Ein Telefongespräch mit Gerardo Hernández - Teil 1

Von Saul Landau
16. April 2009
Erschienen bei Progreso Weekly

(Dieses Gespräch fand am 1. April 2009 statt. Unsere Filmcrew bekam die Erlaubnis des Justizministeriums, mit "dem Gegangenen" in Anwesenheit eines Gefängnisbeamten im Zimmer zu sprechen. Vor seiner Verhaftung 1998 leitete Gerardo die Operationen der anderen Agenten der kubanischen Staatssicherheit, die in der Gegend von Miami gewalttätige Gruppen infiltrierten, um sie daran zu hindern, Terroranschläge auf touristische Einrichtungen in Kuba zu verüben. Wir machen vollständige und sorgfältige Anmerkungen.)

Saul Landau: Was war deine Mission und wozu?

Gerardo Hernández: In den USA im Allgemeinen und in Florida im Besonderen hatten zahlreiche Gruppen Terroranschläge in Kuba geplant und durchgeführt. Wir sammelten Informationen über "Alpha 66", die "F4-Commandos", die "Kubanisch-Amerikanische Nationalstiftung" und die "Brothers to the Rescue" [Brüder zur Rettung Anm. d. Ü.]. Es sind seitdem viele Jahre vergangen, und ich hoffe, dass mir nichts entfallen ist, aber ich glaube, das waren die wichtigsten Gruppen in denen wir gearbeitet haben.

Landau: Was habt ihr durch die Infiltration erfahren?

Hernández: Das erste, was mir auffiel war, wie unbehelligt diese Gruppen agierten, obwohl sie gegen US-Gesetz verstießen: Die Neutrality Acts [Neutralitätsgesetze Anm. d. Ü.] [aus den 1790ern Anm. Landau], die angeblich besagen, dass keine Organisation amerikanischen Boden nutzen kann, um Terrorakte gegen ein anderes Land zu verüben.
Im Fall von Alpha 66 nahm man Schnellboote und schoss auf Ziele an Kubas Küste. Wenn sie nach Miami zurückkamen, hielten sie Pressekonferenzen und berichteten öffentlich, was sie getan hatten.
Und wenn jemand fragte: "Hey, verletzt das nicht die Neutralitätsgesetze," antworteten sie: "Eigentlich nicht, weil wir zuerst auf eine der Keys [Inseln Anm. d. Ü.] irgendwo in der Karibik und dann erst nach Kuba fuhren. So sind wir praktisch nicht aus den USA gekommen." Sie machten das öffentlich, und keine US-Behörde zog sie zur Verantwortung.

Landau: In welchen Jahren?

Hernández: Das ging schon 1959 los. Ich persönlich hatte damit seit den 1990ern zu tun. Als ich schon hier im Gefängnis in Victorville [Kalifornien Anm. Landau] war, ich glaube 2005, verhafteten sie hier in diesem Land einen rechten Kubaner, der in seinem Haus ein Arsenal von Waffen aller Art unterhielt. Und das erste, was er sagte, war: "Gut, ich bin Mitglied von Alpha 66, ich brauche die Waffen für den Kampf für die Freiheit Kubas." Das war seine Verteidigung.

Landau: Waren die Cuban Five alle Freiwillige? Wie bereitet man sich auf die Infiltration einer feindlichen Gruppe in einem feindlichen Land vor? Und dann so zu tun, als wäre man ein Feind seines eigenen Landes und dessen Freunden?

Hernández: Ja, alle sind Freiwillige. Ich, für meinen Teil, bin kein Berufssoldat. Ich habe studiert, um Diplomat zu werden. Ich habe 6 Jahre gebraucht, um meinen Abschluss in Internationalen und Politischen Beziehungen zu machen. Danach ging ich als Teil einer freiwilligen internationalen Mission nach Angola. Und während ich in Angola war, habe ich anscheinend die Aufmerksamkeit des kubanischen Geheimdienstes erregt, und als ich zurückkam, trug man mir diese Mission an. Sie sagten: "Wir wissen, du hast studiert, um Diplomat zu werden, aber du weißt, dass sich unser Land mit diesen Terrorgruppen, die aus Florida kommen, um alle möglichen Verbrechen zu begehen, in einer besonderen Lage befindet, und wir brauchen jemanden, der diese Aufgaben übernimmt."
Ich hätte sagen können: "Nein, ich habe Diplomatie studiert, ich will Diplomat sein," aber Kubaner, die während der Revolution aufgewachsen sind, wissen, dass unser Land in den letzten 50 Jahren fasst so etwas wie ein Kriegsschauplatz war. Wer in Kuba kein Terroropfer persönlich kannte, weiß zumindest von dem Flugzeug, das über Barbados explodierte, wobei 73 Menschen getötet wurden [Oktober 1976 Anm. Landau]. Wer weiß nichts von der Bombe, die [1997 Anm. Landau] Fabio di Celmo tötete [ein italienischer Tourist und Gast im Hotel Copacabana in Havanna, der von einer Bombe getötet wurde, die ein Salvadorianer gelegt hatte, der aussagte, er wäre von Luís Posada engagiert worden. Anm. Landau], um nur einige Anschläge zu erwähnen? Da gab es eine Vorschule, in der die Konterrevolutionäre einen Gastank in Brand setzten. Diese Anschläge gehörten zu den kubanischen Sorgen. Also sagte ich den Geheimdienstoffizieren: "Ja, ich bin bereit, diese Mission zu erfüllen."

Landau: Wie habt ihr es angestellt, diese Gruppen zu infiltrieren? Wie habt ihr sie überzeugt, Leute wie José Basulto [Chef der Brothers to the Rescue Anm. Landau], zum Beispiel?

