CounterPunch, 5. Juni 2015

Obama, Kuba und Venezuela
Widerstand gegenüber Normalisierung

Von Mark Weisbrot

In der vergangenen Woche unternahm die U.S.-Regierung diesen zutiefst ironischen Schritt mit der Entfernung Kubas von der Liste der "Staaten, die den Terrorismus fördern". Ironisch deshalb, weil die staatliche Förderung von Terrorismus zwischen den USA und Kuba aus den USA gekommen und gegen Kuba gerichtet worden ist. Diese Vorkommnisse umspannten über vier Jahrzehnte, angefangen von der Schweinebuchtinvasion 1961 über zahlreiche Mordanschläge auf Fidel Castro bis zur Sprengung eines Linienflugzeuges und anderen Terroranschlägen, die von kubanischen Exilanten von den Vereinigten Staaten aus verübt wurden.
Die jüngste Unternehmung räumt eines der Hindernisse für die Normalisierung der Beziehungen zu Kuba aus, doch es gibt noch mehr Aufgaben zu erledigen, dazu gehören das Embargo und die verhasste U.S.-Militärbasis und ihr Gefängnis von Guantanamo, was die Kubaner als K.O.-Kriterium für die Verhandlungen bezeichnen, wenn es nicht geschlossen werde. Eine weitere Ironie besteht darin, dass die U.S.-Regierung Kuba über Menschenrechte belehrt, während sie selber Menschen auf der Insel illegalerweise inhaftiert und foltert.
Interessanterweise haben die Kubaner Washington ein Thema aufgetischt, das wichtigere Auswirkungen auf die Region haben könnte, als die Aufhebung des 53-jährigen Embargos, das praktisch schon seit Jahrzehnten von der ganzen Welt verurteilt wird. Es ist jetzt offenbar, worauf ich erstmals vor einem Monat hingewiesen hatte, nämlich dass die Kubaner es gegenüber Präsident Obama klarstellten, dass die Normalisierung der Beziehungen mit Kuba beschränkt sein würde, wenn Washington nicht die Normalisierung der Beziehungen zu Venezuela wolle. Das ist deshalb von Bedeutung, weil die U.S.-Feindseligkeit gegenüber Venezuela und insbesondere ihre Unterstützung für einen "Regimewechsel" seit 2002 die Beziehungen zu ganz Lateinamerika sogar noch mehr vergiftet haben, als das Embargo gegenüber Kuba.
Präsident Obama scheint die Botschaft bei dem Treffen mit dem Präsidenten Maduro von Venezuela auf dem Amerikagipfel am 11. April verstanden zu haben, da er von seiner Verfügung, Venezuela als "außergewöhnliche Bedrohung" für die nationale Sicherheit der USA zu erklären, den Rückzug antrat, indem er einen Spitzenbeamten des Außenministeriums - Tom Shannon - seit dem 7. April zweimal zu Friedensverhandlungen nach Caracas schickte. Der Karrierediplomat Schannon kursiert als "Pragmatiker". Im Kontext von Venezuela bedeutet das, er ist jemand, der die Unterstützung bestimmter Gruppen bevorzugt, die die Regierung lieber durch Wahlen los werden würden als durch Gewaltanwendung und einen Militärstreich.
Dies ist nicht das erste Mal, dass Präsident Obama sich in Richtung Normalisierung der Beziehungen zu Venezuela bewegt. 2010 versuchte die Administration, die Beziehungen auf Botschaftsebene wiederherzustellen. Das wurde aus dem Büro des damaligen Senators Richard Lugar sabotiert, wahrscheinlich unter Mitarbeit ähnlich Gesinnter im Außenministerium. Im vergangenen Sommer akzeptierten die USA stattdessen einen "chargé d’affaires" [Geschäftsführer] - die zweitrangige Position nach dem Botschafter - in der venezolanischen Botschaft in Washington. Wenige Wochen danach verhaftete der U.S.-Bundesstaatsanwalt Hugo Carvajal, einen venezolanischen General im Ruhestand, auf Aruba - trotz dessen diplomatischen Passes. Aruba ist eine Insel mit 100.000 Bewohnern, die 17 Meilen von Venezuela entfernt liegt und zum Königreich der Niederlande gehört. Diese Verhaftung war nahe an der Zerstörung der diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Venezuela, da Aruba - in offensichtlicher Verletzung der nahezu unantastbaren Wiener Konvention zum Schutz von Diplomaten - einer Auslieferung in die Vereinigten Staaten zustimmte. Zum Glück intervenierte die niederländische Regierung und ordnete seine Freilassung aus Gründen der diplomatischen Immunität an.
