"Es ist wie das 9. Inning beim Baseball...das letzte Inning eines langen Spiels"

Bernie Dwyer, Radio Havana Cuba

18. Dezember 2003

Paul Mc Kenna Der "11th Circuit of Appeals" in Atlanta hat den 10. März 2004 als Datum festgelegt, an dem er die Berufungsanträge anhören wird, die die Anwälte der fünf kubanischen politischen Gefangenen, die zur Zeit harsche Gefängnisstrafen in fünf verschiedenen Staaten absitzen, eingereicht haben. Die Berufung wurde an den Bezirksgerichtshof von Miami für den Bezirk Südflorida vergeben, vor dem die Verteidigung 15 Minuten zur Verfügung hat, um ihre mündlichen Argumente vorzubringen.

Bernie Dwyer von Radio Havana Cuba hat am Donnerstag, den 18. Dezember, mit Paul McKenna, dem Anwalt von Gerardo Hernández, telefoniert. Mr. McKenna erzählte RHC, dass die mündliche Anhörung eine Art Sahnehäubchen sei und dass das lange Warten endlich ein Ende habe.

[Bernie Dwyer] Nach langem Warten wurde jetzt der 10. März als Datum für die Präsentation der mündlichen Argumente für Ihre Klienten festgesetzt, die in Miami stattfinden wird. Welche Bedeutung hat es, dass die Anhörung in Miami sein wird?

[Paul McKenna] Ich bin sehr begeistert davon, dass wir jetzt die Gelegenheit haben, das Berufungsgericht anzusprechen und über die Fehler reden zu können, die im Verfahren gegen meinen Klienten Gerardo Hernández und die anderen vier begangen wurden, und wir freuen uns wirklich auf diese Gelegenheit. Wir stehen vor einem anderen Gericht. Diese drei Richter* sind vom "11th Circuit Court of Appeal" mit Sitz in Atlanta, und sie reisen an verschiedene Orte und in diesem Fall fahren sie nach Miami. Es stört mich nicht, dass dieser Fall in Miami verhandelt wird, weil diese Richter über der Politik von Miami stehen. Sie haben in der Vergangenheit wichtige juristische Entscheidungen gegen die sogenannte kubanische Exilgemeinde hier in Miami gefällt. Darum bin ich zuversichtlich, dass dieses Gericht ein faires und unparteiisches Urteil abgeben wird, nachdem es unsere Argumente gehört und unsere schriftlichen Anträge erörtert hat.

[BD] Berührt die Tatsache, dass die mündliche Anhörung in Miami stattfindet das Hauptargument Ihrer Berufung, nach dem die fünf kubanischen Männer kein faires Verfahren in Miami bekommen können?

[PMK] Nein, das bedeutet überhaupt nichts, und ich werde Ihnen erzählen warum. Der Grund dafür, dass wir das Verfahren nicht in Miami wollten, war weil wir es dort mit einer Jury zu tun hatten. Die Jury besteht aus Leuten, die in der Gemeinde leben. Sie wohnen dort, sie arbeiten dort. Unsere Gemeinde besteht vorwiegend aus Lateinamerikanern und die größte Mehrheit der Latinos sind Kubaner; aus diesen Gründen wollten wir das Verfahren nicht in Miami haben. Die drei Richter, die über diese Berufung zu entscheiden haben, sind keine Kubano-Amerikaner, sie sind keine Exilanten, sie leben nicht in dieser Gemeinde, sie wohnen in Atlanta, wo sie arbeiten. Deswegen mache ich mir keine Sorgen darüber, dass die mündlich Anhörung hier in Miami ist. Ich bin kein bißchen beunruhigt deswegen. Diese Richter sind anders als die Jury. Sie sind auf Lebenszeit eingesetzt. Sie wurden nach einer Prüfung und Empfehlung des US-Senats berufen, nach einem Nominierungs- und Zustimmungsverfahren. Ich glaube, dass alle diese Richter, tief im Inneren wahre Anwälte des Gesetzes sind und nicht Emotionen und der Politik folgen, sondern ihre Entscheidung auf der Grundlage des Gesetzes fällen. Das ist es, was ich glaube, und warum ich mich auf diesen Fall freue.

