In Südflorida musst du befolgen, was sie befehlen, wenn du in Frieden leben willst, oder manchmal, wenn du nur leben willst.

Andrés Gómez
Andrés Gómez, ein in Miami lebender Kubaner und Präsident der Antonio Maceo Brigade, reist häufig zwischen Miami und Havanna hin und her. Als in Miami lebender Kubaner mit allgemein bekannten Verbindungen zur Kubanischen Revolution wird er heftig von anti-kubanischen Gruppen bedroht, die die Gemeinde dominieren, sowohl politisch als auch finanziell, und die ebenfalls sowohl das Fernsehen als auch die gedruckte Presse kontrollieren.
Während seines letzten Besuchs in Havanna sprach Andrés Gómez mir Bernie Dwyer von Radio Havana Cuba über sein Leben unter den konterrevolutionären und terroristischen Gruppen dort und seine Arbeit, die er und seine Freunde geleistet haben, um die Cuban Five zu unterstützen, die dafür eingesperrt wurden, dass sie diese Gruppen, in der Hoffnung deren terroristische Aktivitäten zu beenden, infiltriert hatten.

[Bernie Dwyer (RHC)] Was genau ist die Antonio Maceo Brigade und welche Rolle spielt sie in Miami?

[Andrés Gómez] Gut, die Brigade ist eine Organisation, die seit 26 Jahren für die Interessen der kubanischen Gemeinde in den Vereinigten Staaten arbeitet, und zwar für deren Recht, nach Kuba reisen zu können, um ihre Verwandten zu besuchen und eine sinnvolle Beziehung zu ihrem Abstammungsland zu pflegen.
Aber wir gehen noch darüber hinaus. Wir stimmen politisch und ideologisch mit der Kubanischen Revolution überein, aber wir haben verstanden, dass die große Mehrheit der Kubaner in den Vereinigten Staaten unser politisches Verständnis der Kubanischen Revolution nicht teilt aber einverstanden ist mit den Vorschlägen, die wir in all den Jahren gemacht haben bezüglich des Rechtes des kubanischen Volkes, in Frieden zu leben, und ihr Recht, ohne Restriktionen nach Kuba zu reisen.
Und gleichzeitig hat es in Kuba einen immer noch andauernden Prozess gegeben, die Beziehungen der Kubaner auf der Insel und der Kubaner, die im Ausland leben, zu verbessern. Wir sind weit entfernt von dem Verständnis, das bis in die 80er und frühen 90er in bezug auf diejenigen überwog, die entschieden haben, das Land aus verschiedenen persönlichen, politischen und wirtschaftlichen Gründen zu verlassen. Wir haben immer die Ansicht vertreten, dass die Kubaner, die die Insel seit 1980 verlassen haben, es generell aus anderen Gründen taten als diejenigen, die Kuba in den frühen 60ern verlassen hatten.
Die Kubaner, die die Insel seit 1980 verlassen haben, taten es prinzipiell aus wirtschaftlichen und persönlichen, nicht aus politischen oder ideologischen Gründen, und es gibt viele dieser Kubaner, die die Insel seit 1980 verlassen haben, die inzwischen in den Vereinigten Staaten leben. Tatsächlich sind laut der Volkszählung der Vereinigten Staaten aus dem Jahr 2000 fast 49% der in Südflorida, im Bezirk Miami-Dade, lebenden Kubaner, solche, die die Insel ab 1980 verlassen haben. Also hat sich demographisch, politisch und sozial die kubanisch-amerikanische Gemeinde in Miami - die kubanische Gemeinde - dramatisch verändert.

[BD] Kommt die hohe Konzentration von Kubano-Amerikanern, die in Miami leben, aus geographischen Gründen zustande, weil es so nah bei Kuba liegt?