Hernández: Für Kubaner ist in diesem Land alles geregelt. Kubaner in den Vereinigten Staaten genießen enorme Privilegien, wie kein anderer aus der ganzen Welt. Kubaner, die auf irgendeine Weise hier ankommen, auch mit falschen Pässen, und das einzige, was sie sagen müssen ist: "Ich komme, weil ich die Freiheit suche," und schon geben ihnen die USA alle Dokumente, die sie brauchen. Also, im Fall von Basulto z.B. hatte einer unserer Kameraden, der die "Brothers to the Rescue" infiltrierte, ursprünglich Kuba ein Flugzeug "gestohlen". René [González, ein anderer der Cuban Five Anm. Landau] hat sein Flugzeug hierher geflogen und wurde wie üblich als Held empfangen. Er bekam eine Menge Aufmerksamkeit und trat später den "Brothers" bei. Sein Job war es, Informationen über diese Organisation einzuholen.
Also, wenn du mich fragst wie, sage ich, wir nutzten für die Infiltration all' die Privilegien, die Kubaner genießen, wenn sie in dieses Land kommen, sogar wenn sie andere in entführten Flugzeugen mitbringen, oder dem Piloten eine Pistole an den Kopf gesetzt haben. Denk' an Leute wie Leonel Matias, der [1994 in Kuba ein Schiff entführte und dabei einen Marineoffizier tötete Anm. Landau] auf einem Schiff jemanden mit seiner Pistole tötete - und die Leiche wurde sogar gefunden. Aber trotz alledem wurde ihm im US-Rechtssystem nicht der Prozess gemacht. Solchen Leuten wird automatisch verziehen. Also, indem wir exakt diese Vorteile nutzten, waren wir in der Lage, bis zu einem gewissen Grad in diese Organisationen einzudringen.
Wenn ich die "Brothers to the Rescue" erwähne, könnte man denken: "Das ist eine humanitäre Organisation, die Balseros [Bootsflüchtlinge Anm. d. Ü.] rettet." Auf der anderen Seite, wenn sich ihre Aktivitäten darauf beschränkt hätten, Balseros zu retten, hätten sie nie Probleme mit den kubanischen Behörden bekommen. Was die Leute nicht zu wissen pflegen ist, dass Basulto eine ganze Akte füllt... Er wurde von der CIA ausgebildet, und drang in den 1960ern in Kuba ein. 1962 kam er in einem Schnellboot nach Kuba und feuerte Salven auf die kubanische Küste ab, einschließlich eines Hotels. Sogar Basulto, mit seiner ganzen bekannten Geschichte, hatte keine Probleme, als er seine Aktionen auf die Rettung von Balseros begrenzte. 1995 jedoch unterzeichneten die Vereinigten Staaten und Kuba ein Migrationsabkommen, in dem vereinbart wurde, dass Schiffe, die auf See abgefangen werden, nicht mehr in die Vereinigten Staaten, sondern zurück nach Kuba gebracht werden. Zu diesem Zeitpunkt hörte man damit auf, Basulto und seiner Organisation Geld zu geben und sagte: "Warum sollen wir Basultos Organisation Geld geben? Wenn er nur die Küstenwache anruft, läuft diese sofort aus, um diese Balseros nach Kuba zurückzubringen."
Also, als Basulto sein Geschäft in Gefahr sah, erfand er [1995 Anm. Landau] die Invasionen in den kubanischen Luftraum, damit die Menschen weiter Geld spenden. Wir haben diese Beweise in unserem Prozess präsentiert. Hätte die Presse mehr Aufmerksamkeit darauf gerichtet ... gut, sie möchten dieses Material nicht anrühren. Sie halten es nicht für erforderlich. Ich meine die Pressekonzerne. Die Dokumente, die beweisen, wie Basulto und die "Brothers to the Rescue" selbstgemachte Waffen ausprobieren, um sie dann nach Kuba zu bringen, sind alle vorhanden.
Als Basulto in unserem Verfahren aussagte [2001 Anm. Landau], fragten ihn unsere Anwälte, was er mit all' diesen Waffen vorhabe. All' das steht im Protokoll, obwohl es scheint, als ob keiner seine Aufmerksamkeit darauf richten möchte. Die Leute neigen dazu, von den "Brothers to the Rescue" zu sprechen, als wären sie eine humanitäre Organisation, und sparen den Teil des Terrorismus' aus, so wie sie aussparen, dass das FBI diese Organisation ebenfalls infiltriert hat. Das FBI hatte jemanden innerhalb der Gruppe, der Informationen über die Aktivitäten der "Brothers" lieferte. Warum sollte das FBI eine humanitäre Organisation infiltrieren?

Ein Telefongespräch mit Gerardo Hernández - Teil 2

"Ich schätze, sie haben eine Menge James-Bond-Filme gesehen."

Nach Notizen von Saul Landau

Saul Landau: Hast Du irgendeinen der Terroristen, wie Du sie nennst, persönlich getroffen?

Gerardo Hernández: Nein, ich habe einige von ihnen gesehen, bin aber nicht mit ihnen in Kontakt getreten. Einige von uns [Fünfen] wurden als illegale Agenten verklagt. Ich hatte eine falsche Identität - Manuel Viramonte. Ich habe die Informationen, die mir die anderen Agenten übergaben, die ihre eigene Identität beibehalten hatten, zusammengestellt, wie die von René González. Er hatte seinen eigenen Namen behalten. Er stahl ein Flugzeug aus Kuba. Jemand wie er kann damit rechnen, Vertrauen zu erhalten und sich einer Organisation annähern. Nicht so in meinem Fall, da ich nicht einmal eine richtige Geschichte hatte. Daher bestand meine Aufgabe darin, die Information der anderen zusammenzustellen und nach Kuba zu schicken.

Landau: Tagsüber arbeitetest Du als Grafiker?

Hernández: Ich war eher ein unabhängiger Unternehmer. Zumindest gehörte das zu der Tarnung. Ich machte einige Illustrationen für eine Zeitung, aber das nur zur Beibehaltung meines Images.

Landau: Also, hast Du diejenigen, die die gewalttätigen Gruppen infiltrierten, supervidiert? Erklär'mir, wie Du das gemacht hast.

Hernández: Es wäre nicht angemessen, zu viele Details zu nennen, richtig? Aber die Gerichtsdokumente zeigen, dass wir Agenten Zugang zu diesen [terroristischen] Organisationen hatten. Deren Funktion war es, Kuba über das Erwerben zahlloser Informationen hinsichtlich der Anschlagspläne dieser Organisation zu schützen.
Zum Beispiel: René schließt sich den "Brothers to the Rescue" an und hört Basulto sagen, dass sie eine für Tests auf Ziele in den Everglades bereite Waffe haben. Sie feuern sie ab, und es funktioniert. Jetzt versuchen sie, einen Ort in Kuba zu finden, wo sie sie abfeuern können. Also, ich werde durch vorher vereinbarte Kommunikationsmethoden wie durch einen Pieper alarmiert. Ich habe ihn dann angerufen, und wir haben dann über kodierte Sprache ein Treffen vereinbart. Wir haben Vorsichtsmaßnahmen getroffen, uns getroffen, und er hat mir dann über ihren Test dieser Waffe erzählt.
Oder Alpha 66 plant gerade eine Expedition, um Waffen an der kubanischen Küste abzufeuern oder sie wollen in einem Flugzeug voller Touristen, das von Mittelamerika nach Kuba fliegt, eine Bombe legen. Ich habe das nicht erfunden. Ich habe sie versucht zu ermutigen, noch mehr herauszufinden, aber keine unnötigen Risiken einzugehen. Dann habe ich diese Information nach Kuba geschickt, und Kuba pflegte dann zu antworten und mir zu sagen, tu dies oder jenes, beschaffe Dir Information mit diesen oder jenen Mitteln. Darin bestand im Grunde mein Job.

Landau: Beschreibe, was am Tag, als das FBI Dich verhaftete, passierte.

