Ein weiterer Besuch bei Gerardo Hernández

Danny Glover und Saul Landau, 28. Oktober 2010

  Gerardo und Danny
Wir saßen mit acht anderen Leuten - lauter Schwarzen oder Latinos - im Wartesaal, während die Beamten vermutlich die Gefangenen "zählten". Anderthalb Stunden später passierten wir den "Durchleuchtungsapparat", wobei auch unsere Schuhe geröntgt wurden - hatte sich der Flughafen ins Gefängnis verlagert oder war es umgekehrt?
Ein Wachmann drückte uns einen unsichtbaren Stempel aufs Handgelenk, eine schwere Metalltür öffnete sich elektronisch, und wir betraten einen anderen Raum, wo ein Wachmann einen Apparat in der Hand hielt, mit dem er den unsichtbaren Stempel wie im Science Fiktion las. Es öffnete sich - wie durch Zauberhand - ein weiteres massives Portal, und ein Wachmann bellte den Befehl heraus, in der Passage im Freien zwischen dem Eingangsgebäude und dem Gefangenenbesucherraum zu warten.
Danach gingen wir ins Innere des gut ausgeleuchteten Besucherraums, in dem keine Geheimnisse oder Schmuggel übersehen werden können, und ein Wachhabender zeigte auf einen der vielen kleinen, billigen Plastiktische mit drei Plastikstühlen inmitten der gesamten Plastikeinrichtung. Die Gefangenen und ihre Familien unterhielten sich. Wir warteten. Nach 10 Minuten erschien Gerardo Hernández, umarmte Danny und dankte ihm für das You tube Video, das den Fall der Cuban Five erklärt.
Dann umarmte er Saul, der berichtete, dass er gerade aus Kuba zurück gekommen sei und überbrachte Grüße von Leuten, die ihn dort kennen.
"Wie reagieren die Leute auf die neuen Reformen?" wollte er wissen und bezog sich auf die wirtschaftlichen Veränderungen, die den privaten Handelssektor wieder eröffnen, der 1968 durch eine "revolutionäre Offensive" geschlossen und teilweise Mitte der 1990er wieder zugelassen worden war, und auf die massiven Entlassungen (500.000) "überflüssiger" Staatsangestellter, wie Raúl Castro sie genannt hatte.
Saul berichtete, die Leute schienen ängstlich zu sein, aber sich mit der neuen Realität zu arrangieren. Gerardo nickte und meinte: "Es war notwendig."
Er hatte Zeitungen gelesen und Fernsehnachrichten über die Wahlen in der kommenden Woche gesehen. "Werden die Demokraten in einem Haus verlieren oder in beiden?" fragte er.
Wir wussten es nicht. Danny und Saul hatten im Wartesaal vom Flughafen CNN gesehen, bevor sie an Bord des Flugzeuges nach Südkalifornien gingen und hatten Wolf Blitzer und andere CNN-"Chefsprecher" gehört, die um die Medaillen im Schnellsprech-Wettbewerb fürs Nichtssagen wetteifern. Wir merkten dazu an, dass die Kabelnachrichten 24 Stunden am Tag Konflikte (Nachrichten?) herbeischaffen müssen, als ob sie Bluttransfusionen verabreichen müssten. Wenn es kein Problem gibt, schaff' eines. Und doch bahnen sich Krisen an. Wenn selbst Lindsay Lohan und Wynona Rider nicht beim Drogenkonsum oder Ladendiebstahl geschnappt werden konnten, dann muss CNN eine Konfliktsituation zwischen dem homosexuellen früheren Armee-Offizier und Mitgliedern des Stabs von Obama schaffen, um den "Frag' nicht, sag' nichts"-Auftrag einzuhalten. Und das gehörte zu CNNs "Berichterstattung über die Wahlen".
Die Gefängnisbehörden verwehren Gerardo den Zugang zu E-Mail oder Computern, obwohl verurteilten Mördern und Vergewaltigern solche Beschränkungen nicht auferlegt werden. Er kann aber mit seiner Ehefrau telefonieren, "Stellt euch vor, ich kann ihr nicht 'mal eine E-Mail schicken," er lachte sardonisch.
Gerardo kann auch keine E-Mails von seinen Anwälten bekommen, die neulich eine neue Berufung eingereicht haben, die sich auf Regierungsdokumente über Zahlungen an Journalisten aus der Miami-Region konzentriert, die Artikel geschrieben haben - darauf angelegt, die bereits bestehenden "überwiegenden Vorurteile in der Gemeinde" noch zu verstärken - so, dass der Verhandlungsort in Miami für Gerardo und seine Mitgefangenen wirklich ungeeignet für ein faires Verfahren wurde.
