Dr. Rodolfo Dávalos Fernández, ordentlicher Professor an der Juristischen Fakultät der Universität Havanna, erarbeitete eine Analyse der Faktoren, die im Prozeß gegen die fünf in den Vereinigten Staaten eingekerkerten kubanischen politischen Häftlinge verletzt wurden.

Verletzungen (I)

Es gab keine unparteiischen Geschworenen

Der Gerichtsprozeß, der vom 27. November 2000 - als die Auswahl der Geschworenen begann- bis zum 27. November 2001 - als das letzte Urteil gegen die fünf politischen Häftlinge des Imperiums gesprochen wurde- in Miami stattfand, war durch Manöver und Handlungen gekennzeichnet, die darauf abzielten, ein wahrhaft gerechtes Urteil zu verhindern...

Verletzungen (II)

Es fehlte der ordnungsgemäße Prozeß

Im Fall der fünf kubanischen politischen Häftlinge wurde die Garantie, die im Recht auf einen schnellen und unverzüglichen Richterspruch durch unparteiische Geschworene besteht, völlig ignoriert oder, besser gesagt, verletzt, meint Dr. Dávalos...

Verletzungen (III)

Grausame und ungewöhnliche Gefängnishaft

Dr. Rodolfo Dávalos, ordentlicher Professor der Juristischen Fakultät der Universität Havanna, analysiert die ungewöhnlichen Haftbedingungen der fünf kubanischen politischen Häftlinge in den Vereinigten Staaten...

Verletzungen (IV)

Geschworenengericht ohne Kontrolle

Im Strafprozess in den Vereinigten Staaten instruierte der Richter -sowohl zu Beginn der Verhandlung oder des mündlichen Verfahrens als auch bei seinem Abschluß- die Geschworenen vor der Beratung über den Charakter des Falles und über ihre Funktion und Verantwortung als Urteilende über die Tatbestände

Verletzungen (V)

Verurteilung ohne Beweise

In der Akte der zweiten Anklage –mehrere Monate nach der Verhaftung der Angeklagten und nach Beginn der Darlegung der Anklagepunkte- wurde der Angeklagte Gerardo Hernández Nordelo des Vergehens "Verschwörung, um Mord zu begehen" beschuldigt.

Verletzungen (VI)

Verurteilung wegen Spionage ohne Beweise

Der den Angeklagten zur Last gelegte Anklagepunkt 2, d.h. "Verschwörung, um Informationen über die nationale Verteidigung zu sammeln und weiterzuleiten" (Spionage), erfordert "einen Vorsatz oder Grund, der glaubhaft macht, daß die gesuchte Information zum Schaden der Vereinigten Staaten..." verwendet werden soll....

Verletzungen (VII)

Die Doktrin des Staatsakts wurde nicht respektiert

stellt Dr. Rodolfo Dávalos bei der Analyse weiterer der zahlreichen Verletzungen fest, die im Prozeß gegen die fünf kubanischen politischen Häftlinge in den Vereinigten Staaten begangen wurden...

Verletzungen (VIII)

Verletzung der Doktrin der souveränen Immunität

Ebenso wie der Staatsakt hat der nordamerikanische juristische Präzedenzfall, geschaffen durch mehrere Urteilssprüche des Obersten Gerichts der Vereinigten Staaten, das allgemeine Immunitätsprinzip eines ausländischen Staates respektiert, wenn es darum ging, diesen der Gerichtsbarkeit und Kompetenz der Gerichte der Vereinigten Staaten zu unterziehen

Verletzungen (IX)

Eine weitere Verletzung

Zu mehreren Verletzungen kam es bei der Verhaftung von Adriana Pérez O’Connor, Ehefrau von Gerardo Hernández Nordelo, vor einigen Tagen auf dem Flughafen von Houston durch das FBI, als sie nach Kalifornien reisen wollte, um ihren Mann im Gefängnis von Lompoc zu besuchen...

Verletzungen X

Fälschungen der Staatsanwaltschaft

Am vergangenen Dienstag, den 12., startete Dr. Leonard Weinglass, Verteidigungsanwalt von Antonio Guerrero, eine Aktion zur Verteidigung unserer fünf unrechtmäßig verurteilten Genossen. Er reichte beim Bundesgericht des Südbezirkes von Florida, in Miami, einen Antrag auf Niederschlagung des bisherigen Prozesses und Durchführung einer neuen Gerichtsverhandlung ein -ausgehend von der Regel 33 des Gesetzes des nordamerikanischen Bundesstrafverfahrens, die einen neuen Prozeß "im Interesse der Gerechtigkeit" zuläßt, sofern die Verfassung verletzende Beweise erbracht werden.

Verletzungen XI

Ungewöhnliche Verfahren und Fehler der Richterin

Im August 1999 reichte der Verteidigungsanwalt von Ramón Labaniño, Dr. William Norris, einen Antrag ein, in dem das Gericht gebeten wurde, die Bereitstellung von Fonds zu genehmigen, um eine Umfrage zur Begründung der Notwendigkeit eines Ortswechsels durchführen zu können mit dem Ziel, unparteiische Geschworene für eine Gerichtsverhandlung außerhalb von Miami zu bekommen.

Verletzungen XII

Manipulierung der Beweise

Die Bundes-Beweisregeln der Vereinigten Staaten legen die Bedingungen für die Echtheit der Dokumente fest, die in einem Gerichtsprozeß als Beweise dienen sollen. Diese Regeln sind gekennzeichnet durch das Vorlage- oder Aufdeckungssystem, dementsprechend der Staatsanwalt verpflichtet ist, den Angeklagten die Namen und Anschriften aller bekannten Personen mitzuteilen (oder ihnen Einsicht zu gewähren), die Informationen oder Kenntnisse über die zur Last gelegten Fakten haben können.

Verletzungen XIII

Eine weitere Änderung der Regeln

Der von Leonard Weinglass, Verteidigungsanwalt von Tony Guerrero, beim Bundesgericht von Miami eingereichte Antrag offenbart, daß die amtierende Richterin des Verfahrens (Joan Lenard) mit der Anordnung vom 27. Juli 2000, die einen Ortswechsel ablehnt, festgelegte gesetzliche Regeln veränderte.

Verletzungen XIV

Das CIPA: ein Instrument des Verbrechens

Das CIPA (Classified Information Procedures Act oder Verfahrensgesetz für Klassifizierte Information) ist ein legales Statut. Es genehmigt, daß ein Gerichtsprozeß in den Vereinigten Staaten im Rahmen eines speziellen Verfahrens zum Schutz von klassifizierter Information geführt wird.

Verletzungen XV

"Spione" ohne Spionage

Es gibt heute auf der Welt verschiedene juristische Systeme, auch "Rechtsfamilien" genannt. Diese gehen vom Ursprung und der Entwicklung der Kultur und der Rechtswissenschaft eines jeden Landes entsprechend seinen historischen Wurzeln aus.

Verletzungen XVI

Es gab keine Annahme der Unschuld

Bei jedem Angeklagten wird angenommen, daß er unschuldig ist. Dieses Prinzip ist die Grundlage des sogenannten Anklagesystems mit Dreiteilung der Funktionen im juristischen Strafprozeß: die Staatsanwaltschaft, die die Regierung vertritt und eine Anklage zur Verteidigung der gesellschaftlichen Ordnung erhebt...

Verletzungen XVII

Im Zweifel gegen den Angeklagten

Ein uraltes Prinzip der allgemein anerkannten Strafgerichtsbarkeit ist bekannt als "im Zweifel für den Angeklagten", d. h. im Zweifelsfall zugunsten des Angeklagten.

Verletzungen XVIII

Die Verschwörung

Beim Versuch der juristischen Instrumentierung der Anklage gegen die fünf kubanischen Patrioten, wurde sich die Staatsanwaltschaft bewußt, daß sie die Spionage- und Morddelikte, die sie in die Anklageakte einbeziehen wollte, nicht beweisen könnte.

Verletzungen (I)

Es gab keine unparteiischen Geschworenen

Der Gerichtsprozeß, der vom 27. November 2000 –als die Auswahl der Geschworenen begann- bis zum 27. November 2001 –als das letzte Urteil gegen Gerardo Hernández Nordelo, Ramón Labañino Salazar, René González Llort und Antonio Guerrero Rodríguez gesprochen wurde- in Miami, Vereinigte Staaten, stattfand, war durch mehrere Manöver und Handlungen gekennzeichnet, die darauf abzielten, ein wahrhaft gerechtes Urteil zu verhindern.

Im Prozeß wurden mehrere Verletzungen der nordamerikanischen Verfassung, des juristischen Präzedenzfalles und des Völkerrechts begangen. Dazu gehört, daß es keine unparteiischen Geschworenen gab.

Die Auswahl eines unparteiischen Geschworenengerichts ist eine der wichtigsten Etappen des Rechtsverfahrens im System des "Common Law". Diese Suche nach Geschworenen, die den verhandelten Tatbeständen und den abzuurteilenden Personen völlig fremd gegenüberstehen, kann zuweilen zu zeitaufwendig und kostspielig sein.

Das Gerichtsverfahren im Beisein von Geschworenen besteht gegenwärtig darin, Personen auszuwählen, denen die zur Last gelegten Tatbestände unbekannt sind, so daß die Parteien die Fakten mittels Vorlage von Beweisen einbringen und die Geschworenen –die anschließend auf die Anweisungen des Richters zurückgreifen- effektiv die Tatbestände festlegen können, die in der Tat vor sich gegangen sind und über jeden vernünftigen Zweifel hinaus bewiesen wurden.

Das Recht, von einem unparteiischen Geschworenengericht abgeurteilt zu werden, ist eines der wichtigsten Grundrechte, die in den Verfassungsänderungen der Vereinigten Staaten von Amerika enthalten sind.

Die VI. Verfassungsänderung legt fest: "In jeder Strafsache hat der Angeklagte ein Recht darauf, schnell und öffentlich von einem unparteiischen Geschworenengericht des Distrikts oder des Bundesstaates, in dem das Delikt begangen wurde, abgeurteilt zu werden."

Später interpretierten der juristische Präzedenzfall oder der wiederholte Urteilsspruch des Obersten Gerichts die Vorschrift in dem Sinne, daß das Wesentliche das Vorhandensein eines unparteiischen Geschworenengerichts ist, demzufolge die Gerichtsverhandlung in einen anderen Distrikt des Bundesstaates oder sogar in einen anderen Bundesstaat zu verlegen ist, falls das unparteiische Geschworenengericht nicht in dem Distrikt erreicht werden kann, in dem das Delikt begangen wurde.

Die Stadt Miami -gekennzeichnet von der Verknöcherung eines großen Teils der kubanisch-amerikanischen Gemeinschaft, die noch immer aussichtslos von der Rückkehr in das Kuba von 1958 träumt- war schon seit den Tagen des Sieges der kubanischen Revolution Wiege diverser konterrevolutionärer und terroristischer Organisationen.

Es erstaunte daher niemanden, daß seit dem Tag der Verhaftung unserer fünf Landsleute, am 12. September 1998, eine Pressekampagne gegen die Festgenommenen entfacht wurde.

Der Prozeß, öffentlich als "Spionageprozeß" bezeichnet, wurde zum "gefundenen Fressen" in Kneipen, Kantinen, Restaurants und Parks, wo diese ewig Gestrigen, von Haß zerfressen und rachelüstern, sich eifrig treffen.

Wie nicht anders zu erwarten, reichten die Verteidigungsanwälte angesichts eines solchen Panoramas Anfang Februar 2000 –als die Prozessumstände dies zuließen- beim Gericht einen Antrag auf Änderung des Gerichtsortes ein. Doch die Richterin hielt sich nicht damit auf, den Antrag zur Kenntnis zu nehmen und ließ mehrere Monate vergehen. Erst wenige Tage nach Abschluß des Falles Elian, am 27. Juli 2000, erklärte sie den Antrag für ungültig, wies den Wechsel der Gerichtsbarkeit zurück und lehnte es ab, den Prozess in einem anderen Distrikt Floridas durchzufühen.

Um diese Entscheidung zu treffen, zögerte die Richterin nicht, den juristischen Präzedenzfall zunichte zu machen, der im Rechtssystem der Vereinigten Staaten Gesetzeskraft hat. Der von den Verteidigungsanwälten eingereichte, ordnungsgemäß dokumentierte Antrag basierte nicht nur auf dem empirischen Beweis der politisch-historisch begründeten Existenz von Vorurteilen in der Gemeinschaft, sondern auch auf dem Ergebnis einer von einem Lehrer (Gary Morán) gemachten Umfrage, derzufolge die öffentliche Einstellung gegen die Angeklagten gerichtet war.

