Der Fall der Cuban Five:

Kinder werden zur Manipulierung ihrer Eltern missbraucht.
Bernie Dwyer, Radio Havana Cuba, 16. Juli 2004

"Wir sind über diesen Fall wirklich besorgt, denn er weist das Muster vieler Fälle in den USA auf, in denen Kinder zu Instrumenten für die weitere Peinigung ihrer Eltern werden."

Einige der Kinder der Cuban 5
Rafael Rodríguez Cruz, ein Vorstandsmitglied der Rosenbergstiftung, einer Organisation, die Kinder finanziell und moralisch unterstützt, deren Eltern wegen ihrer progressiven politischen Gesinnung im Gefängnis sind, war kürzlich in Havanna, um ein von dem in Kuba ansässigen Internationalen Komitee für Gerechtigkeit und Freiheit der Fünf organisierten Treffen am 16. Juli zu besuchen. Nach dem Treffen sprach er mit Bernie Dwyer, Radio Havana, Cuba, über die Gründe seines Besuches und seines Interesses an dem Fall der fünf politischen Gefangenen in den Vereinigten Staaten. Er vergleicht die Behandlung der Besuchsrechte der fünf Kubaner und deren Verwandten mit einer Art von Folter und betrachtet sie im Fall der Cuban Five als ein politisches Instrument für weitere Unterdrückung.

[Bernie Dwyer] Was ist der Grund für Ihren Besuch in Havanna?

[Rafael Rodríguez] Ich bin auf Wunsch der Verwandten der Fünf und insbesondere von René González hier. Es geht um den Verfassungsbruch bezüglich der Verweigerung der Besuche für Ivette und seine Ehefrau, Olga Salanueva, der es nicht erlaubt wird, zusammen mit Ivette einzureisen, um René sehen zu können.

[BD]: Warum dauert diese grausame Situation an, trotz der Verstöße und der vielen nationalen und internationalen Gesetze und Konventionen, die hier gebrochen werden?

[RR]: Was hier geschieht, ist dem ähnlich, was in Fällen wie Ethel und Julius Rosenberg in dieser Hinsicht passierte, dass nämlich Familienverhältnisse, Besuche und die Kontaktaufnahme von Gefangenen mit Familienmitgliedern als eine Art Folter und als ein politisches Instrument zu weiterer Unterdrückung benutzt werden, in diesem Fall sind die Betroffenen die Cuban Five.

[BD]: Ist das die übliche Praxis von US-Gefängnisbehörden?

[RR] Die Rosenbergstiftung hatte mit ähnlichen Fällen zu tun. Zum Beispiel hatten wir kürzlich den Fall eines Aktivisten aus Vieques, der vom System der Bundesregierung der USA gefangen gehalten wurde, und wir konnten in den letzten zwei oder drei Wochen nicht herausfinden, wo sich diese Person genau aufhielt. Wenn wir Kindern versuchen, dabei zu helfen, ihre Verwandten zu sehen, begegnen wir oft Situationen, in denen diese plötzlich in ein anderes Gefängnis überführt werden und das behindert die Möglichkeit der Verwandten, ihre Eltern zu sehen.
Historisch gesehen werden in den Fällen der Menschen, die wegen ihrer progressiven politischen Einstellung gefangen gehalten werden, Besuche und Kontakte mit ihren Familien als eine weitere Beeinträchtigung für die Gefangenen benutzt.

[BD]: Es ist offensichtlich, dass, abgesehen von der möglichen Schuld, alle Gefangenen Rechte haben, und internationale Studien haben gezeigt, dass Gefangene, die Familienbesuche erhalten, sich besser benehmen und nicht so melancholisch sind. Denken Sie, dass die US-Behörden gegen ihre eigenen Regeln verstoßen, um den psychologischen Druck aufrecht zu erhalten?

[RR]: Das glaube ich. Ich glaube, das alles hat mit der irrationalen Politik der Vereinigten Staaten gegenüber Kuba zu tun. Ich muss dazu erwähnen, wenn wir über die Verletzungen ihrer Rechte sprechen, handelt es sich hier um einen ganz besonderen Fall. Vor allem, auch wenn sie Gefangene sind, haben sie nach dem 1. Gesetzeszusatz ein Recht auf enge Verbundenheit und obwohl sogar der Oberste Gerichtshof in der Vergangenheit sagte, dass diese Rechte im Kontext mit Gefängnisangelegenheiten eingeschränkt werden können, können sie nicht über einen bestimmten Punkt hinaus eingeschränkt werden.
Sie dürfen nicht zum Dauerzustand werden, sie dürfen nicht irrational sein, sie dürfen nicht willkürlich sein, und, was wir hier sehen, gibt es keine Basis für so eine extreme Lage, in der Adriana Gerardo nicht sehen darf und insbesondere Ivette keine geeignete Möglichkeit geboten wurde, ihren Vater zu sehen: In diesem Fall müsste sie mit ihrer Mutter, Olga Salanueva, in die Vereinigten Staaten reisen.

[BD]: Das US-Gefängnissystem ist nicht unbedingt bekannt für seine Fairness und Gerechtigkeit. Ich sage damit nicht, dass das Verfassungssystem unfair ist, aber es wird oft unangemessen angewandt. Also warum erwarten wir dann eine bessere Behandlung für die Fünf? Ist es deshalb, weil wir sie als politische Gefangene ansehen oder werden sie schlechter behandelt als andere Gefangene?