[BD] Also die Tatsache, dass die Richter nach Miami reisen werden und die Anhörung in Miami sein wird, geschieht nur aus Bequemlichkeit?

[PMK] Absolut. Das passiert immer wieder und ich glaube nicht, dass das irgend einen Einfluss auf das hat, was dabei heraus kommt. Ich mache mir darüber keine Sorgen. Das sind keine Geschworenen. Das sind keine Leute, die in der Gemeinde leben und arbeiten. Das sind professionelle Richter, die über der Politik stehen, über den Streitereien, über all diesen Angelegenheiten des Exils. Sie sind Juristen. Sie werden eine juristische Entscheidung treffen. Das ist alles. Es ist tatsächlich bequemer für alle, wenn sie hierher kommen, und das macht mir überhaupt keine Sorgen.

[BD] Nach dem, was Sie von diesen Richtern wissen, waren die schon einmal mit anderen rechtlichen Entscheidungen befasst, die etwas mit Kuba zu tun hatten?

[PMK] Ich kann nichts über die Richter sagen, die den Vorsitz haben, und manchmal weiß man nicht, wer den Vorsitz hat, bis sie tatsächlich erscheinen. Aber was ich generell über das gesamte Berufungsgericht sagen will ist, dass sie mit vielen Angelegenheiten befasst waren, die etwas mit Kuba zu tun haben, z.B. war die letzte wichtige Entscheidung, von der ich gehört habe, der Fall von Elián González.

Es gab viele Fälle und Rechtsstreitigkeiten, die in dem Zusammenhang vorgebracht wurden, und das Berufungsgericht hat sich nicht dafür eingesetzt, dass Elián González hier in den Vereinigten Staaten bleibt. Das war eine wichtige Entscheidung. Wäre es anders gewesen, hätte es eine politische Entscheidung gewesen sein können, aber ich glaube nicht, dass dieses Gericht politisch entscheidet, ich glaube das wirklich nicht. Ich glaube, dass sie ihre Entscheidungen auf der Grundlage des Gesetzes fällen.

[BD) Also, nur um das klar zu machen, die drei Richter, die die mündlichen Argumente anhören werden, sind drei der zwölf Richter, die an den "11th Circuit Court of Appeal" in Atlanta berufen wurden, und wenn die Anhörung in Miami ist, werden die drei berufenen Richter nach Miami fahren. Ist das richtig?

[PMK] Das ist richtig. Auf eine Sache möchte ich noch hinweisen: dies ist eine sehr komplexe Berufung. Sie betrifft ein Verfahren, das sechs Monate gedauert hat. Sie betrifft einen langen, langen Bericht, der sehr kompliziert ist. Die mündliche Anhörung wird sehr kurz sein. Die Richter werden ihre Entscheidung hauptsächlich auf Grund der schriftlichen Anträge fällen, die bereits eingereicht wurden und deren Einreichung bestätigt wurde. Die mündlichen Begründungen werden so eine Art Sahnehäubchen sein, wenn Sie so wollen. Für mich ist es ein wichtiger Teil des Verfahrens, aber nicht der wichtigste. Der wichtigste Teil waren die Anträge, die wir eingereicht haben.

[BD] Die Verteidiger haben fünfzehn Minuten, um die Argumente für alle fünf Angeklagten vorzubringen. Was hoffen Sie in so kurzer Zeit erreichen zu können?

[PMK] Es ist so ähnlich wie ein Interview, in dem man nur kurze Antworten gibt, und mag sein, dass sie Fragen haben, die Anzeichen dafür liefern könnten, in welche Richtung sie in diesem Falle tendieren, aber die mündliche Anhörung in einem sehr komplexen Fall ist entkrampfend, sie ist nicht der wichtigste Teil der Berufung. Der wichtigste Teil war der Antrag und die Bestätigung, dass der Antrag eingereicht wurde. Wir wissen, dass das Berufungsgericht diese Anträge lesen wird, und wir wissen, dass seine Entscheidung auf der Grundlage der Anträge aller Parteien gefällt wird, und zu einem geringen Grad auf Grund der mündlichen Argumentation.

[BD] Werden die Angeklagten während der mündlichen Anhörung im Gerichtssaal sein?