Diese Darlegung von Tatsachen und Beweisen stützte sich außerdem auf Rechtsvorschriften, die einen Wechsel des Gerichtsstandes rechtfertigten.

Mit anderen Worten –wie die Verteidigung es darlegte-, muß man nur die Existenz von Vorurteilen in der Gemeinschaft nachweisen, damit sich nicht nur die –immer unsichere- juristische Anstrengung erübrigt, einem mit Vorurteilen behafteten Geschworenengericht entgegentreten zu müssen, sondern damit außerdem der Prozesseffekt entsteht, daß die erforderlichen Beweise, um die Notwendigkeit aufzuzeigen, dem Angeklagten einen gerechten Prozeß in Form des Wechsels des Gerichtsstandes -der die Bildung eines unparteiischen Geschworenengerichts ermöglicht- zuteil werden zu lassen, simplifiziert werden.

Auf diese Weise löste die Ablehnung des von den Verteidigungsanwälten ordnungsgemäß dokumentierten Antrags auf den Wechsel des Gerichtsstandes einen langen und komplizierten Prozeß der Auswahl und der Bildung des Geschworenengerichts aus - vor dem Hintergrund einer Gemeinschaft, in der nicht nur eine "stark spürbare öffentliche Einstellung gegen die Angeklagten", wie es im juristischen Präzedens heißt, vorhanden war, sondern auch eine schamlose Kampagne der Diskreditierung, Brandmarkung, Entehrung und Abwertung gegen diejenigen, die unparteiisch abgeurteilt werden sollten, wie es die nordamerikanische Verfassung vorschreibt.

Bekanntlich werden die Geschworenen mittels Auslosung ausgewählt. Entweder entnimmt man sie dem Wählerverzeichnis, was häufig geschieht, oder aus der Liste der Inhaber einer Fahrerlaubnis, was gelegentlich geschieht – je nach dem Gerichtsbezirk, um den es sich handelt. Das Gericht verschickt Vorladungen an die ausgewählten Personen, damit diese zu einem bestimmten Termin und zu einer bestimmten Zeit erscheinen. Bei der Anhörung zur Auswahl und zur Bildung des Geschworenengerichts haben die Parteien die Gelegenheit, die vorgeschlagenen Personen zu prüfen oder mittels Einwänden –die belegt sein müssen, falls ein Grund für Parteilichkeit oder Disqualifizierung angeführt wird- abzulehnen, und zwar ausschließlich durch Befragung der betreffenden Personen. Darüber befindet dann endgültig das Gericht oder –in diesem Fall- die Ríchterin.

So sorgfältig die Verteidigungsanwälte auch sein mögen, so scharfsinnig sie auch sein mögen in der Absicht, das mögliche Vorurteil, die Parteilichkeit, die Antipathie offenzulegen, es wird in Miami immer unmöglich sein, ein Geschworenengericht zu bilden, das frei ist von jeglichem, gegen die Angeklagten gerichteten Einfluß oder das ohne Furcht ist vor den Folgen, die sich aus einer Stimmabgabe gegen die Einstellung der extremen Rechten herleiten können.

Mit der Ablehnung des Wechsels des Gerichtsstandes durch die Richterin wurden die Angeklagten des in der VI. Verfassungsänderung festgeschriebenen Grundrechts beraubt, von einem unparteiischen Geschworenengericht abegeurteilt zu werden und damit des Rechts auf einen "ordnungsgemäßen Prozeß" auf der Grundlage der V. Verfassungsänderung, und wurden die juristischen Präzedenzfälle -d.h. das nordamerikanische Gesetz- ignoriert, die die Prinzipien und Regeln festlegen, um diese vom Obersten Gericht der Vereinigten Staaten und den Bundesgerichten festgeschriebenen Grundrechte zu verwirklichen. Auf diese Weise wurde eine Handlung vollzogen, die der Verfassung entgegensteht, von nun an Willkürakten und Gesetzwidrigkeiten freien Lauf ließ und zu einer großen Ungerechtigkeit führte.

Verletzungen (II)

Es fehlte der ordnungsgemäße Prozeß

Das Grundrecht -bekannt als der ordnungsgemäße Prozeß- ist die weitreichendste Garantie in den Änderungen der nordamerikanischen Verfassung.

Die Garantie, daß ohne den "ordnungsgemäßen Rechtsprozeß" keiner Person das Leben, die Freiheit oder das Eigentums genommen werden können, ist das umfassendste und möglicherweise problematischste der Verfassung der Vereinigten Staaten.

Und in gewisser Weise definiert der ordnungsgemäße Prozeß die Beziehung zwischen der Regierung und den Bürgern, denn er setzt eine Grenze für die Aktion der Regierung beim Eingreifen in das Leben der Menschen und legt die gesetzliche Form fest, in der die Regierung dieses Eingreifen verwirklichen kann.

Bei der Anwendung der Klausel des ordnungsgemäßen Prozesses muß unterschieden werden, denn diese Garantie wird durch die V. Verfassungsänderung auf die Bundesregierung und durch die XIV. Verfassungsänderung auf die Regierungen der Bundesstaaten angewendet. Ebenso ist zu unterscheiden zwischen dem ordnungsgemäßen Prozeß auf juristischem Gebiet (materia procesal) und dem, der sich auf die Grundrechte bezieht.

Das ordnungsgemäße Verfahren auf juristischem Gebiet (materia procesal) stützt sich darauf, daß die Regierung den Personen einen bestimmten Schutz in einem Prozeß bietet, in dem diesen das Leben, die Freiheit oder Güter genommen werden sollen. Bei Strafsachen schließt die Garantie des ordungsgemäßen Prozesses alle Rechtsgarantien ein. Es genügt nicht, die formalen Erfordernisse des Haftbefehls zu erfüllen, den Verhafteten auf seine Rechte hinzuweisen und ihm einen Pflichtverteidiger zu stellen, falls er keinen Rechtsanwalt hat.

Das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten hat dieses Prinzip zunächst nur für die Bundesgerichtsbarkeit aufrechterhalten. Später, nach dem zweiten Weltkrieg, entwickelte es die sogenannte "Doktrin der selektiven Inkorporation", mittels derer alle Grundrechte -sowohl in der Bundesgerichtsbarkeit als auch in der staatlichen- obligatorisch zu erfüllen sind. Das Oberste Gericht hielt es für erforderlich, daß zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Prozesses folgendes zu respektieren ist: der Schutz davor, nicht gezwungen zu sein, gegen sich selbst auszusagen, die Garantie, nicht zweimal wegen des gleichen Vergehens verurteilt zu werden, der Beweis eines jeden Delikts über jeden vernünftigen Zweifel hinaus, das Recht der Angeklagten auf ein schnelles und unverzügliches Urteil, das Recht eines jeden Angeklagten auf Aburteilung durch ein unparteiisches Geschworenengericht, das Recht auf die gesetzliche Vertretung, auf erneute Befragung der Zeugen und das Recht darauf, daß Zeugen und Experten verpflichtet sind, vor Gericht zu erscheinen.

Jedoch im Fall der fünf kubanischen politischen Häftlinge wurde die Garantie, die im Recht auf ein schnelles und unverzügliches Urteil mit unparteiischen Geschworenen besteht, völlig ignoriert, besser gesagt, verletzt. Als ob das allein noch nicht genügte, wegen Verletzung der V. Und VI. Verfassungsänderung die Nichtigkeit des Urteils zu erklären, kommen noch eine ganze Reihe von Verletzungen hinzu, die den Prozeß verfälschten und seine Unrechtmäßigkeit wegen Verletzung des Grundrechts auf einen ordnungsgemäßen Prozeß offenkundig machten.

Die Angeklagten wurden ohne vorherige Benachrichtigung gewaltsam verhaftet, lange Zeit vor der Gerichtsverhandlung eingekerkert, sie wurden während der Haft bestraft, ohne auch nur eine Vorschrift der Gefängnisordnung verletzt zu haben und waren besonders ungerechten Praktiken ausgesetzt.

Der Prozess war aufgrund der Manipulierung der Beweise unter Verletzung des Prinzips "discovery" total verfälscht. Dieses Prinzip verpflichtet dazu, die Beweise im Besitz der jeweiligen Seite, die dem Gericht präsentiert werden sollen, der anderen Seite mitzuteilen und zur Kenntnisnahme und Überprüfung vorzulegen. Es ist bemerkenswert, daß die Einzigartigkeit des nordamerikanischen "discovery", das keine Parallele in einem anderen Rechtssystem hat, total zunichte gemacht wurde. Nach dem "pre-trial discovery" werden selbst die Verfahren zur Ermittlung der Tatbestände und die Vorbereitung der Beweise vor Einbeziehung der Geschworenen von den Parteien geführt und kontrolliert. Die Nichtbeachtung der Parteien bei der Einhaltung der Vorschriften des "discovery" muß die Anwendung von Sanktionen durch das Gericht nach sich ziehen. Die Pflicht zur Offenlegung umfaßt nicht nur materielle Beweise, sondern auch jegliche Information, die zu zulässigen Beweismitteln führen kann.

In diesem Fall sah sich die Verteidigung jedoch konstant in ihrem Recht eingeengt, frei über die als Beweise angesehene Dokumentation zu verfügen, um sie zu sichten und zu prüfen, weil diese Unterlagen unter CIPA (Verfahrensgesetz für klassifizierte Information) eingeordnet wurden. Sie wurden willkürlich deklassifiziert, was den Verteidigungsanwälten oftmals den rechtzeitigen Zugang erschwerte, um eine angemessene Einschätzung vornehmen zu können. Eingegangen wurde zudem nicht auf mehrere Anträge der Verteidigung, einige Dokumente, die für die Aufklärung des Tatbestandes relevant waren, als offizielle Dokumente anzuerkennen und als Beweise zuzulassen.

Konstant war auch die Manipulierung der Zeugen aufgrund des Druckes, der während der Gerichtsverhandlung von der Staatsanwaltschaft und von der entfachten Pressekampagne auf diese ausgeübt wurde. All das versetzte die Zeugen in Angst und erschwerte oder verhinderte, daß vor den Geschworenen und dem Gericht Tatsachen und Informationen offenbart wurden, die günstige Beweise für die Verteidigung der Angeklagten hätten darstellen können.

Bei der Festnahme von Fernando wurden die für Verhaftungen, Ermittlungen und Verhöre der Angeklagten festgelegten Vorschriften verletzt. Zu dieser Festnahme war es gekommen, ohne daß die geforderten Bedingungen eingehalten wurden, denn Fernando befand sich zum Zeitpunkt der Verhaftung von Gerardo zufällig in dessen Haus.

Es wurden Sanktionen für Vergehen verhängt, ohne auch nur einen konkreten und exakten Beweis vorzulegen. Somit wurde das Prinzip verletzt, daß die Staatsanwaltschaft die vorgeworfenen Vergehen über jeden vernünftigen Zweifel hinaus nachzuweisen hat.

Kurz gesagt: es wurden noch viele andere Verletzungen begangen, auf die wir in zukünftigen Arbeiten eingehen werden. Sie alle und jede einzelne von ihnen sind nicht nur eine spezifische, sondern Teil einer großen Verletzung, einer kontinuierlichen und enormen Verletzung des Grundrechts auf einen "ordungsgemäßen Gerichtsprozeß".

Verletzungen (III)

Grausame und ungewöhnliche Gefängnishaft

Die VIII. Änderung der nordamerikanischen Verfassung legt fest: "Es werden keine exzessiven Bürgschaften/Kautionen gefordert, keine exzessiven Geldstrafen auferlegt und keine grausamen und ungewöhnlichen Strafen verhängt".

Diese grundlegende Garantie widerspiegelt das fortschrittlichste sozial-juristische Gedankengut ihrer Epoche und besteht bis in unsere Zeit als eines der klassischen Menschenrechte, die die Prinzipien der Humanität in bezug auf die Achtung der Menschenwürde entsprechend den Zielen der Allgmeinen Deklaration der Menschenrechte und der Charta der Vereinten Nationen verkörpern.

Vom Augenblick ihrer Verhaftung an erfuhren die fünf kubanischen politischen Häftlinge in den Vereinigten Staaten eine unangemessene, grausame und unmenschliche Behandlung.