Hernández: Es war ein Samstag [12. September 1998]. Ich habe geschlafen. Es war etwa um 6 Uhr morgens. Ich wohnte in einem kleinen Einzimmer-Apartment. Mein Bett stand dicht neben der Tür. Ich erinnere mich, im Schlaf gehört zu haben, wie jemand versuchte, mit Gewalt das Türschloss zu öffnen. Ich hörte ein lautes Geräusch, als sie die Tür einschlugen. Es war eine Schlägertruppe. Als ich mich im Bett aufsetzte, war ich schon von Leuten mit Maschinengewehren und Helmen umzingelt und von all' dem, was es so im Kino zu sehen gibt. Sie nahmen mich fest, legten mir Handschellen an und sahen mir in den Mund. Ich schätze, sie hatten eine Menge James-Bond-Filme gesehen und dachten, ich hätte Zyanid im Mund. So überprüften sie, dass ich mich nicht selbst vergiften könnte. Ich fragte sie, warum sie mich verhafteten. Sie sagten: "Du weißt schon warum." Sie steckten mich in ein Auto und fuhren mit mir zum Büro des FBI-Hauptquartiers von Südflorida in der 163. Ave. in Miami. Dort begann das Verhör.
Wir waren in voneinander getrennten Büros untergebracht worden, also jeder von uns. Mich setzten sie in ein Büro, mit Handschellen an die Wand gekettet. Dort verhörten sie mich. Ich hatte die "Ehre", dass Hector Pesquera zu mir kam. Er war der Direktor der FBI-Niederlassung von Südflorida, und er war Puertoricaner. Und meine angenommene Identität, Manuel Viramonte, war auch puertoricanisch. Ich sagte ihm, ich wäre aus Puertorico, und daher begann er, mir Fragen nach Puertorico zu stellen, alle möglichen Fragen. Wer war der Gouverneur in welchem Jahr? Wo haben Sie gewohnt? Mit welchem Bus sind Sie zur Schule gefahren? Über welche Route? Und als er sah, dass ich alle diese Fragen beantworten konnte, wurde er richtig wütend. Er schlug mit der Faust auf den Tisch und sagte: "Ich weiß, Sie sind Kubaner und Sie werden im Gefängnis verrotten, weil Kuba nichts für Sie unternehmen wird."
Danach versuchten die Anderen, die an dem Verhör beteiligt waren, nicht er, alle möglichen Techniken. Sie sagten zu mir: "Du weißt wie dieses Geschäft läuft. Du weißt, dass du ein illegaler Agent bist. Du weißt, was in den Büchern steht, dass Kuba niemals zugeben wird, euch mit falschen Pässen hierher geschickt zu haben. Sie werden niemals zugeben, euch zu kennen, also werdet ihr im Gefängnis verrotten. Das Beste, was ihr tun könnt, ist mit uns zu kooperieren, wir bieten euch, was ihr wollt. Wir werden eure Identität ändern, euch ein neues Bankkonto einrichten." Sie sagten alles Mögliche, damit ich die Anderen verpfeife. Sie sagten: "Hier ist das Telefon. Ruf dein Konsulat an." Alles Strategien, um mich umzustimmen. Das ist getrennt von einander allen Fünf so passiert. Später haben sie uns ins Gefängnis gebracht, ins Bundesgefängnis in Miami und ins "Loch" gesperrt.

Landau: Für wie lange?

Hernández: 17 Monate. Die ersten fünf Monate waren natürlich hart für uns Fünf. Die mit falscher Identität hatten weder jemanden, dem sie schreiben konnten, noch jemanden, der ihnen schrieb, niemanden, den sie anrufen konnten. Manchmal wurden uns Anrufe erlaubt. Die Wärter öffneten die kleinen Fenster in der Tür und stellten das Telefon dahin. "Willst du nicht jemanden anrufen? Deine Familie in Puerto Rico?"
"Nein," sagte ich, "ich werde nicht anrufen." "Warum denn nicht?" fragten sie aus Gemeinheit, denn sie wussten, dass ich kein Puertoricaner war, und das Telefon nicht benutzen würde. Das waren schwierige Monate.

Landau: Beschreib das "Loch".

Hernández: Das ist ein Raum, den es in jedem Gefängnis gibt, in den man Gefangene zur Disziplinierung sperrt, oder aus Sicherheitsgründen, wenn sie nicht mit den übrigen Insassen zusammen sein können. Die Zelle in Miami war im 12. Stockwerk. Die Zellen sind für zwei Personen, aber wir waren allein, jeder für sich, sechs Monate - ohne jeden Kontakt. Später ergriffen unsere Anwälte Maßnahmen, damit wir zu zweit sein konnten. In diesen ersten sechs Monaten in "Einzelhaft", hatten wir eine Dusche in der Zelle, sodass wir duschen konnten, wann wir wollten. Aber beim Duschen wurde alles in der Zelle nass. Man ist 23 Stunden am Tag in der Zelle und für eine Stunde wird man zur Erholung an einen anderen Platz gebracht. In Miami war es praktisch nur eine andere Zelle, aber etwas größer und mit diesem Gitter, durch das man ein kleines Stück Himmel sehen kann. Man konnte sagen, ob es Tag oder Nacht ist, und es kam ein wenig frische Luft dadurch. Das war es, was sie "Erholung" nannten. Aber häufig gingen wir nicht, weil sie einem zu lange Handschellen anlegten, deinen Körper und deine Zelle untersuchten, um dich hin und zurück zu bringen. Manchmal führten sie uns alle zusammen in eine Zelle, sodass wir uns unterhalten konnten. Das Reglement war streng. Sie bestraften Gefangene, die eine ernste Undiszipliniertheit begangen hatten. Dort waren wir 23 manchmal 24 Stunden am Tag, innerhalb dieser vier schmalen Wände, und hatten nichts zu tun. Es ist sehr schwierig aus menschlicher Sicht. Und viele Menschen halten das nicht aus. Sie verlieren den Verstand und beginnen zu schreien.

Landau: Hast du etwas Schlimmes getan?

Hernández: Nein, wir wurden von Anfang an dahin geschickt. Sie erzählten uns, es wäre um uns vor den normalen Insassen zu schützen. Aber meiner Ansicht nach, hatte es mehr mit dem Versuch zu tun, uns umzustimmen. Nachdem Angst und Einschüchterung nicht funktioniert hatten, dachten sie: "Gut, lasst sie uns für einige Monate in Isolationshaft bringen und sehen, ob sie ihre Haltung ändern."
Das einzige, was es zu lesen gab, war die Bibel, und sogar dafür musste man einen schriftlichen Antrag beim Kaplan stellen. Ich stellte den Antrag, um irgend etwas zu lesen zu haben, und bekam eine Bibel. Als sie sie mir brachten - ich weiß nicht, ob aus Zufall oder anderen Gründen - befanden sich einige Karten darin, einschließlich der Telefonnummer des FBI. Für den Fall, dass ich sie vergessen hatte, nicht wahr? Als ob sie dachten :"Gut dieser kommunistische Kerl fragt nach der Bibel... der muss sich gerade ändern." Das ist es, was ich mir vorstelle, was sie dachten oder planten.

Ein Telefongespräch mit Gerardo Hernández - Teil 3

Kubas größtes "Verbrechen": Sein Wunsch, eine souveräne und unabhängige Nation sein zu wollen

Saul Landau: Kamst Du später in das Gefängnis in Lompoc, Kalifornien?

Gerardo Hernández: Ja, wir führten einen Rechtsstreit darum, aus dem "Loch" zu kommen und zu den anderen normalen Gefangenen. Dann kam die Verhandlung und nach der Verhandlung ein weiterer Monat wieder im "Loch". Dann, nach der Strafverurteilung, schickten sie uns in verschiedene Strafanstalten. Ich wurde nach Lompoc geschickt und 2003 in die "Box". Das geschah in allen 5 Gefängnissen am selben Tag. Bis jetzt ist es nicht klar, warum oder wer die Anordnung dazu gab. Lompoc ist ein sehr altes Gefängnis, abgesehen von dem "Loch", in das sie Leute schicken, die die Wachen angreifen oder Matratzen in Brand stecken; gibt es für die Unverbesserlichen die "Box", ein Kellergeschoss unterhalb des "Loches" - 10 Zellen mit doppelten Türen. Sie brachten mich für einen Monat dort hinunter - ich war nur in Unterwäsche und barfuß. Ich wusste nicht, ob es Tag oder Nacht war, denn man ist dort ganze 24 Stunden drin. Es gibt keine Erholungsstunde oder irgend etwas. Es tropfte durch ein Leck aus der Zelle über mir. Jedes Mal, wenn jemand über mir die Klospülung bediente, rann das dreckige Wasser über meine Zellenwände.
Ich beklagte mich wegen der Gesundheitsgefahr. Aber sie hatten geplant, uns wegen "administrativer Maßnahmen" für ein ganzes Jahr dort zu halten. Sie hatten mich vorgewarnt, ich würde dort keinen Kontakt, keine Besuche, nichts bekommen. Um mit meinem Anwalt zu kommunizieren, musste ich einen Brief einreichen. Ich musste aus einem Stück Papier einen Umschlag falten und ihn mit Zahnpasta zukleben. Es gab nichts zu lesen, nichts, womit ich schreiben konnte, nichts! Das war ein ziemlich schwieriger Monat. Sie [die Gefängnisbeamten] sagten uns, wir müssten für ein Jahr dort bleiben, und nach Ende des Jahres würden sie unseren Fall überprüfen, wir könnten unbegrenzt dort bleiben. Wenn die Wachen mich zum Baden abholten, kamen 3 oder 4 von ihnen, um mir Handschellen anzulegen. Bei den anderen Zellen standen die äußeren Türen gewöhnlich offen. Die innere Tür war wie ein verschlossener Zaun, aber die eiserne äußere Tür, die einen vollständig isolierte, wurde offen gelassen, damit die Leute nicht verrückt würden. Doch meine war immer verschlossen. Wenn sie mich zur Dusche abholten, pflegten sie die anderen Türen vorher zu schließen, damit mich keiner auch nur sehen könne - denn zu den Regeln gehörte es, dass ich mit niemandem Kontakt haben dürfe. Ich war dort einen Monat lang barfuß, ohne zu wissen, ob es Tag oder Nacht sei. Dreckiges Wasser lief über meine Wände, während das Licht 24 Stunden lang brannte und ich die Schreie der Leute um mich herum hörte - einige von ihnen waren verrückt geworden. Eines Tages, an einem Donnerstag, brachten sie mir Papiere zum Unterzeichnen, die besagten, dass ich ein Jahr lang dort bliebe. Am darauf folgenden Dienstag, holten sie mich - ohne jede Erklärung, genau so, wie sie mich dorthin gebracht hatten, ohne, dass ich irgend etwas wusste, - dort wieder heraus. Wir erfuhren danach, dass viele Menschen außerhalb des Gefängnisses protestiert hatten. Kongressmitglieder hatten unsertwegen nachgefragt.