Gut, ich glaube es gibt einige Gründe. Zu allererst leben viele Kubaner in Miami, weil man, wenn man in die USA geht, in der Nähe seiner Heimat sein möchte. Das ist typisch für jede Emigrantengemeinde. Der Grund, weshalb sich Kubaner im 20. Jahrhundert aus politischen und wirtschaftlichen Gründen immer in Miami angesiedelt haben, ist die Nähe zu Kuba und wegen des Klimas, das dem von Kuba sehr ähnlich ist. So kommt ein Ding zum anderen, und natürlich haben wir inzwischen eine Gemeinde von 600.000 Menschen kubanischer Abstammung, die entweder in Kuba oder in den Vereinigten Staaten von kubanischen Eltern geboren wurden. Von diesen 600.000 wurden laut der Volkszählung von 2000 nahezu 32% in den Vereinigten Staaten geboren, und Miami hat im Stadtgebiet eine Einwohnerzahl von ungefähr 2.500.000 Menschen.
Und die Kubaner stellen ungefähr 37% der Bevölkerung, neben einer weiteren Gemeinde anderer Lateinamerikaner und Kariber in Miami, die offiziell genauso groß ist wie die kubanische. Also inoffiziell müssen das viel mehr sein. Damit ergibt sich eine sehr interessante Situation für die Kubaner. Natürlich, der rechte Flügel der Kubaner dominiert die Gemeinde, sowohl politisch als auch finanziell, und die Presse wird vom kubanischen rechten Flügel kontrolliert, sowohl das Fernsehen als auch die gedruckten Medien.

[BD] Wie sind diese Leute des kubanischen rechten Flügels in ihre Machtpositionen gekommen? Haben sie Kuba als reiche Leute verlassen? Oder gingen sie hier als arme Leute weg und haben sich dann, nach dem Rezept des sogenannten American Dreams, hochgearbeitet?

[AG] Gut, im Prinzip kam das wegen der Unterstützung, die der kubanische rechte Flügel von der Bundesregierung der Vereinigten Staaten und von Institutionen ganz allgemein genoss, sowohl politisch als auch sozial. In den 1960ern gab es viele Möglichkeiten für Kubaner. Zum Beispiel, ich verließ Kuba 1960 mit meiner Familie, ich war 13 Jahre alt und kam in Miami in die Schule. Auch ins College ging ich in Miami, und uns wurde ein spezifisches Darlehen gewährt, eines speziell für Kubaner. Dies war ein Darlehen, um die Unterrichtsgebühren und andere Ausgaben zu bezahlen.
Nicht viele Minderheiten - ausländische Minderheiten - haben meines Wissens ein solches Privileg genossen: man muss daran denken, dass 1960 125.000 Kubaner Kuba verlassen haben. Die Idee war natürlich nicht, für immer zu bleiben, sonder zurückzukommen, nach dem die Vereinigten Staaten militärisch interveniert und die Kubanische Revolution gestürzt hatten. Aber das passierte nicht, sodass sie blieben, aber die 125.000 Kubaner, die 1960 Kuba verlassen hatten, waren aus der Mittelklasse, oder der oberen Mittelklasse, oder der Oberklasse; also waren es Leute mit einer Menge Know How.

[BD] Und viel Geld?

[AG] Kommt darauf an. Die meisten von uns hatten nur Geld für einige Monate, obwohl andere, wie Sie wissen, im Ausland investiert hatten, aber auf jeden Fall nicht die Mehrheit, eine kleine Minderheit von ihnen. Am Anfang war es extrem hart. Für mich war es, wie für die meisten, extrem hart, wie es für jeden Emigranten sein würde, der in einem fremden Land neu beginnt, obwohl wir Unterstützung von US-Regierungsorganisationen und sozialen Institutionen bekamen, wie keine andere Minderheit. Und das verschaffte uns einen Vorteil gegenüber anderen.
Jetzt verschafft die Allianz zwischen dem kubanischen rechten Flügel und der US-Regierung, in bezug auf ihr Verständnis dessen, was jetzt bezüglich Kuba geschehen sollte, dem rechten Establishment der kubanischen Gemeinde finanzielle und politische Vorteile, daher kommt es, dass sie beim derzeitigen Stand des Spiels die Macht und das Geld haben, das sie haben.

[BD] Zu welchem Zeitpunkt änderte sich ihr Verhalten, dass sie nicht mehr nur verbal konterrevolutionär waren insoweit, dass sie politisch nicht einverstanden waren, dass sie hofften, nach Kuba zurückzukehren, in ihre schönen Häuser usw.? Wann wurde es zur Hasskampagne mit Sabotageakten, als echte Maffiatypen auftauchten, die wirklich schreckliche, entsetzliche Taten gegen Kuba begingen?