Zuerst wurden sie sechs Stunden lang im Hauptquartier des FBI in Miami ohne die Anwesenheit von Rechtsanwälten verhört und anschließend in das Bundeszentralgefängnis dieser Stadt gebracht und in Einzelzellen eingeschlossen, die nicht mehr sind als enge Strafzellen mit ungeeigneten Bedingungen und die normalerweise für jene, die gegen die Strafvollzugsordnung verstoßen, oder für äußerst gefährliche Häftlinge gedacht sind. Wenige Tage später, am 29. September, wurden sie in die Verliese der sogenannten Einheit für Spezielle Unterbringung eingesperrt, die von Häftlingen, Anwälten und Vollzugsbeamten der Anstalt als "das Loch" bezeichnet werden und unerträgliche Bedingungen aufweisen.

Unter diesen grausamen und ungewöhnlichen Bedingungen verbrachten sie 17 Monate ohne Verbindung zu ihren Anghörigen, ohne jeden Kontakt zur Außenwelt, ausgenommen das Gesprach mit ihren Anwälten, zu dem sie -durch dicke Glasscheiben von diesen getrennt- in Handschellen geführt wurden.

Wo blieb die Annahme der Unschuld? Wird vielleicht nicht jeder Häftling als schuldlos angesehen, solange er nicht verurteilt und für schuldig erklärt wurde? Dieses Prinzip, das allen Strafrechtssystemen der zivilisierten Nationen seit der Inquisition Gestalt gibt, wurde zunichte gemacht.

Offensichtlich trachtete man danach, die Häftlinge zu schwächen, ihre Moral, ihren Kampfesgeist und ihre Menschenwürde zu brechen und gleichzeitig die Vorbereitung der Verteidigung auf den Prozeß zu verhindern oder zumindest so stark wie möglich zu erschweren, indem die Verbindung zwischen Anwalt und Angeklagten sehr behindert wurde.

Nachdem die Verhafteten dann auf Bemühen und Forderung ihrer Anwälte in die normalerweise dafür vorgesehenen Gebäude gebracht worden waren, als das mündliche Verfahren bereits begonnen hatte, wurden sie erneut in den Kerker (das Loch) eingesperrt, diesmal für 48 Tage.

Sie hatten die Strafvollzugsdisziplin nicht verletzt, keine Flucht geplant oder versucht, nicht einmal einen kleinen Fehler begangen; sie waren nicht vorbestraft, noch nicht verurteilt, es gab keine Rechtfertigung und keinerlei rechtlichen Grund, weshalb sie diese entwürdigende und unmenschliche Behandlung verdient hätten.

Man trachtete sie zu isolieren, ihre Verbindung zur Außenwelt zu unterbrechen und so den schriftlichen Kontakt mit Institutionen oder Personen, die mit ihrer Sache sympathisierten, zu unterbinden, ihre Botschaften oder Mitteilungen an Angehörige und Freunde zu verhindern und ihre Vorbereitung auf das Schlußplädoyer zu erschweren. Das ist die nordamerikanische Gerechtigkeit.

Dem Angeklagten René González Sehwerert, geboren in den Vereinigten Staaten und folglich nordamerikanischer Staatsbürger durch Geburt, wurde die Verbindung zu seiner wenige Monate alten Tochter verweigert. Somit wurde nicht nur das Recht des Vaters auf die Verbindung zu seinen kleinen Kindern übertreten, sondern auch das der kleinen Tochter.

Alle diese Handlungen stellen Verletzungen der VIII. Änderung der nordamerikanischen Verfassung, der Allgmeinen Deklaration der Menschenrechte, der Charta der Vereinten Nationen und vieler anderer spezifischer internationaler juristischer Instrumente in bezug auf die Behandlung von Verhafteten und Verurteilten dar.

Die Mindestregeln der Vereinten Nationen für die Behandlung von Häftlingen, die 1955 von der UNO angenommen wurden, haben ihren Ursprung –mit einigen Änderungen- in den Normen für die Behandlung von Häftlingen, die ihrerseits von der Internationalen Kommission für Strafen und Strafvollzug formuliert und 1934 von der Liga der Nationen angenommen wurden. Diese Regeln legen die gerechten Prinzipien und die angemessenen Praktiken für die Behandlung von Häftlingen und für die Verwaltung der Strafvollzugsanstalten fest und verbieten ausdrücklich die körperliche Bestrafung, die Inhaftierung in Verliesen oder dunklen Zellen und jegliche grausame, entwürdigende und inhumane Maßnahme.

Diese Regeln wurden 1977 auf Empfehlung des Komitees zur Prävention von Delikten und zur Bekämpfung des Delinquententums erweitert. Auf dem siebenten Kongreß, der 1985 in Mailand stattfand, wurden sie durch den sogenannten Aktionsplan von Mailand nochmals erweitert mit dem Ziel, Mißbrauch und Exzesse zu vermeiden, und es wurden Empfehlungen zur Behandlung von ausländischen Häftlingen gegeben. Auf dem achten Kongreß im Jahre 1990 wurden die Grundprinzipien für die Behandlung von Häftlingen als Leitlinien für ein derartig sensibles Thema angenommen.

Wie Paul McKenna, Anwalt von Gerardo Hernández, wärend der Verhandlung darlegte, "verbrachte der Angeklagte fast ein Jahr, vielleicht länger, in einer Nußschale, in Einzelhaft, in einem schrankähnlichen Raum, wo er essen, sich waschen, die Toilette benutzen mußte und wo er des unter Haftbedingungen normalen menschlichen Kontaktes beraubt war – nicht aus irgendwelchen disziplinarischen Gründen, sondern weil die Regirung der Vereinigten Staaten diesen Ort ausgesucht hatte, um ihn dort unterzubringen".

Dies ist eine weitere flagrante Verletzung des Völkerrechts, der Menschenrechte, der elementarsten Normen der Achtung vor der menschlichen Würde und –was nicht außer Acht gelassen werden kann- der eigenen Verfassung der Vereinigten Staaten, die in diesem Prozeß einmal mehr ihren Gegenkurs zur Geschichte manifestiert und den Traum ihrer Gründungsväter zunichte macht, die einmal dachten, "die Norm" geschaffen zu haben, die "dem Gesetz Gottes am nächsten kommt".

Und der Traum von einer idealen, demokratischen, humanen und gerechten Verfassung, die die Gleichheit der Menschen und ihre Rechte garantiert, kann sich nicht auf einen Katalog der Menschenrechte beschränken. Sie erfordert außerdem eine legitime und umfassende Interpretation und logischerweise die Voraussetzung einer gerechten Anwendung.

Nicht umsonst wurde über die Verfassung der Vereinigten Staaten gesagt: "Die Stimme der Minderheiten wurde ausgeschlossen vom Entwurf der Verfassung und ihrer nachfolgenden Interpretation zur Erarbeitung von spezifischen Gesetzen und rechtmäßigen Richtersprüchen". So wurde dieses Urteil gefällt, ausgeschlossen vom Entwurf der Verfassung. So wurden die Angeklagten behandelt, ohne jeglichen verfassungsmäßigen Schutz.

Verletzungen (IV)

Geschworenengericht ohne Kontrolle

Im Strafprozeß in den Vereinigten Staaten instruiert der Richter die Geschworenen vor der Beratung, sowohl zu Beginn der Anhörung oder der mündlichen Verhandlung als auch bei ihrem Abschluß, über den Charakter des Falles und über ihre Funktion und Verantwortung als Beurteilende der Tatbestände.

Zu Beginn der Anhörung muß der Richter einführende Anweisungen erteilen und den Geschworenen diese Funktion erläutern, er muß bestimmte ethische, Anstands- und Protokollregeln darlegen, z. B. muß er ihnen sagen, daß sie weder mit den Parteien noch mit den Zeugen sprechen sollen, daß sie pünktlich sein, ihre individuelle Entscheidung für den Moment der Beratung aufheben sollen und davon Abstand zu nehmen haben, in der Presse, im Rundfunk oder im Fernsehen Nachrichten über den Fall zu lesen oder zu hören.

In der Verhandlung gegen die fünf kubanischen politischen Gefangenen in den Vereinigten Staaten gab die Richterin den Geschworenen zu Beginn der Anhörung angemessene Instruktionen und erläuterte unter anderen unerläßlichen Punkten, daß die Angeklagten mutmaßlich unschuldig seien, solange ihre Schuld nicht bewiesen ist, daß die wichtigste Beweisführung der Regierung obliegt, daß der Angeklagte seine Unschuld nicht beweisen muß und daß die Regierung die Schuld der Angeklagten über jeden vernünftigen Zweifel hinaus nachweisen muß.

Diese einführenden Instruktionen könnten lächerlich erscheinen, wären sie nicht so tragisch und von so schwerwiegenden Folgen. Heute, im Licht der Tatsachen, empören jene Instruktionen hinsichtlich des Verbots, über den Fall in der Presse zu lesen oder Nachrichten oder Kommentare im Radio oder Fernsehen zu hören mit dem Hinweis, daß die Pressemedien Informationen oder Bewertungen enthalten könnten, die keine Beweise darstellten und daß die Geschworenen ihren Urteilsspruch einzig und allein ausgehend von den Beweisen, die innerhalb des Gerichts vorgebracht werden, treffen sollten.

Bei der Instruktion der Geschworenen nach Abschluß der Sitzungen der Gerichtsverhandlung am 23. Mai 2001 wies die Richterin darauf hin, daß die Staatsanwaltschaft den Anklagepunkt 3 (Verschwörung, um Mord zu begehen), dessen allein Gerardo Hernández Nordelo schuldig ersten Grades (Mord) angeklagt war, beweisen müsse und daß sie feststellen müsse, ob der Angeklagte zuvor geplant hätte und bereit gewesen sei, bestimmte Personen in internationalen Gewässern, im Sondergerichtsbezirk der Vereinigten Staaten, zu ermorden. Die Staatsanwaltschaft erhob Einspruch gegen diese Anweisung mit der Bemerkung, daß es mit dieser nicht möglich sei, den Angeklagten für schuldig zu erklären, was gleichbedeutend mit dem Eingeständnis ist, daß sie diesen Anklagepunkt nicht beweisen konnte.

Die Staatsanwaltschaft dachte schließlich, ihr würde die Möglichkeit entgleiten, einen der Angeklagten wegen des –praktisch in letzter Minute eingebrachten- Anklagepunktes zu bestrafen, mit dem sie es schaffen wollte und geschafft hat, den Prozeß noch mehr zu politisieren und eine Stimmung gegen die Angeklagten zu schüren.

Die Presse selbst hatte sich zum Echo dieser vermeintlichen Wende gemacht, als sie schrieb: "Die Staatsanwaltschaft befürchtet eine gegen sie gerichtete Verschwörung in der Gerichtsverhandlung" (Miami Herald, 17. Mai 2001).

Das Appellationsgericht von Atlanta wies den von der Staatsanwaltschaft eingebrachten "Dringlichkeitsantrag" ab.

Hinsichtlich des Anklagepunktes 2, "Verschwörung, um Information über die nationale Verteidigung zu sammeln und weiterzuleiten" (Spionage) gab die Richterin den Geschworenen zu verstehen, daß die Regierung den Schaden oder die Gefahr für die Sicherheit der Vereinigten Staaten beweisen müsse und beschränkte sich darauf, den Hinweis der Anwälte auf den "Notstand" zu erwähnen.

Nach einem langen Prozeß von 103 Anhörungen verhängte das Geschworenengericht dann in kaum drei Beratungstagen –die Beratungen dauerten jeweils nur wenige Stunden- ohne Fragen zu stellen, ohne Zweifel anzumelden und ungeachtet dessen, daß es sich um ein kompliziertes Verfahren mit fünf Angeklagten und mit genauso vielen, teils unterschiedlichen, teils wiederholten Anklagepunkten handelte, einen Schuldspruch für alle und erklärte sie aller Anklagepunkte für schuldig. Es versetzte die Anwälte in Erstaunen und hat vielleicht sogar die Staatsanwälte und die Richterin verblüfft.

Das ist eine weitere Verletzung, diesmal der Normen, die das Verfahren und die Handlungsweise der Geschworenen bestimmen. Damit wurden Handlungen als Delikte betrachtet, die nicht bewiesen wurden.

Das Geschworenengericht ging über die von der Richterin empfangenen Instruktionen hinaus und hat in seiner Tätigkeit Grenzen überschritten. So groß waren die Beeinflussung, die Parteilichkeit und die Furcht.

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, daß diese unerhörte Handlungsweise der Geschworenen eine Folge der Verletzung der Garantie eines unparteiischen Geschworenengerichts ist, wie sie die VI. Verfassungsänderung festschreibt. Diese Verletzung manifestierte sich bei diesem Verfahren nicht nur in der Durchführung des Prozesses in der Stadt Miami und in der Unmöglichkeit, Frauen und Männer auszuwählen, denen die Tatbestände unbekannt waren, sondern –als wäre das allein nicht schon genug- in der Vernachlässigung des Prinzips der Isolierung und Kontrolle der Kommunikation mit den Geschworenen, das in einem solchen Verfahren hätte angewendet werden müssen.