[RR]: Ich denke, das ist der genau der Fall. Wenn wir eine Situation sehen, in der eine Beschränkung der Gefangenenrechte vorliegt, ist es gewöhnlich dann gegeben, wenn das Verhalten in der Vergangenheit und in der Geschichte des Falles dies rechtfertigen. Zum Beispiel wird einem Mitverschwörer oder jemandem, der in der Vergangenheit wegen bestimmter Verbrechen angeklagt wurde, nicht erlaubt, jemanden zu treffen, der auch wegen Drogen einsitzt.
In diesem Fall haben wir zum Beispiel zwei Personen, Olga und Adriana, die nie wegen irgendeines Verbrechens angeklagt wurden. Adriana war in keinster Weise an dem angeblich von Gerardo begangenen Verbrechen beteiligt, dennoch wird ihr nicht erlaubt, ihn zu sehen. Im Fall von Olga Salanueva gilt genau das Gleiche. Olga war bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Vereinigten Staaten und hatte die Möglichkeit, René zu sehen. Plötzlich, aufgrund einer total willkürlichen und unnötigen Maßnahme, darf sie René nicht mehr sehen. Wir müssen hier das ihr zustehende Verfassungsrecht mit den Notwendigkeiten des Gefängnissystems abwägen. In diesem Fall gibt es keine Notwendigkeit für solch eine extreme Situation. Und wir glauben, dass es im Fall von René und Gerardo, in offensichtlichem Verstoß gegen die 8. Gesetzesergänzung, fast einer zweiten Verurteilung über die Gefängnisstrafe hinaus gleichkommt: ein Verbot von grausamer und außergewöhnlicher Härte.

[BD]: Es gibt viele Fälle, in denen Kinder ihre Väter wegen der Umstände ihrer Gefangenschaft nicht sehen können. Worin besteht der Unterschied in diesem Fall?

[RR]: Dies ist kein Vater, der in irgend einer Weise eine Gefahr für das Kind darstellen könnte. Der Staat ist in vielen Fällen so weit gegangen, jemandem die Elternrechte abzusprechen, aber das sind Beispiele, in denen ein Kind in irgend eine Gefahr geraten könnte, wenn es mit dem Elternteil in Berührung kommt. Es gibt in diesem Fall keine Beweise für was auch immer.
Tatsächlich ist unsere Position die, dass Ivette verfassungsmäßige Rechte auf enge Kontakte mit ihrem Vater hat, solange es nicht bewiesen ist, dass es für sie in irgend einer Weise schädlich sein könnte. Und das ist nicht der Fall. Im Gegenteil unterstützen die Dokumentation und Information und die Studien, die wir von Psychologen aus den Vereinigten Staaten, Kuba und aus aller Welt haben, genau, dass Kinder für ihre Entwicklung die Bindung zu dem Elternteil brauchen und dass es zum Wohle ihrer psychologischen Entwicklung sei.

[BD]: Was würden sie den Leuten sagen, die darauf hinweisen, dass die US-Einwanderungsbehörden Ivette tatsächlich gar nicht davon abhalten, in die USA zu gehen, um ihren Vater zusammen mit ihrer Großmutter oder ihrer großen Schwester zu besuchen? Das Verbot gilt Olga, nicht ivette.

[RR]: Es gibt eigentlich Fälle des Obersten Gerichtshofes, die auf die Tatsache hinweisen, dass es vernünftig ist, dass, wenn ein Kind einen Verwandten in einer Gefängnisanstalt besucht, dieses Kind von seinem anderen psychologischen Elternteil begleitet werden sollte, damit es sich beschützt fühlen kann und spürt, dass es in keinster Gefahr ist.
Meine Eistellung und unsere Einstellung ist die, dass die Bedingung für Ivettes Besuch bei René, nur ohne Begleitung von Olga reisen zu dürfen, ein Verstoß gegen ihr verfassungsgemäßes Recht ist, in dem Sinne, dass der Staat kein Recht hat, einem amerikanische Bürger in Ausübung seiner ersten Zusatzrechte extreme Bedingungen aufzuerlegen. Dieser Fall trifft auf Fall Ivette zu.

[BD]: Die Rosenbergstiftung übernimmt eine sehr aktive Rolle in diesem Fall. Was zeichnet diesen Fall genau aus, dass er die Voraussetzungen erfüllt, von Interesse zu sein?

[RR]: Ich bin ein Rechtsanwalt und bin von René und Olga gebeten worden, mich mit dieser Situation zu befassen. Die Rosenbergstiftung unterstützt direkt Menschenrechtskampagnen für das Besuchsrecht. Wir werden alles uns mögliche tun, um die amerikanische Öffentlichkeit über diese Situation zu informieren und Ivette dabei zu helfen, ihren Vater sehen zu können.
Wir sind wirklich besorgt über diesen Fall, denn er weist das Muster vieler Fälle auf, in denen Kinder zu Instrumenten der Manipulation und weiteren Peinigung der Eltern werden. Wir können auf den Fall von Sacco und Vanzetti zurück weisen und auf den Fall der Kinder der Rosenbergs selbst und auf viele andere Fälle, an denen sich die Stiftung im Laufe der Jahre beteiligte, und auf den Fall der Gefangenen von Vieques der weniger lange her ist, auf die Menschen, die wegen ihrer Verbindung zum Kampf in Vieques eingesperrt worden waren.

[BD]: Sehen sie den Fall als hoffnungsvoll an?

[RR]: Ich denke während der letzten paar Monate hat sich ein bestimmtes Fenster in den Vereinigten Staaten für die Diskussion der Menschenrechte der Cuban Five geöffnet, insbesondere als Ergebnis des Folterskandals im Irak und neuerdings durch den Film Fahrenheit 9/11 von Michael Moore. Ich sage damit nicht, dass es morgen geklärt sein kann, doch die amerikanische Öffentlichkeit wird immer besorgter um Angelegenheiten, bei denen die US-Regierung an internationalem Missbrauch von Menschenrechten beteiligt ist.

Deutsch: ¡Basta Ya!

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