[AG] Von Anfang an. Am Anfang ging es natürlich gegen die kubanische Regierung und die wirtschaftlichen und politischen Aktivitäten in Kuba. Sie wurden von Anfang an von der Regierung der Vereinigten Staaten, den Geheimdiensten der Vereinigten Staaten, im Prinzip der CIA, rekrutiert, geschult, ausgebildet und finanziert. Wegen der Schwierigkeiten der USA in Vietnam und aus anderen Gründen nahm die CIA die kubanische Sondereinheit später nicht mehr so wichtig wie in den frühen Sechzigern.
Darauf begannen diese Gruppen auf eigene Faust zu handeln. Das soll nicht heißen, dass die US-Geheimdienste nicht Bescheid wussten über das, was die da taten, aber sie führten sie nicht mehr so wie in den ersten sieben, acht oder neun Jahren. Und sie wurden zu gewaltigen terroristischen Organisationen, ein Grund mit dafür, dass sie so eine politische Macht in Südflorida genießen. In Südflorida musst du befolgen, was sie befehlen, wenn du in Frieden leben willst, oder manchmal, wenn du nur leben willst. Es hat zahllose Terroranschläge gegen Personen und Geschäfte und Institutionen gegeben, die sich gegen die herrschende Ideologie gestellt hatten.

[BD] Beschränkt sich das auf Miami?

[AG] Auf Miami und andere Teile der Vereinigten Staaten. Und es gab Menschen, die von diesen rechtsradikalen Terrorgruppen, kubano-amerikanischen Terrorgruppen, aus politischen Gründen ermordet wurden. Unsere eigene Organisation, die Antonio Maceo Brigade, begeht dieses Jahr den 25. Jahrestag der Ermordung von Carlos Muniz Varela, einem Mitglied unseres Komitees, der im April 1979 in San Juan auf Puerto Rico von rechtsradikalen Terrorgruppen ermordet wurde.
Also haben wir Erfahrung mit dieser Art von Anschlägen - Terroranschlägen - der rechten Elemente der kubanischen Gemeinde, die die Unterstützung der Regierung der Vereinigten Staaten besitzen und Straffreiheit genießen wegen ihrer Beziehungen zu den Geheimdiensten der Vereinigten Staaten, der damaligen Regierungsadministration und der heutigen Administration und der vergangenen Bush-Administration, die Orlando Bosch gegen den Willen des damaligen Justizministers erlaubte, zurück in die Vereinigten Staaten zu kommen.

[BD] Und offensichtlich musste Kuba eigene Schritte unternehmen, um sich und sein Volk gegen diese Terroranschläge zu schützen. Und das ist genau das, was die fünf kubanischen Geheimdienstagenten, die 1998 in Miami verhaftet wurden, getan haben. Können Sie die Reaktion in Miami auf die Verhaftung und das Verfahren gegen die fünf Männer beschreiben?

[AG] Was ungewöhnlich war, ist, das dies das erste Mal war, dass die US-Regierung jemals kubanische Agenten verhaftet hat, die rechtsradikale Terrororganisationen in den Vereinigten Staaten infiltriert hatten, speziell in Miami. Wenn man die geheimen FBI-Dokumente der 1960er, 70er und 80er nach Terroranschlägen und gewaltsamen, illegalen Aktivitäten der kubanischen rechtsradikalen Organisationen durchsieht, wird einem klar, dass das FBI genau Bescheid wußte, dass sie immer von kubanischen Agenten infiltriert waren, und zu keiner Zeit haben die Vereinigten Staaten die Anwesenheit dieser Agenten in diesen Organisationen als Bedrohung der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten betrachtet, was ein Anklagepunkt war, ein prinzipieller Anklagepunkt.
Sie klagten die fünf Brüder wegen Spionage gegen die Vereinigten Staaten an, was sie vor Gericht nicht belegen konnten, aber man klagte sie wegen dieses Verbrechens an. Also das ist von Bedeutung und es wird von Bedeutung sein, weil man davon ausgehen muss, das Kuba zum eigenen Schutz immer noch Agenten in diesen Organisationen hat. Und noch nie, außer in diesem Fall, haben die Vereinigten Staaten so reagiert, als wäre die Anwesenheit dieser Agenten eine Bedrohung der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten.
Der entscheidende Fall ist natürlich der Fall der vier rechtsradikalen kubanischen Terroristen, die in Panama Stadt verhaftet wurden und letzte Woche vor Gericht standen. Im Jahr 2000 hatte die kubanische Regierung alle Informationen über das, was die Terroristen an dem Abend, als der kubanische Präsident Fidel an der Universität von Panama sprechen sollte, vorhatten. Und wieso hatte Kuba diese Informationen? Weil es Agenten in diesen Organisationen hatte und über jedes Detail Bescheid wusste: wo der Sprengstoff war, wo sich der Mann bewegte und welche Absichten er hatte. Das war im Jahr 2000, zwei Jahre nach der Verhaftung der Fünf.