Im Rechtssystem des Common Law muß jede Kommunikation mit den Geschworenen vom Richter kommen, und zwar nur während der Gerichtssitzungen.

Dieses Verbot ist als legale Rückendeckung für die Anwendung der VI. Verfassungsänderung, die die Garantie eines unparteiischen Geschworenengerichts festschreibt, in den Gesetzen enthalten. Nach Erhalt der Anweisungen vom Gericht und der Anordnung zur Beratung untereinander, um zu einem einhelligen Urteil zu kommen, steht das Geschworenengericht unter der Obhut des Gerichtsdieners, der seinerseits den Anordnungen des Richters untersteht. Die Kommunikation mit den Geschworenen erfolgt nur über den Gerichtsdiener, keines der Mitglieder des Geschworenengerichts kann zusätzliche Information über den Fall erhalten.

Das ergibt sich aus der Notwendigkeit, während des Verfahrens jeglichen Einfluß der Gemeinschaft und der Presse auf das Geschworenengericht zu vermeiden. Es geht dabei auch um die für die Unparteilichkeit seiner Schlußfolgerungen erforderliche Isolierung und den Schutz seiner Mitglieder.

In diesem Fall war es nicht nur kein Geschworenengericht, dessen Mitgliedern die Tatbestände fremd waren, sondern diese wurden während des Beratungszeitraumes auch nicht ordnungsgemäß abgesondert und isoliert. Beibehalten wurden der Kontakt zu der mit Vorurteilen behafteten Gemeinschaft, der Einfluß der feindselig eingestellten Presse, das Durcheinander – all das verhinderte in immer stärkerem Maße die Unparteilichkeit der Geschworenen.

Verletzungen (V)

Verurteilung ohne Beweise

Wenige Monate nach der Verhaftung der Angeklagten und nach Beginn der Verhandlung zur Darlegung der Anklagepunkte wurde dem Angeklagten Gerardo Hernández Nordelo in der Akte der zweiten Anklage, das Vergehen "Konspiration, um Mord zu begehen" angelastet.

Damals schien dies ein Manöver zur Politisierung des Prozesses zu sein, um die Stimmung der in Miami ansässigen extremen Rechten noch mehr anzuheizen und noch mehr "Castro-feindliche" Sympathisanten für die Anklage und das Geschrei nach härtester Ausübung der "Gerechtigkeit" zu gewinnen.

Unglaublich ist, daß der Angeklagte danach wegen eines Anklagepunktes, wegen eines Vergehens zu lebenslänglich verurteilt wurde, das nicht bewiesen ist und das außerdem nicht begangen wurde.

Der ausgehend vom Kapitel 18 USC, Abschnitte 111, 1117 und 2 des Strafgesetzbuches der Vereinigten Staaten eingebrachte Anklagepunkt beschuldigte den Angeklagten "sich absichtlich, vorsätzlich und unrechtmäßig mit anderen, dem Großen Schwurgericht bekannten und unbekannten Personen vereint und verbündet zu haben sowie mit diesen konspiriert und Absprachen getroffen zu haben, um Mord zu begehen, d. h. Menschen in vorsätzlicher Absicht innerhalb der maritimen und territorialen Sondergerichtsbarkeit der Vereinigten Staaten gesetzwidrig zu töten".

Die Staatsanwaltschaft wollte Mitteilungen von Gerardo in Zusammenhang mit der Terrororganisation Hermanos al Rescate in Verbindung bringen mit dem Abschuß der Kleinflugzeuge am 24. Februar 1996 durch die kubanischen Luftstreitkräfte zur Verteidigung der Integrität des nationalen Territoriums und seines Luftraumes, vor dem die Regierung der Vereinigten Staaten und selbst die terroristische Organisation vorher wiederholt gewarnt worden waren.

International und selbst in der nordamerikanischen Gesetzgebung und juristischen Praxis ist im Strafrecht das Verhältnis zwischen der vom Angeklagten ausgeführten Tat (vermeintlich strafbares Verhalten) und dem entstandenen schädlichen Resultat einklagbar. Abgesehen davon, daß dieser Vorgang nichts mit Gerardo zu tun hat und es auch nicht von ihm abhing, darüber zu entscheiden, wurde eindeutig bewiesen, daß Gerardo zu dieser Zeit nicht in den Vereinigten Staaten war, weshalb er es auch nicht gewesen sein konnte, der die umstrittene Nachricht über den Flug der Kleinflugzeuge abschickte. Wie aus seinem Paß und den Einreiseeintragungen hervorgeht, reiste Manuel Iramontes –unter diesem Namen hatte er sich ausgewiesen- schon Tage zuvor nach Kuba und kam erst mehrere Tage danach wieder zurück, weshalb er es nicht gewesen sein konnte, der die Nachricht über den Flug vom 24. Februar 1996 mitgeteilt hatte.

Es gibt keine Beweise für seine Verbindung zu dem Vorgang, und die als solche angeführten Beweise entlasten ihn völlig von der Tat, deren er beschuldigt wird.

Das Morddelikt, d. h. das Tötungsdelikt, verschlimmert durch erschwerende Umstände wie Vorsätzlichkeit, Heimtücke, Wut u.a., erfordert den Nachweis einer spezifischen Absicht oder eines spezifischen Vorsatzes, erfordert den absoluten Beweis des sogenannten "animus necandi" oder der Tötungsabsicht.

Es gab keinen einzigen Beweis, aus dem hervorginge, daß der Angeklagte an einer Verschwörung zum Abschuß der Kleinflugzeuge beteiligt war. Eine solche Verschwörung gab es nicht. Es gab noch nicht einmal Beweise, aus denen hervorginge, daß der Angeklagte wußte, daß die Kleinflugzeuge abgeschossen werden würden.

Die Verteidigung führte in präziser Form juristische Präzedenzfälle an, die festschreiben, daß "die vernünftige Schlußfolgerung -und nicht die bloße Spekulation- die Aufdeckung einer Verschwörung unterstützen sollen, wenn die Evidenz, auf der diese basiert, allein den Umständen entspricht und nicht direkt ist".

Die Staatsanwaltschaft hätte beweisen müssen, daß der Angeklagte vorsätzlich dazu bereit war, die Kleinflugzeuge abzuschießen, zu töten und daß dieser Akt illegal war.

Es gab nicht einen einzigen direkten Beweis. Es gab keinen einzigen, den Umständen entsprechenden Beweis, der den spezifischen Vorsatz oder die spezifische Absicht zu töten bewiesen hätte, ja nicht einmal den Beweis, daß es eine solche Verschwörung gab.

Durch einen nie dagewesenen Urteilsspruch wurde der Angeklagte wegen "Bereitschaft zum Töten" verurteilt, ohne daß die Existenz einer solchen Bereitschaft bewiesen worden wäre und ohne jegliche Verantwortung für die Todesfälle, mit denen man ihn in Verbindung bringen wollte.

Verletzungen (VI)

Verurteilung wegen Spionage ohne Beweis

Der den Angeklagten vorgeworfene Anklagepunkt Nr. 2, "Verschwörung zur Sammlung und Weiterleitung von Information über die nationale Verteidigung" (Spionage) erfordert "eine Absicht oder einen Grund, der glaubhaft macht, daß die gewollte Information zum Schaden der Vereinigten Staaten eingesetzt werden soll..."

Das Oberste Gericht erklärte in diesem Urteil –wie die Verteidigungsanwälte eindeutig feststellten-, daß die Tatbestandsmäßigkeit/Typizität der Handlung abhängig ist vom Verhältnis der Information zur nationalen Verteidigung und nicht von ihrem Verhältnis zu spezifischen Standorten.

Wie im Prozeß bewiesen, waren die Angeklagten in im Süden Floridas operierende konterrevolutionäre Organisationen "eingedrungen" mit dem alleinigen Ziel, ihre Heimat vor terroristischen Anschlägen dieser Gruppen der extremen Rechten zu schützen.

Im Fall von Antonio Guerrero, der der "Spionage" im Militärstützpunkt "Boca Chica" angeklagt ist, wurde bewiesen, daß er niemals eine Stellung innehatte, in der er Geheiminformationen hätte erhalten können. Er hatte weder diesbezügliche Kontakte, noch hatte er versucht, diese Informationen zu bekommen. Die für ihn verfügbare Information war öffentlich bekannt. Selbst Experten, die vor Gericht aussagten, wiesen darauf hin, daß in amtlichen Veröffentlichungen mehr Informationen verbreitet würden, als sich im Besitz der Angeklagten befänden und daß diese Informationen bekannter wären als jene, die die Regierung der Vereinigten Staaten täglich über das Satellitensysstem zusammenträgt.

Im Gesetz Nordamerikas von 1995 für den Bereich der Spionage ist im Abschnitt 1.1 unter anderen Absätzen festgelegt, daß "Nationale Sicherheit" nationale Verteidigung oder Auslandsbeziehungen der Vereinigten Staaten bedeutet; "Information" bedeutet jede Art von Kenntnissen, die mitgeteilt werden können, oder von dokumentarischem Material, das Eigentum der Regierung derVereinigten Staaten ist, von dieser oder für diese produziert wurde oder sich unter deren Kontrolle befindet; "Kontrolle" bedeutet die Autorität (einer Bundesbehörde), die die Information hervorbringt, um den Zugang zur Information zu regulieren; "Klassifizierte Informationen über die nationale Sicherheit" bezieht sich auf entsprechend dieser Anweisung festgelegte Informationen, die vor Verbreitung zu schützen und als klassifizierte Information gekennzeichnet ist, falls es sich um dokumentarische Informationen handelt.; "Schaden für die Nationale Sicherheit" bedeutet Beeinträchtigung der nationalen Verteidigung oder der Auslandsbeziehungen der Vereinigten Staaten.

Die Anwälte führten mehr als zehn juristische Präzedenzfälle an, in denen das Spionagedelikt auch die Besitznahme und die Weiterleitung von Geheiminformation einbezieht, die die Sicherheit der Vereinigten Staaten in Gefahr bringt.

In diesem Fall nahm man keine geheime oder klassifizierte Information in Besitz und es gab auch keine Beweise dafür, daß die Angeklagten versucht hätten, diese Information zu bekommen.

In einem nie dagewesenen Fall wurden die Angeklagten wegen vermeintlicher Spionage gegen die Vereinigten Staaten verurteilt, ohne daß Beweise vorgelegt worden wären oder es Zeugenausswagen gegeben hätte, aus denen hervorginge, daß sie Informationen erhalten oder gesucht hätten, um diesem Land Schaden zuzufgügen. Es gab Zeugen, die ausdrücklich verneinten, daß die Angeklagten Spionage verübt hätten: General Clapper, ehemaliger Chef der DIA (Geheimdienst des Pentagons), der als Experte der Staatsanwaltschaft vor Gericht erschien, sowie hohe Offiziere der Streitkräfte der Vereinigten Staaten, die von der Verteidigung als Zeugen vorgeschlagen worden waren wie die Generäle Wilhelm und Atkeson, Admiral Carroll und Oberst Buckner.

Der sogenannte "Spionageprozeß" hatte nicht einen einzigen Beweis, um die Angeklagten als Spione zu verurteilen. Selbst die Zeitung El Nuevo Herald, die sich nicht gerade durch ihre Sympathie für Kuba auszeichnet, veröffentlichte am 30. April 2001 -kurz vor Abschluß des Zeitraumes für die Vorlage und Analyse der Gerichtsbeweise- unter dem Titel "Staatsanwaltschaft im Fall der Spione kritisiert" folgendes:

"Seit den Verhaftungen, während der Organisationsphase des Prozesses, während der Sitzungen zur Auswahl der Geschworenen und in den ersten Darlegungen des Falles hat die Staatsanwaltschaft versichert, über ausreichend Beweise und Unterlagen über die vermeintlichen Spionageaktivitäten der Angeklagten zu verfügen. Jedoch einen Monat vor dem vorgesehenen Abschluß der Gerichtsverhandlung beklagen sich viele Beobachter und Führer der Gemeinschaft darüber, daß diese schlagenden Beweise durch Abwesenheit glänzten und daß es scheine, als habe die Verteidigung das kubanische Exil auf die Anklagebank gebracht... Wie die Dinge liegen (heißt es abschließend im Artikel), werden sie diese Spione freilassen..."