Landau: Unter welchem Vorwand wurdest Du in die "Box" geworfen? Wie konntest Du gesund bleiben?

Hernández: Vorwand? Keiner. Der Leutnant, der mich in das Loch brachte, fragte mich: "Warum müssen Sie in das Loch?" Ich sagte: "Was fragen Sie mich? Sie sollten es mir sagen." Als ich nachfragte, sagten sie mir: "Anordnung von oben." Zufälligerweise fand dies einen Monat, bevor wir unsere Berufung einreichen mussten, statt, als wir den Kontakt mit unseren Anwälten am dringendsten brauchten, um die Berufungsdokumente fertig zu machen. Wir [die Fünf] gingen - welch mysteriöser Zufall - genau vor unserer Berufung in das "Loch".
Wie ich das überstanden habe? Wir waren uns der weitreichenden Unterstützung von Menschen, die Gerechtigkeit fordern, überaus bewusst. Das berührte uns wirklich. Wir wussten, dass Kuba protestieren würde, aber auch, dass Freunde aus aller Welt, einschließlich derer in diesem Land, alles ihnen nur mögliche tun würden, um uns zu befreien. Wir kamen schließlich aus dem Loch 'raus. Tatsächlich fanden in vielen Ländern und vor der Gefängnisbehörde Proteste statt. Solche Aktionen geben Dir wirklich Hoffnung und Stärke. Und Du weißt, Du kannst auf Deine Kameraden zählen... Menschen, die Dich nicht fallen lassen würden und hoffen, dass Du sie auch nicht fallen lässt. Daher verbringt man den ganzen Tag damit zu denken: "Mir darf hier nichts passieren, ich darf keine Panik-Attacke haben, keinen Nervenzusammenbruch, ich darf mich nicht aufgeben, nicht 'mal ein kleines Bisschen, denn zu viele Menschen dort draußen werden es mir vorhalten." Das gibt Dir Stärke.

Landau: Dachtest du an deine Familie?

Hernández: Die US-Regierung gab ihr [seiner Frau Adriana] kein Visum, um mich besuchen zu können - zehn Jahre lang. Mir die Möglichkeit zu verweigern, meine Frau zu sehen, ist Teil des Verfahrens, der Vernehmung, Anreiz zum Verrat, Monate in Isolationshaft. Die Pläne des FBIs oder der Administration gingen nicht auf. Anfangs dachten sie: "Sperrt diese Castro-Agenten ein, bedroht sie und sie werden angekrochen kommen, weil dies das reichste und beste Land der Welt ist. Kuba ist ein armes Land, eine Diktatur..." Seit 50 Jahren erzählen sie den Amerikanern: "Kuba ist die Hölle, aber du darfst nicht dahin gehen, um sie dir selbst anzusehen."
Amerikaner dürfen viele Dinge tun, aber nicht 90 Meilen in dieses Land reisen, um die Behauptungen der Regierung zu prüfen. Sie wollten, dass "die 5" die Seiten wechseln, diese fantastische Propagandashow abziehen, anklagen, was sie [die USA] auch immer wollten, die Revolution verfluchen, wie sie es mit übergelaufenen Sportlern und Musikern machen. Alles was du sagen musst ist: "Ich komme hierher, um die Freiheit zu suchen." Die Regierung quetscht das Äußerste aus ihnen, und dann werden sie vergessen. Das war mehr oder weniger der Plan für uns, aber es hat nicht funktioniert. Aus Vergeltung machten sie uns das Leben so schwer wie möglich. 10 Jahre lang. Die Gefangenen schreiben ihren Familien E-Mails. Mich lassen sie nicht E-Mails schreiben, nicht einmal meiner Frau.

Landau: Was hat Kuba den Vereinigten Staaten getan, um 50 Jahre Bestrafung zu verdienen?

Hernández: Kubas größtes "Verbrechen" ist es, dass es ein souveränes unabhängiges Land sein will. Die Geschichte reicht weiter zurück als 50 Jahre. Kuba hatte den Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien [1895 - 1898] gewonnen, als die Vereinigten Staaten sagten: "Das ist nicht gut für uns!" Plötzlich und unter mysteriösen Umständen explodierte die "USS-Maine" [auf Havannas Reede], der Vorwand für die US-Intervention, mit der Niederlage Spaniens. Dann setzten sie das Platt Amendment [das den USA die Intervention erlaubte] in die kubanische Verfassung.
Um noch weiter zurückzugehen: Kuba, die reife Frucht, würde den USA in den Schoß fallen, Kuba liegt im Hinterhof der USA. Diese kleine Insel hat das Pech, 90 Meilen entfernt vom mächtigsten Land der Welt entfernt zu liegen. Kuba hat es abgelehnt, die Spielhölle und das Bordell der USA zu spielen, wie in den guten alten Zeiten, als Marines gegen die José-Martí-Statue pinkelten. Diese Zeiten sind immer noch im Gedächtnis der Kubaner. Kubas schlimmstes Verbrechen ist es, frei und souverän zu sein - ohne dass der US-Botschafter diktiert, wie er es ein halbes Jahrhundert lang getan hat. Das ist es, was man Kuba nicht vergeben kann, dass es sein eigenes System haben will. Erinnere dich, sie [US-Konzerne] besaßen die Kasinos, die Industrie, das beste Land, sie besaßen praktisch das ganze Land. Das hörte 1959 auf, etwas, was sie uns nicht verzeihen können.

Landau: Ihr werdet also für "Missachtung" bestraft?

Hernández: Ja, aber nach meiner Meinung gibt es noch ein fundamentales Element. Das FBI befand sich in eine unbequemen Situation, da es bekannt wurde, dass das FBI die "Brothers to the Rescue" mit Juan Pablo Roque [ein weitere kubanischer Agent] unterwandert hatte. Er war ihr Agent, sie bezahlten ihn für Informationen. Als das heraus kam, sah das FBI schlecht in den Augen der Rechtsradikalen von Miami aus. Das FBI suchte nach einem Sündenbock und konnte dann sagen: "Seht 'mal, wir haben diese fünf Schuldigen erwischt."