[PMK] Nein, die Angeklagten haben nicht das Recht, während der mündlichen Anhörung ihrer Berufung anwesend zu sein. Unglücklicherweise sind nur Angeklagte, die auf Kaution frei sind, berechtigt teilzunehmen.

[BD] Ist die Anhörung öffentlich?

[PMK] Ja, es ist eine öffentliche Anhörung. Jeder, der teilnehmen will, kann teilnehmen, einschließlich der Familie und der Presse. Das einzige, was sie nicht erlauben werden, sind Kameras und Aufzeichnungsgeräte.

[BD] Hinsichtlich der Publizität und der Proteste während des Verfahrens in Miami, erwarten Sie, dass sich der Zirkus dort wiederholen wird?

[PMK] Nein, das Berufungsgericht kommt direkt nach dem Supreme Court der Vereinigten Staaten, dem höchsten Gericht unseres Landes. Es verdient eine Menge Respekt. Es herrscht eine sehr seriöse Atmosphäre. Sie würden das nicht erlauben. Es ist eine sehr, sehr seriöse, gewissenhafte Sitzung, in der jeder versucht, darzustellen, was das Gesetz verlangt, nicht was die Politik verlangt, sondern was das Gesetz verlangt oder die Gerechtigkeit verlangt. Dort ist es, wo wir jetzt versuchen Gerechtigkeit zu bekommen.

[BD] Nachdem die mündlichen Argumente am 10. März vorgebracht worden sind, wie lange werden wir auf eine Entscheidung der Richter warten müssen?

[PMK] Normalerweise werden die Entscheidungen etwa 30 bis 90 Tage nach der mündlichen Anhörung gefällt. 90 Tage.

[BD] Wie fühlen Sie sich jetzt nachdem das Datum für die mündliche Anhörung feststeht?

[PMK] Wie ich mich fühle hängt immer von den fünf Männern ab. Ich stehe in Verbindung mit allen fünfen und ich habe gerade Weihnachtskarten von allen bekommen und ich fühle mich wegen der fünf großartig. Ich werde von ihrem Mut motiviert, von ihrer Zuversicht in ihrem eigenen Fall, und das ist es, was mich motiviert. Ich bin immer von diesen fünf Leuten, die wir repräsentieren und die ganz besondere Menschen sind, motiviert worden. Das ist es, was mich motiviert. Es ist leicht, motiviert zu sein, wenn man sie repräsentiert.

[BD] Also glauben Sie jetzt, dass das meiste der Wartezeit vorbei ist. Der 10. März steht fest, und jetzt kann man nur noch darauf warten?

[PMK] Sie haben absolut recht. Es ist wie das 9. Inning beim Baseball. Wir sind im letzten Inning dieses langen Spiels.

(Das Interview wurde am 18. Dezember 2003 von Radio Havana Cuba ausgestrahlt)

* Die drei Richter, die am 10. März den Vorsitz des Gerichtes haben werden, werden am 24. Februar ernannt.

Der "11th Judical Court of Appeals"

Der 1981 vom Kongress etablierte "U.S. Court of Appeals for the Eleventh Judicial Circuit" ist zuständig für Bundesfälle, die ihren Ursprung in Alabama, Florida oder Geogia haben. Der Gerichtskreis [Circuit] umfasst neun Bezirksgerichte [District Courts], wodurch jeder Staat in drei Bezirke Nord, Mittel und Süd aufgeteilt wird. Der Gerichtshof, mit zwölf zuständigen Richtern, ist in Bezug auf eingereichte und von drei Richtern beendeten Fällen, der meist beschäftigte Bundesberufungshof der Vereinigten Staaten.

Etwa dreiviertel der Fälle werden auf Grund der Anträge, die von den Parteien eingereicht werden, entschieden, während die restlichen eine mündliche Anhörung einschließen. Mündliche Anhörungen werden im "Elbert P. Tuttle United States Court of Appeals Building" in Atlanta, Georgia abgehalten und sind öffentlich. Außerdem werden mündliche Anhörungen auch in Florida (Jacksonville und Miami) und in Alabama (Montgomery) abgehalten.

Deutsch: ¡Basta Ya!

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