Die Beweise tauchten nicht auf, weil der militärische Sektor der Vereinigten Staaten im vermeintlichen kubanischen Spionagenetz kein Risiko für die nationale Sicherheit sah.

Dennoch wurden zum ersten Mal in der Rechtsgeschichte der Vereinigten Staaten Personen als Spione bezeichnet und wegen Spionage verurteilt, die keine geheimen Vorgänge observierten und keine Informationen darüber weiterleiteten, die die Sicherheit der Vereinigten Staaten schädigen, in Gefahr bringen oder deren Integrität in irgendeiner Weise beeinträchtigen hätten können. Sie observierten und informierten ausschließlich über Bewegungen jener Gruppen der kubanisch-amerikanischen extremen Rechten, die von jeher das Ziel verfolgten, terroristische Anschläge gegen Kuba zu verüben.

Es gab keinerlei Schäden, Beschädigungen, Beeinträchtigungenegen der Sicherheit und der Interessen der Nationalen Verteidigung der Vereinigten Staaten, nicht einmal eine gegen diese gerichtete Drohung.

Befindet sich die Information über die Aktionen der Organisation Hermanos al Rescate unter "Kontrolle" der Regierung der Vereinigten Staaten und steht sie in Zusammenhang mit der "nationalen Sicherheit" dieses Landes und beeinträchtigt diese?

Die Anklage, die Anklagepunkte, das Urteil und die Strafe manifestieren eine deutliche Verbindung zwischen der Regierung und der Organisation, zwischen den Aktionen der letzteren und der Toleranz und Protektion von seiten der ersteren.

Verletzungen (VII)

Die Doktrion des Staatsakts wurde nicht respektiert

Die Doktrin des Staatsakts hat ihren Ursprung und ihre Basis im Souveränitätsprinzip der Staaten, bedingt durch die Notwendigkeit, daß diese die von ausländischen Regierungen auf dem Territorium ihres Staates vorgenommenen Handlungen respektieren – zugunsten der Achtung und der friedlichen Beziehungen in der Internationalen Rechtsgemeinschaft.

Die Doktrin ist stark mit dem Common Law verwurzelt, denn sie besteht seit 1674 in England und wurde 1897 vom Obersten Gericht der Vereinigten Staaaten im nordamerikanischen Common Law festgelegt.

Die Doktrin des Staatsakts wurde mehr als 60 Jahre später vom Obersten Gericht der Vereinigten Staaten im bekannten Fall der Banco Nacional de Cuba (Nationalbank Kubas) gegen Sabatino (1964) bestätigt. Das Gericht lehnte es ab, sich zur Rechtsgültigkeit einer von der kubanischen Revolutionären Regierung vorgenommenen Enteignung des Besitzes eines nordamerikanischen Zucker-Unternehmens (Produktion und Export) zu äußern. In diesem Fall legte das Oberste Gericht fest:

"Zuzulassen, daß die Rechtsgültigkeit von Handlungen eines souveränen Staates von den Gerichten eines anderen Staates überprüft und vielleicht geahndet wird, würde eindeutig die friedlichen Beziehungen der Regierungen in Gefahr bringen und den Frieden unter den Nationen beeinträchtigen".

Im Urteil über den Fall Sabatino hielt sich das Oberste Gericht an die Doktrin des Staatsakts und führte keine Untersuchungen durch, weil es der Meinung war, daß die vom Kläger angeführte vermeintliche Verletzung des Völkerrechts nicht zu seinen Obliegenheiten gehörte. Das Gericht vermied es auf diese Weise, über Handlungen zu befinden, die von einer ausländischen Regierung in Ausübung ihrer Souveränität vorgenommen worden waren.

Nach dem Fall Sabatino haben die Gerichte der Vereinigten Staaten die Doktrin des Staatsaktes in zahlreichen Fällen angewandt. Dazu gehören die Löschung einer Staatsschuld mittels Gesetz, die Änderung der Route für Touristenflüge u. v. a. . Der Beklagte oder Angeklagte wurde dabei vor den US-Gerichten nicht der vorgeworfenen Handlung für schuldig befunden, da diese als Handlungen angesehen wurden, die von einer ausländischen Regierung in Ausübung der Souveränität und der Unabhängigkeit eines jeden Staates vorgenommen worden waren.

Wie der Verteidigungsanwalt von Gerardo Hernández Nordelo, Paul McKenna, im Memorandumg zur Unterstützung des "Antrags der Angeklagten auf Freispruch in den Anklagepunkten 2 und 3" –dieser Antrag wurde dem Gericht eingereicht, um die Anklagepunkte "Verschwörung, um Mord zu begehen und Verschwörung, um Spionage zu betreiben" anzufechten- eindeutig darlegte, ließ eine minutiöse Revision des "legalen Typs" keine Zweifel aufkommen, denn der legale Präzedenzfall verbot es dem Bundesgericht von Miami und der Richterin Joan Leonard darüber zu befinden, ob der Akt des Abschusses eines Flugzeugs durch die kubanischen Behörden Mord war oder nicht. Denn diese Beurteilung oder Beweisführung erforderte, daß sich dieses Gericht für kompetent erklärte, ein Urteil über die Legitimität der Handlungen der kubanischen Regierung abgeben zu können, was ihm laut Doktrin des Staatsakts untersagt war.

Es wurde nicht mehr darüber diskutiert, ob der Abschuß der Kleinflugzeuge als ein legitimer Verteidigungsakt des kubanischen Saates gerechtfertigt war oder nicht. Es wurde auch nicht diskutiert, ob die Handlung von Gerardo -als er über die Flüge der Organisation Hermanos al Rescate nach Kuba informierte- von Notstand, vom Recht des Volkes und der Regierung Kubas auf Verteidigung vor externer Aggression, vor Terrorismus legitimiert war. Diskutiert wurde ebenfalls nicht darüber, daß Gerardo es nicht gewesen sein konnte, der die Nachricht über den wahrscheinlichen Flug der Organisation Hermanos al Rescate am 24. Februar 1996 übermittelt hat, da er sich zu diesem Zeitpunkt nicht in den Vereinigten Staaten befand, wie aus dem Eintrag über Ein- und Ausreise in seinem Paß hervorgeht.

Alle diese Gründe hätten einen Freispruch gerechtfertigt.

Bei dieser Motion ging es um etwas viel Einfacheres und Elementares unter dem Schutz des Völkerreechts und des juristischen Präzedenzfalles vor den Gerichten der Vereinigten Staaten. Getrennt werden sollte die Handlung Gerardos von dem Tatbestand des Abschusses der Kleinflugzeuge, denn letzterer entspricht den Streitkräften Kubas in einem Staatsakt, über den Gerardo überhaupt keine Befugnis und keine Entscheidungsgewalt hatte.

Dieser Anklagepunkt war von der Staatsanwaltschaft eingebracht worden, augenscheinlich mit dem Ziel, den Prozeß noch mehr zu politisieren und die Stimmung der antikubanischen extremen Rechten in Miami anzuheizen.

Dennoch wurde dieser Antrag abgewiesen. Das Gericht (erst die Geschworenen und dann die Richterin), das keinerlei Befugnis oder Kompetenz hat, über die Handlungen der Regierung Kubas zu befinden, nahm zu dem Tatbestand Stellung und betrachtete diesen als Delikt. Ohne jeden Beweis brachte es Gerardo damit in Verbindung, was zweifellos eine grobe Verletzung der Doktrin des Staatsaktes, d.h. des nordamerikanischen juristischen Präzedenzfalles und des Völkerrechts darstellt und seinen Ausdruck in einer unglaublichen und absurden Ungerechtigkeit findet.

Verletzungen (VIII)

Verletzung der Doktrin der souveränen Immunität

Ebenso wie der Staatsakt hat der nordamerikanische juristische Präzedenzfall, geschaffen durch mehrere Urteilssprüche des Obersten Gerichts der Vereinigten Staaten, das allgemeine Immunitätsprinzip eines ausländischen Staates respektiert, wenn es darum ging, diesen der Gerichtsbarkeit und Kompetenz der Gerichte der Vereinigten Staaten zu unterstellen. Bei diesem Prinzip auf der Grundlage des Gesetzes über Ausländische Immunität und Souveränität von 1976, das die restriktive Theorie der Immunität kodifizierte, gab es nur wenige Ausnahmen, z. B. wenn ein Staat auf kommerziellem Gebiet agiert.

Ausgehend von dieser Doktrin wurde die Immunität ausschließlich in Fällen angewandt, in denen die Aktivität, mit der der ausländische Staatsakt in Zusammenhang steht, von einem Akt öffentlichen Charakters ausgeht, d.h. in denen es sich um einen Regierungsakt oder um einen Akt des "Öffentlichen Rechts", an denen der Staat beteiligt ist – und nicht um kommerzielle oder geschäftliche Handlungen, an denen der Staats als Rechtssubjekt beteiligt ist- handelt.

Mehrere Urteile haben ausreichend juristische Präzedenzfälle geschaffen, die diese Doktrin aufgreifen: Van Bokkelen gegen Griman Aerospace Corp. N.Y., 1977; Arango gegen Guzmán Travel Advisor Corp. (5 Distrikt, 1980); MD Incorporation gegen The Peoples Republic of Bangladesh (On. 1983) und Fromla gegen UdSSR (5. Distrikt 1985)

Aus diesem Grunde heißt es in der spezialisierten Doktrin, daß die Juristische Gewalt, d.h. in diesen Fällen die Bundesgerichte, ermächtigt sind, ausländischen Staaten bei der Führung der Angelegenheiten mit externen Verbindungen souveräne Immunität zu gewähren.

In diesem Sinn haben die spezialisierte Doktrin und die nordamerikanische Jurisprudenz (juristischer Präzedenzfall) wiederholt festgestellt, daß das Fehlen dieser Analyse, d.h. einer Bewertung für die mögliche Anwendung der Doktrin der souveränen Immunität in den Fällen mit externen Verbindungen oder Verbindungspunkten zur Handlung eines ausländischen Staates zu Ungerechtigkeiten führen kann, wie im Fall unserer fünf Landsleute geschehen.

Wie daraus ersichtlich ist, scheuten sich die Staatsanwaltschaft, das Geschworenengericht und die Richterin in ihren jeweiligen Bereichen –die Richterin mit besonderer Verantworung wegen ihrer führenden Rolle bei der Verhandlung- nicht nur davor, die V.Verfassungänderung der Vereinigten Staaten über einen ordnungsgemäßen Prozeß und die VI. Änderung bezüglich der Unparteilichkeit des Geschworenengerichts und juristischer Präzedenzfälle zu deren Instrumentalisierung, die VIII. Änderung bezüglich der Haftbedingungen, die in weiteren juristischen Präzedenzfällen enthaltenen Doktrinen –die in den Vereinigten Staaten Rechtsquellen darstellen, die auf den Fall anwendbar sind- und Normen des Völkerrechts zu verletzen, sondern sie unterminierten außerdem mit ihrer Handlungsweise auch das Wesen des Systems, das sie repräsentieren, denn –wie das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten selbst urteilte- "kann nichts die Regierung schneller zerstören als die Nichtbeachtung ihrer eigenen Gesetze und Garantien".

Verletzungen (IX)

Eine weitere Verletzung

Vor einigen Tagen wurde die Nachricht bekannt, daß Adriana Pérez O’Connor, Ehefrau von Gerardo Hernández Nordelo, vom FBI auf dem Flughafen von Houston verhaftet wurde, als sie nach Kalifornien reisen wollte, um ihren Ehemann zu besuchen, der im Gefängnis von Lompoc eine ungerechte Strafe verbüßt.

Adriana hat weder ein Vergehen begangen, noch irgendeine Einwanderungsvorschrift verletzt. Vor den nordamerikanischen Behörden besteht ihre einzige "Sünde" darin, die Ehefrau von Gerardo zu sein und Gebrauch von dem Recht eines jeden Häftlings auf den Besuch seiner Angehörigen machen zu wollen.

Was legt das Gesetz fest?

Wir Kubaner wissen, daß Gerardo Hernández Nordelo kein Verbrecher ist. Er ist ein Patriot. Vom juristischen Standpunkt aus ist er höchstens ein politischer Häftling.

Sehen wir uns einmal an, was das Völkerrecht und das nordamerikanische Gesetz selbst für die "Behandlung von Delinquenten" festlegen.

Eine der ersten Fragen, um die internationale Aufmerksamkeit auf die Prävention von Delikten und auf die Strafjustiz zu lenken, war zweifellos die Behandlung des Delinquenten.

