Teil deines Widerstands’ gegen Erpressung, Arroganz und Missbrauch durch die Staatsanwälte.
In dem Verfahren gab es Leute, die noch unglücklicher waren als wir Gefangenen - die Staatsanwälte. Wir machten die Staatsanwälte zu den unglücklichsten aller Leute, die wir während dieser sieben Monate sahen.
Wenn sie das Gericht betraten, wurden die Staatsanwälte zur Zielscheibe aller Witze von allen, selbst der Leute in deren Gewahrsam wir uns befanden. Sie waren Ziel des Spotts der Übersetzer, der Stenografen, von Richard, der unser Freund wurde, von Elizabeth, der Sekretärin der Richterin, und anderen.
Für uns war jeder Tag des Verfahrens, der um 4:30 Uhr morgens begann, ein solcher Spaß, dass wir jeden Abend, wenn wir zu Bett gingen, es kaum erwarten konnten, sie am nächsten Tag noch mehr zu demoralisieren.
Die Staatsanwälte hatten alles. Sie standen, stelle ich mir vor, um 6:30 Uhr oder 7:00 Uhr auf. Sie aßen, was immer sie zum Frühstück haben wollten. Sie fuhren in ihren 16-Zylinder-Karossen, die die Hälfte von dem Treibstoff fressen, den das CUJAE verbraucht. Sie zogen die Kleidung an, welche auch immer sie wollten - die arme Staatsanwältin hatte einen unglaublich schlechten Geschmack, aber gut, das ist ihre Entscheidung. [Gelächter]
Sie waren die schlechtaussehendsten Leute, die man je gesehen hat. Wenn ich mein "Tagebuch" des Verfahrens mit den Cartoons von Gerardo publiziere, werdet ihr sehen, was ich meine. [Die ersten fünf Teile finden Sie auf dieser Website unter LOS CINCO bei René mit einigen Cartoons von Gerardo, Anm. d. Ü.] Diese Cartoons von Gerardo zirkulierten unter den Wärtern, die uns begleiteten, unter den Stenografen und anderen, die am Gericht arbeiteten.
Der Punkt ist, man kann lernen, für sein eigenes Glück zu kämpfen. Glück ist in einem drinnen. Je weiter entfernt man es sucht, um so weniger wird man es finden. [Applaus]

FRAGE: Woher nahmt ihr die Kraft, um Kunst zu schaffen und die anderen Dinge, die ihr im Gefängnis gemacht habt: Antonios Bilder, Gerardos Cartoons, all’ die Briefe, die ihr als Antwort an Tausende Menschen in aller Welt geschickt habt?

FRAGE: Andere Führungspersönlichkeiten, die im Gefängnis gesessen hatten, haben eine historische Rolle gespielt, wie Nelson Mandela und Fidel. Wir zählen heute und in der Zukunft auf euch als Führungspersönlichkeiten.

FRAGE: Was sind einige der Lektionen, die ihr in eurer Zeit in den Vereinigten Staaten gelernt habt?

TONY: Zu der Frage, woher wir die Kraft nahmen, im Gefängnis Kunst zu schaffen. Martí sagt, wir müssten kultiviert sein, um frei zu sein, wir müssten gebildet sein, um frei zu sein. Wenn wir heute von Kultur sprechen, sprechen wir von dem, was die Revolution unserem Volk gebracht hat. Wie viel Analphabetentum gab es in Kuba vor der Revolution? Wie viele Universitäten gab es? Wer könnte auch nur daran denken, wir hätten etwas wie CUJAE, wenn es keine Revolution gegeben hätte?
Ich habe hier auf dem Gang mit einem Compañero über den baulichen Zustand der Schule gesprochen. Ich mag die Korridore, so hübsch und sauber, mit all’ den Pflanzen. Aber ich weiß, dass es hier Probleme gibt, wie überall im Land, alles wegen des Wirtschaftskriegs, dem wir seit 1990 ausgesetzt sind. Es war sehr schwierig.
Und ich sagte zu ihm, sieh mal, die Kapitalisten lösen das auf ihre Weise. In den Vereinigten Staaten sagt man: "Ich werde dir 30.000 $ als Schulgeld berechnen, sodass du dich hier anmelden kannst. Aber wenn du das Geld nicht hast, musst du bei einer Bank ein Darlehen aufnehmen." Sie streichen das Geld ein, und ja, sie haben gute Klimaanlagen und andere Dinge in diesen Universitäten. Das ist ihr System.
Wer gab uns hier in Kuba das, was wir besitzen? Die Revolution - die Arbeiter, die, die Zuckerrohr schneiden, diejenigen, die arbeiten. Wir haben etwas anderes, und ihr müsst das verstehen, bevor ihr anfangt, euch zu beklagen oder kritische Kommentare darüber abgebt. Versucht tiefer zu gehen, bleibt nicht an der Oberfläche. Geht den Dingen an die Wurzel.
Als ich an der Lenin-Hochschule sprach, erzählte ich den Studenten, dass es ihre erste Verantwortung sei, auf die Schule zu achten und zu versuchen, sie attraktiver zu machen, nicht alles und immer zu kritisieren. Daran zu denken, woher sie sie haben, wo sie herkam.
Um auf die Frage zurückzukommen, was uns die Kraft gab, im Gefängnis Kunst zu schaffen. Sie ist begründet in der Kultur, die uns unser Volk gab, der Ausbildung, die wir erhielten, kostenlos, schon von Kindesbeinen an.