Landau: Was wollten die "Brothers to the Rescue" mit dem Verfahren gegen euch erreichen?

Hernández: Hauptsächlich hatte es einen wirtschaftlichen Zweck. Einige von ihnen haben legitime politische Ansichten und sind auf ihre eigene Weise patriotisch, aber viele machen aus wirtschaftlichen Gründen mit. Die Anti-Castro-Industrie ist eine Multi-Millionen-Dollar-Industrie. 50 Jahre lang haben Leute davon gelebt: Von Rundfunk-Kommentatoren bis zu Vorsitzenden der 3500 Organisationen, die Staatsgelder aufsaugen, um "Freiheit in Kuba zu erreichen", oder sie nehmen Spenden von Älteren, um Waffen für die "Befreiung Kubas" zu kaufen. Es ist Basulto nie passiert, in den kubanischen Luftraum zu fliegen, solange ihm die Leute Geld dafür gaben, über den Gewässern von Florida zu patrouillieren. Er hatte ein paar kleine Flugzeuge für die Spendengelder gekauft. Als die Leute nicht mehr spendeten - warum sollten sie, wenn doch die Küstenwache die Bootsflüchtlinge nach Kuba zurückschickte - dachte er: "Ich erfinde lieber etwas anderes." Dann begann er, in den kubanischen Luftraum zu fliegen..., damit er weiter zu Geld zu käme.
Meiner Meinung nach hat Basulto, der intelligent ist, auch versucht, einen ernsten Konflikt zu provozieren. Sie träumen von dem Tag, an dem die US-Army die Revolution von der Erdoberfläche fegt. Auf dieser Asche würden sie ihr eigenes Kuba wieder aufbauen, das Kuba, das sie vor der Revolution hatten. Wozu sie nicht in der Lage sind, würde die US-Army für sie erledigen. Deswegen nennen sie die "Schweinbucht" einen Verrat. Sie dachten, die US-Army würde sie in der Schweinebucht unterstützen. Das war Kennedys Verrat. Also, ich habe keinen Zweifel, dass Basulto die Absicht hatte, einen internationalen Konflikt anzuzetteln. Es spielte keine Rolle, wie viele Kubaner oder Amerikaner dabei stürben. Das einzige, was sie interessiert, war, dass sie ihr Land, das was sie als ihr Land betrachten, zurückbekommen.

Landau: In Miami gab es ein Gerücht: Basulto war kubanischer Agent. Alle seine Missionen endeten mit Fehlschlägen oder Katastrophen.

Hernández: Der zweite Teil ist wahr, aber den ersten bezweifle ich. Es ist beschämend, dass Leben verloren gingen [beim Abschuss der Flugzeuge der "Brüder" im Februar 1996], aber ich versichere dir, Kuba hat alles mögliche getan, das zu verhindern. Sie [die kubanische Regierung] hat 16 diplomatische Noten über offizielle Kanäle geschickt, in denen sie die USA aufforderte, den "Brüdern" nicht zu erlauben, in kubanischen Luftraum zu fliegen.

Ein Telefongespräch mit Gerardo Hernández - Teil 4

"Noch etwas zu Miami... es gibt dort auch viele gute Menschen."

Saul Landau: In Angola, in Afrika, was hast du dort gemacht?

Gerardo Hernández: Ich ging als stellvertretender Kommandant in einer Kundschafterkolonne. Zuerst erhielt unsere Gruppe ein allgemeines Training. Dann schlossen wir uns verschiedenen, über Angola verteilten Einheiten an. Ich war in Cabinda, der 10. Panzerbrigade, der 11. Planungsgruppe stationiert. Der Oberleutnant ging, und ich wurde Kolonnenführer, bis sein Ersatzmann eintraf. Unsere Aufgabe bestand darin, einen Teil des Nordens von Angola, sehr nahe am Kongo, einer Kombination aus Dschungel und Wüste, zu erkunden. Um unsere Truppen zu beschützen, erkundeten wir das Gebiet rund um die Einheit und suchten nach Anzeichen für feindliche Aktivitäten. Gemeinsam mit den Gefechtsingenieuren erforschten und inspizierten wir die Straßen, die unsere Einheiten benutzten.
Zum Beispiel nutzten wir einen Brunnen, um Trinkwasser für die Einheit zu bekommen, und unsere Lastwagen mussten dorthin fahren. Um den Feind daran zu hindern, Minen zu verlegen, kontrollierten wir mit den Gefechtsingenieuren das Gebiet, um Minen zu orten.
Ich war von 1989 bis 1990 dort. Die Presse sagte, dass ich einen Kampfauftrag erfüllt hätte. Es gibt einen großen Unterschied zwischen einem Kampfauftrag und einer Kampfaktion. Die Kundschafterkolonne erfüllte ihre Aufgabe, ohne ins Gefecht zu kommen. Wir beendeten 64 Kampfaufträge, aber ich hatte nie eine Kampfaktion. Obwohl es die letzte Phase der kubanischen Zusammenarbeit mit Angola war, hatte ich Kameraden, die auf feindliche Minen trafen.

Landau: Könntest du über das Leben in Miami sprechen? Wie ist es im Vergleich zu dem in Havanna?