Die Internationalen Kongresse für Straf- und Vollzugsrecht, die den Kongressen der heutigen Organisation der Vereinten Nationen (UNO) über Themen in Zusammenhang mit dem Strafrecht vorausgingen, konzentrierten sich vor allem auf die wichtigste Antwort, die auf ein Vergehen gegeben werden sollte. Es geht nicht darum zu bestrafen, sondern um die Behandlung, die der Häftling erfahren soll. Diese Studien und Abhandlungen im Ergebnis der weltweiten Besorgtheit waren wertvolle Vorläufer dafür, daß die UNO im Jahre 1955 die "Mindestregeln für die Behandlung von Häftlingen" annehmen konnte, die später vom Wirtschafts- und Sozialrat in seiner Resolution 663 vom 31. Juli 1957 gebilligt wurde.

Die Regeln verkörpern die Prinzipien der Menschlichkeit, die Achtung vor der Menschenwürde, die sozialen Zielstellungen und die administrative Tätigkeit und bilden eine kohärente und effektive Basis für die Verwaltung der Strafvollzugssysteme. Sie repräsentieren Minimalbedingungen, die von der internationalen Gemeinschaft für die Behandlung von Häftlingen anerkannt wurden. Ihre Absicht ist der Schutz der Häftlinge vor Mißhandlungen, besonders im Hinblick auf die Disziplin und den Einsatz von Zwangsmaßnahmen in Vollzugsanstalten.

Auf späteren Kongressen wurden dann die Verfahren für eine wirksame Anwendung dieser Regeln festgelegt, darunter die 1985 angenommenen Empfehlungen zur Behandlung von Ausländischen Häftlingen und die 1990 gebilligten Grundprinzipien der Behandlung von Häftlingen.

Die "Empfehlungen" basieren auf der Gleichheit der Häftlinge, um jegliche Diskriminierung aus Gründen der Nationalität (Staatsangehörigkeit) oder der nationalen Herkunft auszuschließen.

Sie gehen aus vom gleichen Zugang der ausländischen Häftlinge zur Bildung, zur Arbeit und zur beruflichen Qualifizierung, von der Gleichheit der Rechte auf Entscheidung über Ersatzmaßnahmen für das Gefängnis und von der Achtung ihres religiösen Glaubens und ihrer religiösen Gebräuche. Vor allem schließen sie eines der Grundrechte eines jeden Menschen, der in einem anderen Land eine Haft verbüßt, ein, nämlich sein Recht auf Verbindungen zu den Konsularbehörden seines Landes und zu seinen Angehörigen.

Die "Prinzipien" bestätigen bestimmte Grundrechte der Häftlinge und legen u. a. fest, daß jeder Häftling mit der gebotenen Achtung vor der dem Menschen innewohnenden Würde und vor den ihm innewohnenden Werten und ohne jegliche Diskriminierung behandelt werden muß, was selbstverständlich auch das Recht auf Kontakt zu seinen Angehörigen einschließt.

Im vorliegenden Fall wurden die "Regeln" und "Prinzipien" völlig ignoriert oder, besser gesagt, verletzt. Die "Empfehlungen wurden mit Füßen getreten.

Doch es geht nicht nur um die Verletzung der Regeln des Völkerrechts –wozu schon einiges gehört, denn diese sind den edelsten Gefühlen der Menschheit für die Achtung der Menschenwürde geprägt-, sondern auch um die Verletzung der Bundesstrafvollzugsvorschriften der Vereinigten Staaten, das ebenfalls das Recht eines jeden Häftlings auf Kontakt zu seinen Angehörigen festschreibt.

Aber mehr noch. Adriana hatte das Visum oder die Gegenehmigung für die Einreise in die Vereinigten Staaten legal beantragt und war dafür zugelassen worden, d.h. sie war von den nordamerikanischen Einreisebehörden als "ausgesucht" eingestuft worden, um in dieses Land einreisen zu können. Welchen Zweck hätte es sonst gehabt, ihr das Visum zu erteilen?

Aber kaum hatte Adriana nordamerikanischen Boden betreten, wurde sie verhaftet, isoliert und von den kubanischen Konsularbehören ferngehalten, womit auch das Recht eines jeden Ausländers auf Kontakt zu dem im betreffenden Land akkreditierten diplomatischen Personal und auf konsularischen Beistand verletzt wurde. Anschließend wurde Adriana -ohne den Beistand eines Rechtsanwaltes und ohne vorherige Angabe von Gründen für die Verhaftung- mehrere Stunden lang verhört.

Sie war keine illegale Einwanderin, sondern eine einreiseberechtigte ausländische Besucherin. Damit wurden die für die Verhaftung und das Verhör von Persoenen festgelegten Verfügungen verletzt, die in der V. Änderung der nordamerikanischen Verfassung enthalten sind.

Später wurde sie gezwungen, nach Kuba zurückzukehren. Schließlich sagte man, sie hätte das "freiwillig" getan und führte an, "sie hätte ein Dokument unterschrieben, in dem das zugegeben wird". Greift die nordamerikanische Rechtsprechung vielleicht die gewohnheitsmäßige Zustimmung nicht auf? Hat sie den Schmerz, die Nötigung und die Einschüchterung vergessen, die die Rechtsprechung und der juristische Präzedenzfall der Vereinigten Staaten als Faktoren anerkennen, die eine Willensbekundung ungültig machen.

Kurz gesagt: Es wurden internationale Verträge und Konventionen; Regeln, Empfehlungen und Prinzipien; Strafvollzugsvorschriften, Einreisebestimmungen und Verfügungen des Ausländerstatus sowie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verletzt und die die nordamerikanische Verfassung verhöhnt.

Im Fall unserer fünf Helden wurde noch eine weitere Verletzung begangen.

Verletzungen X

Fälschungen der Staatsanwaltschaft

Am vergangenen Dienstag, den 12., startete Dr. Leonard Weinglass, Anwalt von Antonio Guerrero, beim Bundesgericht des Süddistrikts Floridas, in Miami, eine Aktion zur Verteidigung unserer fünf unrechtmäßig verurteilten Landsleute. Er reichte einen Antrag auf Niederschlagung des bisherigen Verfahrens und Durchführung einer neuen Gerichtsprozesses ein –ausgehend von der Regel 33 des nordamerikanischen Gesetzes über Bundes-Strafverfahren, das einen neuen Prozeß "im Interesse der Gerechtigkeit" zuläßt, wenn Beweise für die Verletzung der Verfassung erbracht werden. Der von Dr. Weinglass eingereichte Antrag legt weitere, während des Prozesses begangene Verletzungen offen, die zu den hier bereits kommentierten noch hinzukommen. Dazu gehören böswillige Fälschungen der Staatsanwaltschaft.

Als die Verteidigungsanwälte der fünf kubanischen Patrioten in Gefangenschaft der Vereinigten Staaten Anfang 2000 beim Bundesgericht des Süddistrikts Floridas, in Miami, einen Antrag auf Änderung des Gerichtsortes einreichten, leitete die Richterin, Joan Lenard, diesen an die Staatsanwaltschaft weiter, die in Übereinstimmung mit den Festlegungen des Bundesstrafverfahrens dazu Stellung nehmen sollte.

Die Anwälte begründeten ihren Antrag mit dem Recht auf ein Urteil durch ein unparteiisches Geschworenengericht, wie es die VI. Änderung der nordamerikanischen Verfassung vorsieht, die gleichzeitig die Gewähr für einen ordnungsgemäßen Gerichtsprozeß entsprechend der V. Verfassungsänderung bietet und eines der Grundrechte darstellt, die dem Strafprozeß im System des Common Law zugrunde liegen.

Als Teil der legalen Begründung ihres Antrags führten die Anwälte mehrere Präzedenzfälle an, d.h. sie stützten sich auf Lösungen, die von Gerichten der Vereinigten Staaten in ähnlichen Fällen gefunden worden waren. Die Doktrin der "juristischen Präzedenzfälle" ist eine Form der Schaffung des Rechts in den Vereinigten Staaten. Sie stützt sich auf das Prinzip der historischen Kontinuität. Mit anderen Worten: Sowohl die Gerichte als auch die Parteien sind verpflichtet, das Recht im Einklang mit den vorherigen Entscheidungen über den strittigen Punkt zu respektieren, zu interpretieren und anzuwenden.

Zu diesem Zweck führten die Anwälte u. a. den Fall Pamplin gegen Mason (5. Distrikt, 1964) an, in dem der Wechsel des Gerichtsortes wegen äußerer Beeinflussung –provoziert durch in der Gemeinschaft weit verbreitete und tiefverwurzelte rassistische Vorurteile- verfügt wurde. Die Doktrin des Falles Pamplin basiert auf einem Vorurteil der Gemeinschaft gegen eine besondere Kategorie von Angeklagten, auf einem weit verbreiteten und verwurzelten äußeren Einfluß gegen eine Zielgruppe, gegen einen bestimmten Typ von Angeklagten. Im Fall Pamplin bestand der äußere Einfluß in der Feindseligkeit der Gemeinschaft gegenüber Farbigen. In unserem Fall ist es die Feindseligkeit gegen alle, die mit Kuba sympathisieren oder dieses Land unterstützen.

Als der Staatsanwalt zum Antrag der Anwälte Stellung nehmen sollte, widersetzte er sich dem Ortswechsel und führte an, daß der Fall Pamplin gegen Mason nicht anwendbar sei, weil Miami keine kleine Gemeinschaft, sondern ein politisch nicht einhelliges städtisches Zentrum von großer Verschiedenartigkeit und folglich immun gegen äußere Einflüsse sei, die die Auswahl eines unparteiischen Geschworenengerichts verhindern könnten.

Diese Begründung wurde von der Richterin unter Mißachtung des Antrags auf Ortswechsel gebilligt.

Vor einigen Monaten, am 25. Juni 2002, stellte die gleiche Staatsanwaltschaft in einem Verfahren gegen den Generalstaatsanwalt der Vereinigten Staaten, in Miami, einen Antrag auf Ortswechsel -ausgehend vom Fall Pamplin gegen Mason-, weil sie der Meinung sei, daß es in Miami tiefverwurzelte Gefühle und Vorurteile gäbe, die in einem mit Kuba in Zusammenhang stehenden Fall Einflüsse von außen auf die Geschworenen ausüben würden. Das Unglaubliche ist, daß der Staatsanwalt diesen Antrag in einem Zivilprozeß, in einer Beschwerde gegen den Generalstaatsanwalt (Fall Ramírez gegen Ashcroft) stellt, der nur am Rande mit Kuba zu tun hat (Ramírez war Offizier der Einreise- und Einbürgerungsbehörde der Vereinigten Staaten -INS-, der zur operativen Gruppe gehörte, die am 22. April 2000 Elian befreite und den Staatsanwalt wegen vermeintlicher Diskriminierung im Büro des INS in Miami verklagte). Zudem stellt der Staatsanwalt diesen Antrag zwei Jahre nach dem endgültigen Abschluß des Falles Elián.

Das Verfahren gegen unsere fünf Landsleute ist aber ein Strafprozeß, in das diejenigen direkt einbezogen sind, die einen Ortswechsel fordern, und in dem die Verteidigung Kubas, der Kampf gegen terroristische Organisationen in Miami zu Debatte stehen, und das zufällig in dem Moment stattfand, als der Fall Elián seinen Höhepunkt erreicht hatte.

Es ist offensichtlich, daß die Staatsanwaltschaft die Wahrheit über Miami sowie die Interpretation und den Wert des Präzedenzfalles, der mit dem Fall Pamplin geschaffen worden war, fälschte, um das Gericht zu beeinflussen und den Antrag auf Ortswechsel abzulehnen. Damit setzte sie sich nicht nur über ihre Pflicht hinweg, Tatbestände oder rechtliche Interpretationen weder zu entstellen noch zu fälschen, sondern verletzte auch ihre Verantwortung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Prozesses und hinsichtlich der Rechte der Angeklagten.

Der auf neuen Beweisen basierende Antrag von Dr. Weinglass enthüllt diese böswillige und betrügerische Handlungsweise, die –wie Dr. Weinglass selbst es bezeichnet- eine Verhöhnung des nordamerikanischen Rechtssystems darstellt.

Die Richterin des Bundesgerichts von Miami hat jetzt die Möglichkeit, ihr zweifelhaftes Verhalten zu korrigieren, Gerechtigkeit walten zu lassen und den Versuch zu unternehmen, die schwer beschädigte Ehre des nordamerikanischen Rechtssystems wieder herzustellen. Tut sie das nicht, wird dieser Antrag der beim 11. Distrikt von Atlanta eingereichten Appellationsakte hinzugefügt werden. Wir werden sehen.