Wir sind ein Produkt der Revolution

Jeder kann ein Gedicht schreiben. Aber 17 Monate im Loch zu sitzen und 16 Jahre im Gefängnis und Bilder zu malen, die nicht einen Schnipsel von Hass oder Bitterkeit enthalten, sondern eher Optimismus, Liebe und Freiheit - das ist etwas anderes. Das ist ein Produkt unserer Ausbildung zum Revolutionär. Das ist etwas, das wir dank der Revolution erreichen konnten. Wenn man sich hinter Gittern befindet, hilft diese Ausbildung und Vorbereitung der Schaffenskraft.

FERNANDO: Für uns war Kreativität eine Form der Freiheit. Denkt daran, dass keiner von uns ein professioneller Künstler ist. Es kam aus der Fähigkeit zu widerstehen, wie Tony es mit seinen Bildern und Gedichten tat. Wie es Gerardo mit seinen Cartoons machte. Wie es Ramón mit seiner Poesie und René mit seinen Schriften machte. Jeder auf seine Weise. Dieser Geist des Widerstands hatte seine Wurzel in der Kultur, die Tony erklärte.

TONY: Ein Compañero hier sprach über unseren Platz in der Geschichte. Mein Freund, lasst uns hier nicht anfangen, eine Menge Geschichten über historische Rollen zu erzählen. Denk nur an Che: hat er so etwas gemacht? Es geht nicht darum, was einer getan hat. Es geht darum, was man tun wird. Jeder hier ist wichtig. Lasst hier niemanden herkommen, der versucht, der Unentbehrliche, der Kinoheld zu sein, OK?
So sehen wir das. Wir haben sogar unter uns Fünfen einen Pakt geschlossen, eine Verpflichtung unter Brüdern, dass, wenn wir morgen einen mit einem geschwollenen Kamm unter uns sehen - was nicht passieren wird - wir ihm erzählen: "Hör’ mal, du scheinst nicht wie die Person zu sein, die ich kannte." Wir würden es diskutieren, weil es das ist, was man unter Compañeros tut.
Mein Punkt ist, die anstehenden Aufgaben sind für alle da, nicht nur für drei oder vier Leute. Diejenigen, denen man vorwerfen kann, uns ins Rampenlicht gebracht zu haben, sind diejenigen, die uns ins Gefängnis gebracht haben. Dort entstand der große Kampf und die Solidarität.
Bei allem, was passiert ist, ging es nicht um uns als Individuen - es ging um das kubanische Volk, das wir repräsentieren. Das Ansehen, das wir erwarben, repräsentiert den Widerstand unseres Volkes. OK, wir waren es, denen es passiert ist. Aber es hätte genau so gut anderen Compañeros passieren können, die wir da drüben hatten.