Hernández: Ich komme aus dem Teil Havannas zwischen La Guinera und Vieja Linda. Es gibt so viele Unterschiede. Das erste, was einem einfällt, ist der materielle Unterschied. Aber was mich am meisten berührte, war nicht das Materielle. In Kuba leben die Leute beispielsweise bei offener Tür zum Nachbarn, und sie kennen praktisch jeden in ihrer Nachbarschaft. Abends um 8 Uhr kann dein Kind draußen spielen. Und dann rufst du die Kinder nur von der Haustür aus, zum Essen oder Baden zu kommen. Sie leben mit der Gewissheit, dass niemand kommen wird, um ihren Kindern Drogen zu verkaufen oder sie zu entführen. In meinem Apartmenthaus in Miami erkannte ich, obwohl ich jahrelang dort war, einige Nachbarn, aber die Leute leben dort bei verschlossenen Türen. Es ist eine ganz andere Umgebung. Wenn du in Kuba draußen ein Baby mit seinen Eltern siehst, sagst du, auch wenn du es nicht kennst: "Oh, was für ein schönes Kind!" Und du streichelst ihm den Kopf und nimmst es hoch... und das ist normal. Aber nicht hier. Man muss hier in solchen Dingen wirklich vorsichtig sein. Außerdem gab es gewisse Nachbarschaften, deren Bewohner alle oder zu einem großen Prozentsatz zu einer Rasse gehörten. Und die Leute sagen dir: "Sei vorsichtig, geh dort nicht hin, weil du weiß aussiehst, und das ist eine Nachbarschaft von Schwarzen mit Banden."
Das hat mich geschockt, denn in Kuba leben wir total vermischt. Die andere Sache, die ich bemerkte, ist - nachdem ich kubanische Geschichte gelesen und nach den Geschichten, die meine Verwandten mir erzählt hatten - du kannst dort Leute wie Esteban Ventura, den berühmten Folterer der Batista-Polizei treffen, der nach dem Triumph der Revolution nach Miami kam. Also kannst du auf den Straßen spazieren, wo diese Leute unbehelligt bummeln gingen. Etliche Male hörte ich Orlando Bosch sprechen und sah ihn von Nahem und wusste gleichzeitig, dass er einer derjenigen war, die den Auftrag gegeben hatten, in einem kubanischen Flugzeug eine Bombe zu hinterlassen, die 73 Menschen tötete (1976). Solche Erfahrungen ... also, es ist schwer zu beschreiben. Ich spreche von meinen persönlichen Erfahrungen. Aber die anderen Vier hatten auch extreme Erfahrungen, wenn nicht noch mehr.
Ihre Erfahrungen waren meinen sehr ähnlich. Sie waren nicht im selben "Loch" in Lompoc wie ich, aber ihres war genau so schlimm oder noch schlimmer.
Noch eine Kleinigkeit zu Miami: In dieser "Umgebung" von Furcht und Einschüchterung, der Geschäftemacherei des "Gib mir nur das Geld, und wir werden Castro stürzen", der Bestechung (er bezieht sich auf Exilanten wie Guillermo Novo und Pedro Remon, die ihren gewalttätigen Ruf zum Sammeln von Geld nutzten. Beide arbeiteten bei dem Versuch, Fidel Castro 2000 in Panama zu ermorden, mit Luis Posada zusammen), die manchmal gegen ihre Feinde eingesetzt wird, bei allem moralischen Bankrott, bemerkte ich viele Kubaner oder Cubano-Amerikaner, einschließlich der hier geborenen und auch der Latinos, die für eine bessere Beziehung zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten kämpfen, für eine Beziehung gegenseitigen Respekts, befreit von Intrigen, Verwirrung und Spannungen. Das berührte mich wirklich, denn ich weiß, dass sie ihr Leben riskieren, wenn sie das tun.
Negrin (Eulalio, 1979 durch Omega 7 in New Jersey ermordet) verlor sein Leben, weil er sich ihnen widersetzte. Replica Magazine (herausgegeben von Max Lesnik, opponierte gegen den herrschenden harten Kurs), die Geschäftsstelle von Marazul (Charter-Firma für Flüge von Miami nach Kuba, beide erlitten Sprengstoffanschläge). All' diese Bombenanschläge auf Leute, die Opfer, nur weil sie sich nach einer respektvolleren U.S.-Kuba-Beziehung sehnten, wie die Kubaner, die nach Kuba reisen möchten, um dort Zeit mit ihren Familien zu verbringen. Es war ein Hoffnungsschimmer zu wissen, dass nicht jeder in Miami auf diese Atmosphäre einer erstickenden, aufsässigen, anmaßenden Mafia beschränkt ist, dass es dort doch auch viele gute Menschen gibt.

Landau: Hector Pesquera [FBI-Bürochef, Miami] hat dich vernommen. Was war, deiner Meinung nach seine Motivation?

Hernández: Ich weiß nicht, ob er sich eine Beförderung versprach, oder irgend welche anderen Vergünstigungen, kann sein, sogar einen wirtschaftlichen Vorteil. Er hat sich in den privaten Bereich zurückgezogen. Berater für Häfen und Flughäfen, glaube ich. Ich weiß, er wollte das Wohlwollen derer gewinnen, die die "Republik von Miami" kontrollieren. Wie ich dir erzählt habe, war das Ansehen des FBI erschüttert, nach der Erfahrung mit Roque und den "Brothers to the Rescue"
Hör' dir die Aufrufe in den Radio-Shows an: "Das FBI hat uns betrogen!" "Sie haben die ‚Brothers to the Rescue' ausspioniert!" Also, ich glaube, ein Motivationsfaktor war es, den Bestien ein Stück Fleisch vorzuwerfen, um sie glücklich zu machen, "Ihr sagt, wir hätten nichts getan, aber seht 'mal, wir haben diese Kerle gefangen!" In Pesqueras Fall ist es nach dem, was ich gelesen habe, gut möglich, dass seine Überzeugungen ziemlich extremistisch waren, sehr auf Seiten der kubanisch-amerikanischen Mafia. Also, ich glaube, es war ein großes Vergnügen für ihn. Und nach dem Verfahren feierten er und die anderen FBI-Beamten gemeinsam mit Basulto ihren Triumph. Also, es war nicht zu verwunderlich.

Landau: Hast du bei der Rückkehr Roques eine entscheidende Rolle gespielt? [Juan Pablo Roque, ein früherer kubanischer MiG-Pilot, hatte sich am 23. Februar 1996, einen Tag vor dem Abschuss der zwei Flugzeuge, aus Miami nach Havanna abgesetzt. Zwei Tage nach dem Abschuss erschien er im kubanischen Fernsehen und klagte die "Brothers to the Rescue" an. Roque hatte 1992 seinen Überlauf vorgetäuscht und wurde danach von den "Brothers to the Rescue" rekrutiert und nahm an deren Missionen teil. Roque sagte, die "Brüder" hätten Angriffe auf kubanische Militärbasen geplant und versuchten gerade Antipersonenwaffen nach Kuba zu schmuggeln und hätten vor, Hochspannungsmasten zu sprengen, um die Energieversorgung zu unterbrechen. Das FBI hatte Roque rekrutiert, um an Informationen über die "Brüder" zu kommen. Nach seinem Auftauchen in Kuba, haben Moderatoren von Radio-Talkshows aus Miami das FBI als Kommunisten bezeichnet, weil sie einen kubanischen Agenten eingestellt hätten, um die "Brüder" zu infiltrieren.]

Hernández: Ja, ich habe eine Rolle gespielt [dabei, Roque heimlich nach Kuba zurückzubringen]. Die US-Regierung hat versucht, Roques Rückkehr in Zusammenhang mit dem Abschuss der Flugzeuge zu bringen. Das ist absolut falsch. Es ist gut dokumentiert, dass Roques Rückkehr ein Jahr, bevor das passierte, [von der kubanischen Staatssicherheit] geplant war. Doch diese Verwirrung besteht immer noch. Die Staatsanwaltschaft hat klugerweise einige Verlautbarungen bezüglich Operation Venice - Roques Rückkehr - aus den Beweismitteln entfernt, und erweckte den Eindruck, sie sei Teil der Operation Scorpion, die Operation zur Verhinderung von Verletzungen des kubanischen Luftraums.
Ein schönes Beispiel ist eine Botschaft, die ich in Antwort auf eine Anfrage aus Kuba geschickt hatte und besagt, es wäre mir eine Ehre, an einer erfolgreichen Mission, wenn auch nur auf unterster Ebene, teilzunehmen. Aus dem Beweismaterial geht klar hervor, dass sich das auf Operation Venice über Roque bezieht. Die Regierung nutzte das, um zu zeigen, dass ich in den Abschuss der Flugzeuge verwickelt sei, obwohl sie weiß, dass das nichts mit Operation Scorpion zu tun hat. Unsere Richterin wusste das, aber wie dieses System so arbeitet, konnten wir keine Zeit verschwenden und die Sachlage klären. Die Staatsanwaltschaft vermischte vorsätzlich diese beiden Dinge, um eben diese Sachlage zu verschleiern. Aber wir waren nicht in der Lage, das zu klären, aus Zeitmangel und anderen Einschränkungen, Einschränkungen von allem. Ich hoffe, dass das irgendwann geklärt wird. Obwohl es eigentlich nicht notwendig ist, da auch mit der Verwirrung klar ist, dass ich nichts damit zu tun habe. Aber ich will darin nicht nachgeben, weil es so nicht war. Aber ja, ich habe eine Rolle bei Roques Rückkehr gespielt.

Landau: Im Einzelnen?