Verletzungen XI

Ungewöhnliche Verfahren und Fehler der Richterin

Im August 1999 reichte der Verteidigungsanwalt von Ramón Labañino, Dr. William Norris, eine Motion ein, in der das Gericht gebeten wurde, die Bereitstellung von Fonds zu genehmigen, um eine Umfrage zur Begründung der Notwendigkeit eines Wechsels des Gerichtsortes durchführen zu können mit dem Ziel, unparteiische Geschworene für eine Gerichtsverhandlung außerhalb von Miami zu bekommen.

Eine Motion ist ein schriftlich begründeter Antrag, der eine gerichtliche Verfügung oder mildernde Umstände erwirkt. Die Bedingung "ex parte" leitet sich aus ihrem nicht strittigen Charakter her, d. h. es geht um etwas, das zwischen der die Motion einreichenden Seite und dem Gericht gelöst werden soll. Dieser Antrag ist darauf zurückzuführen, daß Dr. Norris –ebenso wie die anderen Verteidigungsanwälte unserer Landsleute- im Prozeß als vom Gericht entsprechend dem Pflichtverteidigungssystem der Vereinigten Staaten benannter Pflichtverteidiger auftrat. Aus diesem Grunde muß er bei Gericht eine Genehmigung erwirken, um zu Lasten des Budgets für öffentliche Verteidigungen die Ausgaben decken zu können, die für ihn in Ausübung der zugewiesenen Verteidigung entstehen.

Die Umfrage sollte von Dr. Gary Morán durchgeführt werden, der repräsentativ 300 Personen von Miami-Dade befragen sollte, um die Meinung von Leuten zu erfahren, die möglicherweise die Funktionen von Geschworenen ausüben könnten.

Zwei Monate später informierte die Richterin die Staatsanwaltschaft -unter Verletzung der Kondition "ex parte"- über den Antrag, obwohl die Erfahrung zeigt, daß die Regierung, d.h. die Staatsanwaltschaft, sich nicht in Fragen von Geldanträgen an die Verwaltung des Strafrechts einmischt. Wie zu erwarten war, widersetzte sich die Staatsanwaltschaft und negierte die Notwendigkeit eines Umfrage-Spezialisten. Zudem griff sie den vorgeschlagenen Experten an und bezichtigte ihn der Parteilichkeit für die Verteidigung.

Diese von der Richterin begangene Verletzung war (wie der Anwalt Dr. Weinglass es in seinem kürzlich eingereichten Antrag auf eine neue Gerichtsverhandlung deutlich darlegte) die erste von weiteren Verletzungen und Fehlern, die den Wert des entscheidenden Beweises, d.h. der von der Verteidigung vorgeschlagenen Umfrage, untergruben.

Am 15. November verfügte das Gericht die Annahme der Umfrage und genehmigte die Mittel zur Finanzierung der Studie. Monate später lehnte es die Umfrage unter dem Vorwand ab, das Muster wäre zu klein, um für die als mögliche Geschworene in Frage kommende Bevölkerung in der Grafschaft Miami-Dade repräsentativ zu sein. Doch der Verteidigung wurde dieses Kriterium über den Umfang des statistischen Musters nicht mitgeteilt, weshalb die Anwälte ihr Recht auf Verteidigung dieses Punktes nicht ausüben konnten.

Zudem wurden vom Gericht bürokratische Hindernisse in den Weg gelegt, die die Rückerstattung der Kosten der Umfrage an den Spezialisten erschwerten und verzögerten, weshalb Dr. Morán sich mit dem Verteidigungsanwalt überwarf, weil er diesen für den Vorfall verantwortlich glaubte, und sich von dem Fall zurückzog. So hatte die Verteidigung keine Möglichkeit, die Darlegungen der Staatsanwaltschaft über die Methodik der Umfrage in der Gerichtsverhandlung, in der diese Frage behandelt wurde, zurückzuweisen.

Monate später, nachdem die Richterin am 27. Juli 2000 den Antrag auf Ortswechsel abgelehnt hatte, erhielt Dr. Morán eine Kopie der Kriterien der Richterin, die die Ergebnisse der von ihm durchgeführten Umfrage zurückwies. Zu diesem Zeitpunkt hatte Dr. Morán bereits keine Verbindung mehr zu den Verteidigungsanwälten. Er hatte sogar eine Beschwerde gegen den Anwalt, der seine Studie beantragt hatte, eingereicht, weil dieser ihm die Bezahlung nicht garantieren konnte. Da Dr. Morán keinen Kontakt mehr zur Verteidigung hatte, wandte er sich in einem Schreiben direkt an das Gericht, in dem er darauf hinwies, daß man einen schwerwiegenden Fehler begangen habe, weil die Umfrage allein wegen ihrer statistischen Dimension abgelehnt worden sei. Wichtig ist auch, daß zu diesem Zeitpunkt eine von der Verteidigung eingereichte Motion gegen die Ablehnung des Ortswechsels noch nicht entschieden war. Trotzdem hat die Gerichtssekretärin die Anwälte nicht über die Mitteilung von Dr. Morán informiert. Auf diese Weise konnte die Verteidigung bei der Gerichtsverhandlung, in der der Ortswechsel zur Debatte stand, nicht auf die Anwesenheit dieses Spezialisten zählen, ebensowenig auf seine wertvollen Argumente für den Antrag zur Anfechtung dieser verhängnisvolle Entscheidung der Richterin.

Der Verlust der entscheidenden Zeugenaussage dieses Experten in einer Frage von besonderer Bedeutung und die den Tatsachen widersprechenden Fälschungen im Zusammenhang mit dem Ortswechsel verhinderten die Ausübung der Rechte der Angeklagten auf ein ordnungsgemäßes Verfahren und auf eine Verhandlung mit unparteiischen Geschworenen, wie sie in der V. und VI. Änderung der Verfassung der Vereinigten Staaten festgeschrieben sind.

Verletzungen XII

Manipulierung der Beweise

Die Bundes-Beweisvorschriften der Vereinigten Staaten legen die Bedingungen für die Echtheit der Dokumente fest, die in einem Gerichtsprozeß als Beweise dienen sollen. Diese Regeln sind durch das Vorlage- und Aufdeckungssystem gekennzeichnet, dementsprechend der Staatsanwalt verpflichtet ist, den Angeklagten die Namen und Anschriften aller bekannten Personen mitzuteilen (oder ihnen Einsicht zu gewähren), die Informationen oder Kenntnisse über die zur Last gelegten Fakten haben können; ebenso ist er verpflichtet, den Angeklagten schriftliche Erklärungen oder Tonaufnahmen, jeden Gegenstand oder jedes Dokument, das während der Gerichtsverhandlung verwendet wird, kurz gesagt, alle Informationen, die sich unter seiner Kontrolle befinden und mit dem Fall in Zusammenhang stehen -auch jene, die dazu tendieren, den Angeklagten von der Schuld freizusprechen- zur Verfügung zu stellen. Umgekehrt ist die Verteidigung ihrerseits verpflichtet, dem Staatsanwalt Informationen über Beweise, die sie während der Verhandlung zu verwenden gedenkt, zur Verfügung zu stellen.

Die Vorlage der Beweise ist eine der wichtigsten Etappen des Strafprozesses. Jeder unter Verletzung eines Rechts der Angeklagten eingeholte Beweis darf nicht verwendet werden, und jeder nachfolgende Beweis infolge des vorherigen, illegal beschafften Beweises kann laut der als "Frucht vom vergifteten Baum" bekannten Doktrin ebenfalls ausgeschlossen werden.

Die Beweisgesetze legen die Definitionen einer jeden Beweis-Typologie und die Regeln für ihre Einführung und Zulässigkeit fest und stellen einen der kompliziertesten Bereiche der Strafverfahrens dar. In dieser Frage versichern die Experten, daß einer der am meisten verbreiteten Gründe für den Erfolg einer Appellation in einem Fehler bei der Zulassung oder dem Ausschluß eines Beweises besteht. Daher müssen die Anwälte während eines Prozesses immer Einspruch erheben, wenn der Richter die Einführung eines evtl. ungeeigneten Beweises zuläßt; andererseits müssen sie auch immer dann Einwände geltend machen, wenn der Richter die Zulassung eines Beweises ablehnt, der als geeignet oder möglich angesehen wird. Kurz gesagt, der Anwalt muß immer auf der Lauer sein, um möglicherweise Einspruch zu erheben, wenn es um einen Beweis geht, den der Staatsanwalt einführen will; seinerseits muß er seine eigenen Beweise sorgfältig beibringen und sich jeder evtl. Ablehnung derselben durch den Richter widersetzen.

Im Verfahren gegen unsere fünf Helden, die zu Unrecht in den Vereinigten Staaten in Haft sind, wurden diese Prinzipien verletzt. Schon frühzeitig hat die Regierung den Zugang der Verteidigung zur Dokumentation, die sie als Beweise vorzulegen beabsichtigte, behindert. Um das zu erreichen, "steckten sie die Angeklagten in ein Loch und die Dokumentation in ein anderes" wie Lic. Rafael Anglada (ein puertorrikanischer Anwalt, der dem Beraterteam der Verteidigung angehörte) es zum Ausdruck brachte. Bekanntlich wurden die Angeklagten 17 Monate lang unter inhumanen Bedingungen in einer Art Verlies, genannt "das Loch", gefangen gehalten, während die Unterlagen in einem Raum mit begrenztem Zugang aufbewahrt wurden, eine andere Art Loch voller Aktenbündel und Tausender von Seiten, in das man nur nach vorheriger Absprache und für kurze Zeit gelangen konnte, was eine Kenntnis der Dokumente praktisch unmöglich machte.

Um die Prozeßunterlagen auf diese Weise zu handhaben, wandte die Regierung das CIPA (Classified Information Procedures Act), d.h. das Gesetz über Verfahren bei Klassifizierter Information, an und versiegelte die gesamte Dokumentation seit der Gerichtsverhandlung vom 26. Mai 1999.

Vor allem ist zu sagen, daß die unter CIPA klassifizierten Dokumente weder offizielle Dokumente, noch Dokumente der Regierung waren, sondern mit den Angeklagten in Zusammenhang standen. Daher war die Anwendung des genannten Gesetzes unangebracht, denn dieses beabsichtigt, Dokumente von nationalem Interesse vor der Kenntnis und Verbreitung durch Fremde zu schützen. Auch in der Annahme, daß es sich um Information handelte, die unter CIPA zu klassifizieren ist –was nicht zutrifft- wäre die Regierung verpflichtet gewesen, der Verteidigung eine Aufstellung aller Dokumente, die sie als dokumentarische Beweise verwenden wollte, zu übergeben, einschließlich einer kurzen Beschreibung über deren Inhalt. Sie hätte dabei die vermeintlich klassifizierte Information und die Grundlagen, warum diese Dokumente als klassifiziert zurückgehalten wurden, d. h. die Gründe, warum sie als klassifizierte Information eingestuft werden, nicht offenlegen müssen. All das wurde nicht eingehalten.

Der kürzlich von Dr. Weinglass, Anwalt von Antonio Guerrero, eingereichte Antrag fordert vom Gericht entweder die Regelung dieser ungewöhnlichen Verfahrensweise und die Übergabe einer angemessenen Beschreibung der Dokumente oder eine Gerichtssitzung, um den Umgang mit dieser Dokumentation festzulegen, so daß die Verteidigung Zugang zu den während des Prozesses verwendeten Beweisen bekommt. Auch der Anwalt von Fernando González und die anderen Anwälte reichten diesbezügliche Anträge ein.

Die Manipulierung der Beweise durch die Regierung beraubte die Angeklagten der Möglichkeit, Einspruch gegen alle nicht zutreffenden Beweise einzulegen. Dies war eine weitere Verletzung des "ordnungsgemäßen Gerichtsprozesses", der laut V. Änderung der Verfassung der Vereinigten Staaten angeblich jedem Angeklagten zu gewähren ist. Niemand kann sich verteidigen, wenn er das, wessen er angeklagt wird, nicht kennt und wenn er den Beweis nicht kennt, der die begangene Tat, seine Beteiligung und den gemäß den allgemeinen Prinzipien des Strafrechts verursachten Schaden belegt.

Verletzungen XIII

Eine weitere Änderung der Regeln

Der von Leonard Weinglass, Verteidigungsanwalt von Antonio Guerrero, vor dem Bundesgericht von Miami eingebrachte Antrag macht deutlich, wie die amtierende Richterin des Prozesses (Joan Lenard) in der Anweisung vom 27. Juli 2000, die den Ortswechsel ablehnt, wiederum die festgelegten gesetzlichen Regeln veränderte.