Das Muster ist klar und leicht zu verstehen - es gibt eine Menge Leute in der Obama-Administration und im Kongress, die die Normalisierung der Beziehungen zu Venezuela nicht wollen. (Wie in der Presse erwähnt, gilt das auch in geringerem Maße für die Normalisierung der Beziehungen zu Kuba - weswegen Obama während der über einem Jahr dauernden Verhandlungen Spitzenbeamte des State Departments im Dunkeln tappen ließ.) So war es nicht überraschend am 18. Mai einen 2500 Wörter umfassenden Artikel im Wall Street Journal zu finden mit der an den Haaren herbeigezogenen Anschuldigung, dass der Präsident der venezolanischen Nationalversammlung Diosdado Cabello Chef eines angeblichen "Drogenkartells" gewesen sei.
Das selbe Bundes-Staatsanwaltbüro, das in den Carvajal-Fall verwickelt war - natürlich anonym zitiert - war die Hauptquelle für den WSJ-Artikel. Es wurde von anderen meist weit rechts stehenden Quellen gestützt und natürlich von verurteilten Drogenhändlern, die häufig geringere Strafen bekommen wenn sie mit dem Finger auf den geeigneten Schuft zeigen.
Es ist eine dubiose Arbeit, die nur eine Seite der Geschichte präsentiert. (Das WSJ, wie viele der US-Medien, scheint die "Regeln des grundlegenden Journalismus’ aufzuheben", einschließlich der Faktenüberprüfung, wenn es über Venezuela berichtet.) Die Autoren fügten einen Tweet eines venezolanischen Generals hinzu, der kurz und bündig die Leichtigkeit zusammenfasst, mit der Staatsanwälte "Beweise" sammeln können. "Wir alle wissen, dass wer immer eine Greencard haben und in den USA leben möchte, damit er Disneyland besuchen kann, sich nur eine Führungspersönlichkeit herauszupicken und des Drogenhandels zu beschuldigen braucht. DEA-Tours wird sich ihm widmen."
Aber der Artikel bringt die Botschaft ’rüber. Wie im Fall von Carvajal werden diese Bundes-Staatsanwaltbüros ihre versiegelten Anklageschriften bereit halten für den Fall, dass eine ihrer Zielpersonen Venezuela verlässt, und schon wird eine diplomatische Krise geschaffen. Das wäre für den Rest seiner Amtszeit das Ende von Obamas Bemühungen, die Beziehungen zu Venezuela zu normalisieren. Und unglücklicherweise sind die Bundesstaatsanwälte von Miami und New York nicht die einzigen US-Regierungsbeamten, die normale Beziehungen zu Venezuela verhindern wollen.
Jetzt zurück zu den Kubanern und ihren Verhandlungen mit Präsident Obama. Sie haben eine starke Verhandlungsposition: Es scheint klar zu sein, dass Obama der Präsident sein möchte, der in seiner Amtszeit die Beziehungen zu Kuba eröffnet hat. Wird man ihn für schuldlos halten, wenn rechtsradikale Elemente innerhalb der US-Regierung versuchen, die Beziehungen zwischen den USA und Venezuela platzen zu lassen? Oder werden sie ihn daran erinnern, was Harry Truman sagte: "Der ’Buck’ [Dollar] endet hier"?
Obama hat sich selbst bewiesen, dass er ziemlich zäh sein kann, wenn er wirklich etwas will: er hat eine beeindruckende Opposition niedergerungen, einschließlich eine der mächtigsten Lobbygruppen Amerikas, die Israel-Lobby, um mit dem Iran einen Nuklearhandel einzugehen. Er kann das selbe mit Lateinamerika machen, wenn er denn will.

Mark Weisbrot ist Kodirektor des "Zentrums für ökonomische und politische Forschung" in Washington D.C. und Präsident von "Gerechte Außenpolitik". Er ist auch Autor des in Kürze erscheinenden Buches "Gescheitert: Was die ’Experten’ über globale Wirtschaft falsch verstanden haben" (Oxford University Press, 2015).
Dieser CounterPunch-Artikel erschien ursprünglich bei Al Jazeera.

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

(Quelle: CounterPunch vom 5. Juni 2015).

Zurück