Wir werden zusammenarbeiten

Und das ist alles. Jetzt fragen die Leute: "Also, wann beginnt ihr mit der Arbeit? Was sind eure Aufgaben? Arbeitet ihr gut?
Wir werden nicht noch 37 Mal hierher kommen, um über die selben Dinge zu sprechen. Es kann nicht meine Aufgabe sein, jeden Tag hierher zu kommen und euch einen teque (2) zu liefern. Gerade jetzt habe ich Verantwortungen zu schultern, und so geht es Fernando und René. Wir werden arbeiten wie jeder andere auch, und wir werden zusammenarbeiten. [Applaus]
Zu der Frage, welche Lektionen ich in den USA gelernt habe. Nach meiner Verhaftung suchte das FBI nach Personen, die gegen mich aussagen könnten. In Key West, wo ich wohnte, konnten sie keine einzige Person finden. Sie suchten nach Leuten auf meiner Arbeitsstelle. Sie versuchten, meine Lebensgefährtin Maggie unter Druck zu setzen - sie zwangen sie endlose Male zum FBI-Büro zu kommen. Sie suchten und suchten und fanden niemanden.
Ganz im Gegenteil. Ich hatte eine Liste von 20 Bekannten, und einige von ihnen sagten für mich aus. Es gab Menschen, die mir vom ersten Tag an schrieben. Eine Frau aus Key West, die, die mir den ersten Job gab, schickte mir jede Woche eine Postkarte.
Am Tag meiner Rückkehr nach Kuba sagte ich ihnen [den US-Beamten): "Ihr nehmt mir meine US-Staatsbürgerschaft, weil Obama das als Bedingung für meine Entlassung gestellt hat. Aber ihr könnt mir nicht meine Zuneigung für das amerikanischen Volk nehmen." Wie Martí kann ich behaupten, das Monster kennengelernt zu haben, weil ich in seinen Eingeweiden gelebt habe. Aber es ist nicht das Volk der Vereinigten Staaten, was das Monster ist.

RENE: Wenn ich etwas in den Vereinigten Staaten gelernt habe dann, dass alle menschlichen Wesen mehr Gemeinsamkeiten haben als Trennendes. Die US-Gesellschaft hat völlig andere Grundlagen als unsere; ihre Geschichte hat ihre Konsequenzen, genau wie unsere. Aber wenn man jemanden dort von Mensch zu Mensch kennenlernt, scheinen sich die Differenzen aufzulösen. Was uns trennt, ist dieser Apparat, der über Jahrtausende weiterentwickelt wurde, als eine Notwendigkeit einer Klassengesellschaft. Es hetzt uns gegeneinander auf, ob mit dem Banner der Religion, der Rasse oder der politischen Parteien.
Ich weiß nicht, ob die Rolle, die wir in Kuba spielen werden, eine historische sein wird. So etwas muss die Geschichte entscheiden. Wie Antonio so schön gesagt hat, liegt unsere Geschichte jetzt in der Vergangenheit. Wir sind fünf Kubaner wie jeder von euch. Wir werden unseren Platz im Schützengraben einnehmen. Und, wie ihr alle, werden wir durch die Arbeit, die wir leisten, beurteilt werden.
Unter den heutigen Bedingungen steigen die Gefahren, und wir müssen aufmerksam sein. Man wird versuchen, uns zu korrumpieren und zu kaufen. Man wird versuchen aus unseren Problemen Vorteile zu ziehen. Man wird durch die Spalten, die sie zwischen uns öffnen können, herein kommen. Man wird versuchen, in Kuba eine Klassengesellschaft einzuführen - eine Klasse, die wir glücklicherweise 1959 hinaus werfen konnten. Sie werden versuchen, sie wieder einzuführen. Man spricht bereits mit diesen Hintergedanken darüber, gewisse Bereiche der kubanischen Wirtschaft zu ermutigen.
Das bedeutet, es kommt Arbeit auf uns zu, und jeder von uns muss sich daran beteiligen. Ich möchte sagen, der Sieg hängt mehr von euch als von uns ab. Ihr seid diejenigen, die ihre Lebensarbeit unter diesen neuen Bedingungen beginnen.
Wir werden uns an der durch diese Umstände entstandenen Arbeit nach allen unseren Möglichkeiten beteiligen. Alles, was wir anstreben können, ist, dass wir durch unsere Arbeit das Ansehen erfüllen, das diese Episode in euren Augen erzeugt hat.
Was die Geschichte betrifft, Ich werde froh sein, wenn meine Töchter stolz auf mich sind, wenn ich sterbe. Und wenn irgendjemand von euch sagt, ich hätte irgendetwas gut gemacht, dann habe ich mein Ziel übertroffen. [Applaus]

1) Am 10. Oktober 1868 hat Carlos Manuel de Cespedes, ein wohlhabender kubanischer Landbesitzer, seine Sklaven befreit und den ersten Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien begonnen.

2) Teque ist ein beliebter kubanischer Ausdruck für revolutionär klingende Rhetorik, bedeutungslos und totlangweilig durch auswendig gelernte Wiederholung

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

(Quelle: The Militant vom 6. April 2015, Vorabdruck).

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