Hernández: Kuba wollte Roque zurück in Kuba haben, damit er seine Informationen über die "Brothers to the Rescue" enthüllen konnte, ihre wahren Absichten, erklären, dass sie keine humanitäre Organisation, sondern in Pläne, Waffen einzuschleusen, verwickelt seien.
Aber es konnte nicht rechtzeitig durchgeführt werden und zufällig kehrte Roque zu der Zeit der Abschüsse zurück. Aber es gibt noch eine andere Botschaft im Beweismaterial [beim Gerichtsverfahren], nämlich, dass Kuba Roque gesagt hatte, er solle am 23. oder 27. Februar nach Havanna zurückkehren, weil es an diesen Tagen Flüge aus Miami gebe. Und die Flüge der "Brothers to the Rescue" waren am 24. Februar. Das geht klar aus dem Beweismaterial hervor. Also, wenn Roques Rückkehr mit dem Abschuss der Flugzeuge etwas zu tun gehabt hätte, warum sollten sie ihm dann erzählen, er könne am 27. zurückkehren, wenn doch jeder wusste, dass die Flüge [der "Brüder"] am 24. stattfinden würden? Dieses Stück des Beweismaterials widerlegt die Behauptungen, Roque hätte etwas mit dem Abschuss zu tun. Aber die Regierung wollte das nicht anrühren, weil das ihrer erfundenen Geschichte schaden könnte. Im Wesentlichen, Roque sollte reihenweise geheimes Material mitbringen, und das war die Stelle an der wir unsere Rolle spielen mussten. Aber ich versichere dir, dass die Operation, Roque hinauszubringen, nichts mit dem Abschuss der Flugzeuge zu tun hatte. Es war eine völlig andere Operation, als die, die mit den "Brothers to the Rescue" zu tun hatte.

Ein Telefongespräch mit Gerardo Hernández - Teil 5

"Die kleine 90 Meilen entfernte Insel hat das Recht, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen."

Saul Landau: Hast du mit der Staatsanwaltschaft geredet?

Gerardo Hernández: Nein. Es geht immer alles über die Anwälte. Ursprünglich sprach ich mit einem Anwalt der Regierung (Pflichtverteidiger). Er schlug mir vor, mit der Regierung zusammenzuarbeiten. Ich weiß nicht, ob er damit die Staatsanwaltschaft vertrat oder nicht. Aber ich sagte ihm, wenn er weiter mein Anwalt sein wolle, sollten wir dieses Thema nicht mehr ansprechen. Und dann erwähnte er es nicht mehr. Später boten sie (die Regierung) so genannte Verteidigungsabkommen an, die bedeuteten, dass man seine Schuld eingesteht und mit ihnen kooperiert. Wir wiesen all' diese Versuche zurück. Aber wir hatten nie unmittelbaren Kontakt mit der Staatsanwaltschaft.

Saul Landau: Kam dir je die Idee zu kooperieren, um so dem von dir beschriebenen Albtraum zu entrinnen?

Gerardo Hernández: Schau, wir sind seit über 10 Jahren im Gefängnis. Leute, die den Fall kennen, haben schon zu mir gesagt: "Kuba muss euch eine Menge Geld dafür bezahlt haben!" Ich lache dann jedes Mal und sage: "Wenn ich das, was ich getan habe, für Geld getan hätte, dann wäre ich nicht hier." Denn, wenn man für Geld arbeitet, arbeitet man für den Meistbietenden. Und Kuba könnte niemals das zahlen, was dieses Land könnte. Ich hätte ihre (U.S.-) Angebote angenommen und mir 10 Jahre hinter Gittern erspart, ohne meine Frau sehen zu können. Viele Leute verstehen das nicht, Leute, die mit dem Gedanken groß geworden sind, das Geld alles im Leben ist.
Nein, Verrat kam mir nie in den Sinn. Es offensichtlich so schwierig zu erklären. Es würde nicht nur Verrat an mir selbst als Revolutionär bedeuten, sondern auch an einem ganzen Land, an meiner Familie. Es würde bedeuten, all' die Kubaner zu verraten, die in etwas mehr als Hundert Jahren seit der Revolution von 1868 ihr Leben für die Freiheit Kubas gegeben haben, für seine Unabhängigkeit und Souveränität. Es war mir von Anfang an klar: was ich tat, war nicht falsch. Tut mir leid, ich musste einige [U.S.-] Gesetze brechen, aber für das höhere Wohl war es absolut notwendig. Daher habe ich nichts zu bereuen.

Saul Landau: Eine Anklage gegen dich lautet: Verschwörung, Spionage begehen zu wollen. Welche Beweise hatte die U.S.-Regierung dafür?

Gerardo Hernández: Keine. Ich bin der Überwachung anderer angeklagt, die an etwas beteiligt waren (dem Sammeln von Informationen). Nimm zum Beispiel Antonio (Guerrero, einer der Fünf). Antonio ging zu einem Arbeitsamt in Key West, da, wo er wohnte, um nach Arbeit zu fragen.
Eine Frau in dem Amt nannte ihm den Klempner-Job auf dem Marinestützpunkt Key West. Und er nahm ihn an. Er hatte nicht nach dieser Arbeit gesucht. Sie hatte sie ihm angeboten. Wir haben diese Frau von der Arbeitsagentur zum Prozess geladen (als Zeugin). Sie bezeugte, dass sie es gewesen war, die darauf bestanden hatte, dass er diesen Job annahm. Nachdem er dort schon einmal arbeitete, informierten wir Kuba. Kuba sagte: "Wir wissen, dass, bevor eine U.S.-Invasion in ein anderes Land stattfindet, wie z.B. Haiti, dass es dann im Vorfeld eine Zunahme von Einsatzmitteln auf dem Stützpunkt geben könnte." Zum Beispiel: "An einem normalen Tag könnten dort 12 Flugzeuge stationiert sein: Wenn du dort 25 sehen solltest, lass' es uns wissen, denn es könnte etwas komisches im Gange sein."
Es war defensiv. Kuba wollte alles über außergewöhnliche Vorgänge dort wissen. Denk' dran, das ist der nächste Stützpunkt zu Miami, wo diese Leute (militante Exilanten) so viel Einfluss haben. Und sie träumen davon, dass die U.S.-Armee alle Revolutionäre auf Kuba auslöscht, damit sie zurück kommen können. Daher hat Kuba diese Sorge immer beschäftigt. Bei Gelegenheit sagte Antonio dann wohl: "Es gibt eine schlimme Lage auf dem Stützpunkt, es gibt diese vielen Flugzeuge, so und so viele gingen und so und so viele kamen zurück." Das ist offensichtliche Militärinformation. Aber laut den U.S.-Gesetzen ist das keine Spionage. Jeder, der auf der "Route 1" (in Südflorida) entlang fährt, kann sehen, wie viele Flugzeuge da stehen, das ist öffentlich. Es gibt dazu ausführlich aufgeführte Präzedenzfälle, dass das keine Spionage ist.
Die Staatsanwaltschaft sagte: "Sie sind im Recht, das ist keine Spionage. Es ist Verschwörung, Spionage begehen zu wollen. Denn eines Tages hätte Antonio sich ja Klarheit verschaffen und dort eine andere Stellung mit Zugang zu Geheiminformation bekommen können." Während all' der Jahre (von 1993 bis 1998) ist das nicht vorgekommen. Aber sie sagen, es hätte vorkommen können. So dehnten sie diese Anklage aus und verurteilten ihn. Möglicherweise ist das der einzige Fall in den Vereinigten Staaten, in dem jemand wegen der "Verschwörung, Spionage begehen zu wollen", für schuldig befunden wurde, bei dem die betreffende Person überhaupt keinen Zugang zu Geheiminformation hatte.