[BD] Wie war die Atmosphäre in Miami zur Zeit des Gerichtsverfahrens?

Gut... das Verfahren dauerte sieben Monate, also es war ein langes Verfahren. Die Presse berichtete von Anfang an darüber und nannte die Fünf von Anfang an "Spione", und sie klagten sie an und verurteilten sie, noch bevor sie den Gerichtssaal betraten. Sie betrachteten sie als schuldig und verurteilt. Interessant wurde das Verfahren, als die Anwälte - die Verteidiger - begannen, das Verfahren dahin gehend zu drehen, dass sie es nutzten, die Terroranschläge der kubanischen rechtsradikalen Organisationen aufzuzeigen. Da wurde das Verfahren hitzig und interessant für die öffentliche Aufmerksamkeit, und das war genau der Zeitpunkt, zu dem die Presse die Berichterstattung einstellte.

[BD] Glauben Sie, dass sie unter Druck standen, als sie den Fortgang des Verfahrens verschwiegen?

[AG] Es gab definitiv Druck. Es war am Siedepunkt, jeder fragte sich: "Was geht da vor?!?" und dann, ganz plötzlich, wurde die Berichterstattung knapp und hatte nicht mehr die Stimmung [eigentlich: Geschmack (flavor)], wie in den ersten fünf oder sechs Tagen.

[BD] Läuft zur Zeit eine Kampagne zur Befreiung der fünf Kubaner in Miami?

[AG] Es läuft eine nationale und internationale Kampagne seit dem Ende des Verfahrens im Sommer 2001. Es gibt ein nationales Komitee in den Vereinigten Staaten, das Öffentlichkeit schafft, und es gibt Komitees in vielen Ländern - mehr als hundert Ländern, 150 Ländern - auf der ganzen Welt. In den Vereinigten Staaten gibt es viele Städte und Netzwerke unter dem Schirm des nationalen Komitees.
Und in Miami natürlich nehmen alle Organisationen, die für die Aufhebung der US-Blockade gegen Kuba und ein Ende der Aggression der Vereinigten Staaten gegen Kuba eintreten, an der Unterstützung der Fünf teil. Der letzte und größte Erfolg, den wir mit den Kampagnen bezüglich der Fünf in den Vereinigten Staaten hatten, war es, dass wir die 50.000 $ zusammen bekamen, um eine ganzseitige Anzeige in der New York Times vom 3. März veröffentlichen zu können, und damit die Öffentlichkeit über einige grundsätzliche Aspekte des Falles der Fünf und der Forderung nach Gerechtigkeit in ihrem Fall zu unterrichten.
Mehr als 50.000 $ wurden in der ganzen Welt gesammelt. Am Ende war Miami die Stadt, die am meisten gesammelt hatte, mehr als 11.000 $. Auf dem zweiten Platz - eigentlich waren sie auf dem ersten Platz - liegt das deutsche Solidaritäts-Netzwerk, das 10.800 $ gab. Es war wirklich nicht unsere Absicht darüber hinaus zu gehen, nur um die Deutschen zu schlagen. Wir hatten 10.500 $ und dachten es käme nichts mehr.

Deutsch: ¡Basta Ya!

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