Ein Journalist aus Miami, Pablo Alfonso, erhielt 58.600 $ während der Zeit der Verhaftung und des Verfahrens, aber er schrieb nur 16 schädliche Artikel (als er für den "El Nuevo Herald", Miamis wichtigste Zeitung in Spanisch, arbeitete). Andere von der Regierung bezahlte Journalisten machten negative Fernseh- und Radiosendungen über die fünf Männer, die ihre Mission einschließlich der Ausspionierung - allerdings nicht der US-Regierung - zugegeben hatten. Gerardo erklärte, dass der kubanische Geheimdienst die Männer nach Miami geschickt habe, um gewalttätige Exilgruppen zu infiltrieren, die in nur einem Jahr (1997) mehr als ein Dutzend Bomben in kubanischen Touristenplätzen gelegt hatten.
Das FBI verhaftete nicht die Bombenleger, sondern schnappte sich genau die Menschen, die es mit Beweisen für terroristische Aktivitäten in Südflorida ausgestattet hatten.
Im Mai 2005 urteilte eine UN-Menschenrechtskommission, das ursprüngliche Verfahren habe "nicht in einer Atmosphäre der Objektivität und Unbefangenheit" stattgefunden, wie es für faire Verfahren erforderlich sei.
Der US-Supreme-Court hatte eine Berufung der Fünf zurückgewiesen. Aber jetzt, zusätzlich zu der Bestechung von Journalisten, hat der Anwalt Leonard Weinglass herausgefunden, dass Staatsanwälte Beweismittel zurückgehalten hätten, die Gerardos Unschuld demonstriert hätten. Weinglass sagt: "Die Regierung hat tatsächlich Satellitenbilder zurückgehalten, die zeigen, dass der Abschuss vom 24. Februar 1996 in kubanischem und nicht in internationalem Luftraum stattfand. Die Schlüsselagentur der Vereinigten Staaten, die Satellitendaten verwaltet, hat sich bis heute geweigert, zu bestätigen oder zu leugnen, dass sie solche Daten besitzt."
An jenem Tag flogen drei Flugzeuge der "Brothers to the Rescue" in kubanischen Luftraum, nachdem sie zahlreiche Warnungen davor erhalten hatten. Kubanische MIGs schossen zwei der Flugzeuge ab, wobei die Piloten und Kopiloten getötet wurden. Diese Tatsache, schlussfolgert Weinglass, hätte den Fünfen und den MIG-Piloten eine eindeutige Verteidigung gegen die Anklage "Verschwörung, Mord begehen zu wollen" geboten. (Radiointerview mit Bernie Dwyer)
Ironischerweise hat die Regierung niemals eine Verbindung von Gerardo mit den Abschüssen festgestellt. Es wurde eine Korrespondenz vorgelegt, in der Gerardo für seine Rolle in "der Operation" gelobt wird. Aber Gerardo erklärt, "die Operation" habe sich auf seine Hilfe bezogen, einem anderen Agenten zu ermöglichen, das Land zu verlassen, nicht auf die Abschüsse. "Sie hatten andere Dokumente, die sie der Verteidigung nicht gezeigt haben, die bewiesen hätten, dass ich nichts von den Ereignissen an dem Tag wusste." Weinglass hat das in seine Berufung aufgenommen.
Gerardo fragte Danny nach dem Treffen mit seiner Frau Adriana in Paris. Danny erzählte ihm von dem bewegenden Treffen und Gerardos Gesicht hellte sich auf.
Ein Mitinsasse machte Fotos von uns. Wir sagten: "Auf Wiedersehen". Gerardo hielt die "haltet-euch-tapfer-Faust" in die Höhe. Wir winkten, gingen hinaus und begaben uns auf die Reise südwärts zum Flughafen Ontario und passierten dabei Reihen von unverkauften und leeren Häusern in Victorville und die schier unendlichen Reklameschilder von Ladenketten und Restaurants.
"Wau", sagte Danny während er fuhr, "was für ein begeisternder Bursche!"
Saul stimmte zu. Es war die Rundreise, den Ärger am Flughafen, die Fahrt im Mietwagen und die Warterei im Gefängnis - all' diese hässlichen Dinge - wert gewesen, um zu sehen, wie viele Mittel ein Mann einsetzen kann, um seinen Mut zu bewahren und andere zu inspirieren.

Danny Glover ist Aktivist und Schauspieler. Saul Landau ist Filmemacher und Publizist.

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db),

(Quelle: antiterroristas.cu vom 28. Oktober 2010

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