Saul Landau: Was dich betrifft in dem Wissen, dass die Brothers to the Rescue an dem Tag fliegen würden, wusstest du, dass die kubanische Luftwaffe einen Angriff auf sie plante und noch dazu über internationalem Gewässer?

Gerardo: Das ist die andere Anklage. Wenn du der Anklage am Anfang die Frage gestellt hättest: "Was war seine [Gerardos] Beteiligung, daran, dass das passierte?" hätten sie gesagt: "Er schickte ihnen die Flugpläne." Später bewies man ihnen, dass ich die Flugpläne nicht geschickt hatte Die FAA, [Federal Aviation Administration - Bundesfluggesellschaft] hatte die Pläne geschickt. Aber nebenbei, was für Flugpläne? Basulto hatte eine Pressekonferenz gegeben, in der er ankündigte, sie würden am 24. Februar fliegen.
Sogar unsere Verteidiger machten diesen Fehler, indem sie sagten: "Wann schickten Sie ihnen Informationen über die Flugpläne ..." Nein, ich habe nicht einmal das getan. Ich habe ihnen absolut keine Informationen über die Flugpläne geschickt. Sie sagten das aus Achtlosigkeit, und selbst, wenn es so gewesen wäre, wäre es egal gewesen, aber es ist so nicht gewesen. Die verrückte Idee, die sich die Staatsanwaltschaft ausdachte, ist, dass ich nicht nur gewusst hätte, dass sie [Kuba] die Flugzeuge abschießen werden - ich wusste es nicht - sondern auch wüsste, dass es über internationalen Gewässern passieren sollte, das Kuba vorhatte, diese Flugzeuge nicht nur abzuschießen, wenn sie in den kubanischen Luftraum eindringen, sondern über internationalen Gewässern. Das ist die absurdeste Idee, die sich jemals irgendjemand ausdenken könnte. Aber das Verfahren war in Miami, und darum wäre ich jeder Anklage für schuldig befunden worden.

Saul Landau: Wer in Kuba befehligt diese Art von Angriffen, MiG-Piloten oder Bodenpersonal?

Gerardo: Ich vermute die kubanische Luftabwehr und das Ministerium der Bewaffneten Streitkräfte - einschließlich Bodenradar und Luftwaffe. So wie ich es verstanden habe, haben Fidel Castro und, ich glaube, Raúl detailliert im kubanischen Fernsehen erklärt, wie die Befehle gegeben wurden. Ich kenne keine Details darüber, weil ich hier war, als es geschah. Ich vermute, das Radarsystem, die Luftwaffe und das Oberkommando arbeiteten zusammen wie eine gut geölter Motor.

Saul Landau: Rechnest du nach der Wahl Obamas mit positiven Schritten in Richtung Kuba und für euren Fall?

Gerardo: Ja, in seiner Kampagne hatte Obama den Mut zu sagen, dass er bereit sei, ohne Vorbedingungen mit Kuba zu sprechen. Zuletzt in Miami, was praktisch politischer Selbstmord war. Jeder, der so etwas tun würde, wüsste, dass er damit die Stimmen der Kubaner in Florida verlöre. Aber er hat es gesagt, und ich glaube, dass alles, was ein US-Politiker sagt mit Berechnung geschieht. Also kannte er das Risiko. Er gewann ohne die Mehrheit der kubanischen Stimmen. Also schuldet er ihnen gar nichts. Er ist intelligent und weiß, dass 50 Jahre verfehlter Politik gegenüber Kuba zu keinem Ergebnis geführt haben. Also warte ich ohne viel Hoffnungen und falsche Erwartungen, darauf, dass er sinnvollere, vernünftige Maßnahmen gegenüber Kuba ergreift. Dieses Land bewegt sich auf ein respektvolleres Verhältnis mit Kuba zu - im Interesse beider Länder.
In meinem Fall erwarte ich gar nichts. Meine Politik war es immer, das Schlimmste zu erwarten, wenn Gutes geschieht, bin ich dankbar. In unserer Situation - die 5 - kann man nicht mit falschen Hoffnungen und Illusionen leben. Ich stehe vor lebenslangen Strafen und bin vorbereitet. Wenn sich etwas ändert, heiße ich es Willkommen, aber ich kann nicht daran denken. Du musst psychisch darauf eingestellt sein, was kommen wird und nicht mit Illusionen leben.

Saul Landau: Wie überlebst du jeden Tag?

Gerardo: Die meiste Zeit des Tages verbringe ich mit lesen und schreiben. Ich erlebe eine enorme und erfreuliche Tragödie mit der Korrespondenz. An manchen Tagen bekomme ich 60, 80 Briefe, ... der Rekord ist 119. Stell dir vor, allein diese Briefe zu lesen, ist schwierig. Die Tage verstreichen unglaublich schnell. Sie [die Briefe] helfen mir, mich abzulenken. Ich versuche zu lesen, was über Kuba veröffentlicht wird, um mich auf dem Gebiet, in dem ich ausgebildet wurde, internationale Beziehungen, auf dem Laufenden zu halten. Manchmal fragen mich die Leute hier: "Wie kannst die die ganze Zeit lesen?" Ich genieße es. Unglücklicherweise kann ich nicht alle Briefe beantworten. Manche Leute werden sogar verrückt dabei. Aber es ist unmöglich, weil es so viele Briefe und nicht genug Zeit gibt.

Saul Landau: Hast du eine Botschaft an Washington:

Gerardo: Ja, wenn ich könnte, würde ich sagen: "Wenn wir uns irgendwie schuldig gemacht haben, dann dafür, dass wir das selbe getan haben, was in diesem Augenblick viele amerikanische Patrioten tun, jene in den Bergen von Tora Bora, um nach Informationen über die Al Kaida suchen, damit sich die Anschläge vom 11. September niemals wiederholen."
Ich bin sicher, dass diese Leute hier als Patrioten betrachtet werden. Es ist genau das selbe, was wir hier getan haben: sammeln von Informationen, um Terroranschläge in Kuba zu verhindern. Terror in Kuba ist nichts Abstraktes. Jene, die durch diese Anschläge starben, haben Vor- und Nachnamen, durch Anschläge, die straflos hier auf US-Territorium geplant wurden. Unser einziges Verbrechen ist das, wofür heute junge Amerikaner Medaillen bekommen. Also ist es paradox, dass ein Land, das einen Krieg gegen den Terrorismus führt, Terroristen beherbergt, jene beschützt, die Bomben in Flugzeugen legten, die Dutzende von Menschen töteten, und dafür verherrlicht werden.
Ich würde mir auch wünschen, die Vereinigten Staaten verstünden: Kuba ist ein freies und souveränes Land. Es hat das Recht, seinen eigenen Weg zu wählen, sein eigenes Schicksal, sein eigenes System. Ob ihr es mögt oder nicht, wir Kubaner sind diejenigen, die entscheiden, was wir bewahren, was wir ändern und was wir anders machen müssen und wie wir unsere Gesellschaft aufbauen. Wenn wir den nötigen Frieden hätten, unser soziales System so aufzubauen, wie wir es erträumen, wären die Dinge heute anders. Wir wären viel weiter fortgeschritten. Unglücklicherweise hatten wir nicht den Frieden, dieses zu tun. Ich hoffe, dass der Tag kommt, an dem die Vereinigten Staaten verstehen werden, dass die kleine, 90 Meilen entfernte Insel das Recht hat, ihr Schicksal selbst zu bestimmen. Ich glaube, das der Tag kommt, an dem amerikanische und kubanische Menschen sich verbundener fühlen, auf Grundlage beiderseitigen Respekts.

Saul Landau dreht gerade (mit Jack Willis) einen Film über die Cuban Five. Er ist Mitarbeiter am Institut für Politische Studien

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

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