Antiterroristas, 22. September 2004

Die fünf Kubaner - Eine bemerkenswerte Familiengeschichte

Nancy Morejón

Prolog zu "Der Süße Abgrund (El Dulce Abismo)

Nancy Morejón
Nach der Lektüre dieser Mischung aus Briefen, Tagebucheintragungen, Gedichten, Zeichnungen und persönlichen Gedanken der Frauen und Kinder der fünf Kubaner, die zu unrecht in den Vereinigten Staaten gefangen gehalten werden, taucht die Wahrheit einer Geschichte auf, deren Schlüsselelemente verdreht und, schlimmer noch, durch das Schweigen darüber betrügerisch ignoriert wurden.
Wer immer diese Seiten liest, die dieses Schweigen brechen, wird nicht nur eine Rekonstruktion der Serie von den wichtigsten Ereignissen für René González, Antonio Guerrero, Fernando González, Ramón Labañino und Gerardo Hernández seit dem 12. September 1998 finden (der Tag, an dem sie verhaftet wurden), sondern auch die verborgenen Seiten dieser Ereignisse kennenlernen – von einer unglaublichen Stärke, die in Wirklichkeit ein enormes Bauwerk ist, das von einem Fundament aus ehrenvollen Opfern getragen wird und grundlegenden moralischen Werten von solcher Lauterkeit, die sowohl wunderschön als auch tief ergreifend sind. Das Dach dieses Bauwerks, die Wände und Fenster geben uns eine Lektion in Liebe und Hoffnung, in Widerstandsfähigkeit und Großzügigkeit, die man bei Ereignissen von solcher politischen Bedeutung und solchem Pathos kaum beobachten kann.
Dies ist eine wahre Geschichte, die von den zarten, festen, freundlichen und tapferen Händen der ersten Opfer, derjenigen, die zuerst leiden, gesponnen wurde: den Müttern, den Ehefrauen, den engsten Freunden und den Kindern dieser fünf Kubaner – ob sie nun hier oder drüben geboren wurden. Ihre aufrichtige Absicht hat nur einen Ursprung: ihr Heimatland, jedoch in dem Sinne, wie es José Martí meinte, der universellste Kubaner und Dichter des "Goldenen Zeitalters", als er sagte: "Die Welt ist unsere Heimat".
Wie die immense Anzahl von heutigen Kubanern, deren intellektuelle Fähigkeiten einmalig in der Geschichte sind, beobachten wir diese Männer bei der Überwindung von Missgeschicken durch Literatur, nicht nur durch Lesen, sondern auch durch Schreiben – eine der eindrucksvollsten Arten der Verbesserung des Lebens auf diesem erstaunlichen und grenzenlosen Planeten. Und wir sehen diese fünf Männer, wie sie uns aus ihren unrechtmäßigen Gefängniszellen die Lebensnotwendigkeit des Lesens und der Kultivierung von Hobbies und deren Erbauung durch das Lernen, wie man einen Bonsai pflanzt, darüber, wie man Haustiere wertschätzt oder wie man beim Briefmarkensammeln verborgenes Wissen entdeckt – der Lernprozess beim Kenntnisgewinn über andere Breitengrade. Dies ist eine besondere Art, das Recht auf Träume zu verteidigen, sich selbst aus der Verarmung des Geistes zu befreien, die, trotz all der verfügbaren technischen Errungenschaften in diesem herzzerreißenden Anfang des neuen Jahrhunderts und neuen Jahrtausends, gegenwärtig ist.
Die Poesie dieser Texte wurde nicht aus übernommenen Idealen geboren, sondern ging aus der Hand jedes seiner Autoren hervor. Sie wurde nicht aus Eitelkeit oder aus dem Wunsch zu bekehren oder aus irgendeinem literarischen Ehrgeiz geboren - obwohl das unter diesen Umständen völlig legitim wäre, sondern aus einer fundamentalen Ethik eines vorangegangenen Geistes – ungreifbar und unbezähmbar. Diese Poesie kommt aus dem Leben selbst, aus dem Bedürfnis nach einem vollständigen Dasein, aus dem Verlangen nach gesunderen Beziehungen zwischen Männern und Frauen, jenseits biologischer Vorprogrammierung.
In Einklang mit einem leuchtenden Stern zieht die unzerstörbare Einheit dieser außergewöhnlichen kubanischen Familien, getragen von der Liebe zu einer Heimat, die über vier Jahrzehnte auf eine höchst feindselige Isolationspolitik stieß, ohne dabei ihren humanistischen Anspruch aus den Augen zu verlieren, auf dieser großartigen Spiralenbahn. Dies ist ein täglicher Beweis von Frauen, die eine solche Würde bei gleichzeitiger Offenheit und der Unschuld der Kinder an den Tag legen, voller Anmut und Humor, durch die wir die Seele einer Nation empfangen, die sich in einfachen täglichen Anekdoten und Zeichnungen ausdrückt, die uns die Brillanz von Saint-Exupery’s "Der kleine Prinz" ins Bewusstsein bringt.
Dies ist nicht nur der Kampf für das Image und die Würde Kubas, sondern vielmehr für die des Universums, denn mit menschlichen Wesen, wie Olga, Mirtha, Rosa, Elizabeth und Adriana ist nicht nur eine bessere Insel möglich, sondern eine bessere Welt.

Nancy Morejón ist eine kubanische Dichterin und Essayistin.

Deutsch: ¡Basta Ya!

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