Eine dieser Regeländerungen war die Bewertung des juristischen Präzedenzfalles, um die Umfrage von Dr. Morán zu entkräften und den Ortswechsel zurückzuweisen. Dazu berief sie sich auf den juristischen Präzedenzfall: "Vereinigte Staaten gegen Fuentes Coba", der 1984 vom 11. Appellationsdistrikt mit Sitz in Atlanta entschieden wurde. In diesem Fall wurde die Auffassung vertreten, daß die Umfrage, aus der sich Vorurteile gegen die kubanische Regierung ergaben, keinen Ortswechsel rechtfertigte. Dabei ging es aber um einen ganz anderen Fall, denn Fuentes Coba war ein Unternehmer der Vereinigten Staaten, den man "kommerzieller Beziehungen zu Kuba unter Verletzung des Embargos" (Blockade) angeklagt hatte.

Es ging also um einen Geschäftsmann, der in jenem Umfeld, d.h. in Miami, lebte und seine Geschäfte betrieb, und nicht um in terroristische Organisationen eingedrungene kubanische Agenten. Es ging um jemanden, dessen Handlung darin bestand, Geschäftsbeziehungen zu kubanischen Unternehmen herzustellen mit der Absicht, Geschäfte und Gewinne zu machen, und nicht um kubanische Revolutionäre, die bemüht waren, gegen Kuba gerichtete Aktionen zu vereiteln. Es handelte sich um jemanden, der während des Prozesses sein "Nichteinverständnis mit dem Castro-Regime" zugab, und nicht um einen Verteidiger der Revolution. Ganz offenkundig hat der Beschluß, demgemäß der Unternehmer in Miami unparteiisch abgeurteilt werden konnte –auch wenn das anfechtbar ist- nichts zu tun mit dem Fall der fünf kubanischen Patrioten, in dem diese als Terroristen hingestellt und nicht als Kämpfer gegen den Terrorismus angesehen werden und in dem die Vorurteile in der Gemeinschaft die Auswahl eines unparteiischen Geschworenengerichts unmöglich machten.

Der juristische Präzedenzfall, den man hätte anwenden müssen, wäre "Pamplin gegen Mason" und nicht "Vereinigte Staaten gegen Fuentes Coba" gewesen.

Andererseits wurden in der Anweisung über die Verweigerung des Ortswechsels die für diesen Fall gesetzlich festgelegten obligatorischen Bedingungen nicht beachtet.

Die Regel 21 des Bundes-Strafgesetzbuches der Vereinigten Staaten legt -zur Regulierung der Möglichkeit der Verlagerung der Gerichtsverhandlung in einen anderen Distrikt wegen bestehender Vorurteile gegen die Angeklagten- unter ihrem Absatz a) fest, daß das Gericht den Prozeß verlagern muß (shall transfer), wenn Vorurteile bestehen und in dem jeweiligen Distrikt keine gerechte und unparteiische Gerichtsverhandlung erreichbar ist.

Doch die Richterin hat in der "rechtlichen Grundlage" ihrer Entscheidung, d.h. in der Begründung zur legalen Rechtfertigung des Urteils die Befehlsform "muß" durch die Ermessensform "kann" ersetzt und damit die Entscheidung ihrem Gutdünken überlassen. Sie nahm dem Gesetzesmandat den obligatorischen Charakter und machte so eine obligatorisch geregelte Befugnis zu einer Ermessens-Befugnis.

Erwähnt werden sollte, daß die genannte Regel zur Regulierung der Möglichkeit der Verlagerung der Gerichtsverhandlung in einen anderen Distrikt aus Zweckmäßigkeitsgründen der Parteien oder der Zeugen oder im Interesse der Gerechtigkeit unter ihrem Absatz b) eine Ermessensbefugnis des Gerichts bei der Annahme dieser Entscheidung beinhaltet, indem ausdrücklich dargelegt ist, daß die Gerichtsverhandlung in diesen Fällen in einen anderen Distrikt verlegt werden "kann".

Wie man sieht, gewährte die Richterin sich eine für andere Fälle vorgesehene Ermessensbefugnis, als sie verpflichtet war, den Antrag auf Ortswechsel der Verhandlung anzunehmen, da es sich um bestehende Vorurteile in der Gemeinschaft gegen die Angeklagten handelte.

Wie Dr. Weinglass in seinem Antrag eindeutig darlegte, "untergrub diese Neubewertung des obligatorischen Charakters der gesetzlichen Norm die obligatorische Kraft der Sprache und entkräftete deren Absicht".

Doch damit nicht genug: Die Richterin beschränkte sich darauf, den Ortswechsel ausgehend von der nachteiligen Publizität zu untersuchen und darüber zu entscheiden, und wandte die höchste Schwelle, d. h. die riguroseste Bedingung an. Sie forderte, daß die genannte Publizität es "praktisch unmöglich" machen würde, ein unparteiisches Geschworenengericht auszuwählen, anstatt einfach die "Wahrscheinlichkeit von Ungerechtigkeit" zu bewerten. (???)

Das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten legte fest, daß die Distriktsgerichte nach Bekanntwerden von Anträgen auf Ortswechsel vor der Verhandlung mit Vollmachten ausgestattet sind und sich auf die Überwachungsbefugnis der Bundesjustiz berufen sollen, worauf sich die Entscheidung der Richterin nicht bezieht.

Es gibt noch weitere Verletzungen des nordamerikanischen Gesetzes, die in einer den Prozess verzerrenden Weise angewendet wurden.

Verletzungen XIV

CIPA: Ein Instrument des Verbrechens

Das CIPA (Classified Information Procedures Act, d. h. Verfahrensgesetz über Klassifizierte Information) ist ein legales Statut und erlaubt es, einen Gerichtsprozeß in den Vereinigten Staaten im Rahmen eines besonderen Verfahrens zu führen mit der Absicht, klassifizierte Informationen zu schützen. Mit dieser Vorschrift soll verhindert werden, daß Angeklagte Informationen öffentlich machen, die die Regierung der Vereingten Staaten in irgendeiner Weise schädigen können.

So ist ein Angeklagter verpflichtet anzugeben, daß er für seine Verteidigung klassifizierte Informationen verwenden wird, oder die Regierung (die Staatsanwaltschaft) kann beim Gericht beantragen, eine Information -vor dem Verfahren der "Aufdeckung" der Beweise- als klassifiziert zu schützen.

Doch muß die Anwendung dieses Statuts nicht notwendigerweise Wehrlosigkeit bedeuten. Es ist ein Verfahrensrahmen, um es dem Gericht zu ermöglichen, die Forderung der Regierung nach Schutz der nationalen Sicherheit festzustellen und zu bewerten, jedoch ohne die Angeklagten zu benachteiligen. Zu diesem Zweck sieht das Gesetz bestimmte Schritte und Pflichten der Regierung vor. Es ist notwendig, die Herkunft der Klassifizierung eines Dokuments nachzuweisen. Sollten die Beweise nicht vollständig vorgelegt werden können, ist die Regierung zur Vorlage einer erläuternden Zusammenfassung ihres Inhalts verpflichtet, ohne die Gründe für deren Geheimhaltung offenlegen zu müssen. Der Angeklagte muß rechtzeitig Zugang zu der Information erhalten, um seine Verteidigung vorbereiten zu können, wie es das ordentliche Rechtsverfahren erfordert.

Ein Blick auf das CIPA genügt, um feststellen zu können, daß auch diese gesetzliche Vorschrift im Verfahren gegen unsere fünf Landsleute verletzt wurde. Das CIPA wird bei Geheimdokumenten und klassifizierter Information angewendet, die einen Schaden oder eine Gefahr für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten bedeuten können, falls sie nicht zugelassenen Personen bekannt werden. Jedoch in diesem Fall bezogen sich die "geschützten" Dokumente höchstens auf Aktivitäten rechtsextremistischer kubanisch-amerikanischer Terrororganisationen in Miami. Sie hatten absolut nichts mit der Sicherheit der Vereinigten Staaten zu tun.

Das CIPA setzt die Absicht einer rigurosen Klassifizierung, eine vorherige Analyse der zu schützenden Information voraus und keine massive alles umfassende Klassifikation all dessen, was mit den Angeklagten zusammenhängt und in diesem Fall –unglaublicherweise- selbst Briefe der Angehörigen, Musikkassetten und sogar Kochrezepte beinhaltete.

Das CIPA erfordert eine gangbare Methode für den Zugang zur Dokumentation und zu deren Studium, damit die Verteidigung sich vorher über die Beweise informieren kann, was nicht nur ignoriert, sondern auch extrem erschwert wurde. Es sei daran erinnert –wie Rechtsanwalt Roberto González, der Bruder von René, es ausdrückte- , "daß die Angeklagten in ein Loch gesteckt wurden und die Beweise in ein anderes", so daß es praktisch unmöglich war, die Gespräche des Verteidigungsanwalts mit dem Angeklagten und den Zugang zu den Beweisen in Übereinstimmung zu bringen. Folglich behinderte das CIPA die Vorbereitung der Verteidigung, was keinesfalls die Absicht dieser gesetzlichen Vorschrift ist.

Durch seine Anwendungsvorschriften –so kompliziert diese auch sein mögen- setzt das CIPA voraus, daß die Verteidigung Zugang zu allen Beweisen hat, wie es das ordentliche Verfahren erfordert. Jedoch führte in diesem Fall eine unangemessene und ungerechtfertigte Anwendung dazu, daß Angeklagte und deren Verteidiger nur einen Zugang zu 20 % der von der Staatsanwaltschaft gehandhabten Beweise hatten.

Das CIPA war eine Entschuldigung, ein Vorwand, war alles, nur nicht die ordnungsgemäße Anwendung eines Gesetzes. Es war ein Instrument der Böswilligkeit, um unseren Patrioten zu schaden und sie in einen Zustand der Wehrlosigkeit zu versetzen; es war eine diabolische, an den Haaren herbeigezogene Ausgeburt für eine Situation, auf die es nicht anwendbar war, um der Staatsanwaltschaft freien Lauf zu lassen und der Verteidigung die Hände zu binden. Ganz sicher war das CIPA ein Instrument des Verbrechens.

Verletzungen XV

"Spione" ohne Spionage

Es gibt auf der Welt verschiedene Rechtssysteme, auch "Rechtsfamilien" genannt, je nach Ursprung und Entwicklung der Kultur und Rechtswissenschaft eines jeden Landes entsprechend seinen historischen Wurzeln.

Dazu gehört das in England entstandene Rechtssystem des "Common Law", das in den Ländern Anwendung findet, die das englische Recht als Modell angenommen haben, besonders in den Vereinigten Staaten. Das "romanisch-germanische Rechtssystem umfaßt jene Länder, in denen sich die Rechtswissenschaft ausgehend vom römischen Recht entwickelt hat, wie im kontinentalen Europa und Iberoamerika.

Man kann nicht mit Gewißheit behaupten, daß ein System besser sei als das andere. Jedes hat seine Besonderheiten, seine Erfolge und Tugenden und vielleicht auch seine Schwächen oder Widersprüche, einfach gesagt, beide Systeme sind unterschiedlich. Dennoch gibt es Bereiche, die große Ähnlichkeiten, gemeinsame Ziele und Prinzipien haben. Einer von diesen ist das Strafrecht.

Zu den Fundamenten, auf die sich beide Rechtssysteme stützen, gehört das sogenannte Prinzip "nullum crimen". Mit anderen Worten: es gibt kein Delikt und keine Strafe ohne vorheriges Strafgesetz, das diese definiert. Von diesem Universalprinzip geht ein integrierendes Element des Delikts aus – die Voraussetzung der "Typizität", derzufolge das Delikt "typifiziert" werden muß. Seine Elemente müssen innerhalb eines bestimmten, im Strafgesetzbuch vorgesehenen "rechtlichen Typs" beschrieben sein.

Dieses Fundament des Strafrechts wurde im Verfahren gegen die fünf Helden in Gefangenschaft des Imperiums in grober Weise verletzt.

Das "Spionage"-Delikt ist im Strafgesetz der Vereinigten Staaten typifiziert, um "all jene" strafrechtlich zu verfolgen "die Information über die nationale Verteidigung zusammentragen und weiterleiten. Es erfordert eine Absicht oder einen Grund, die glaubhaft machen, daß diese Information gesammelt wird, um sie zum Schaden der Vereinigten Staaten zu verwenden".

Selbst das nordamerikanische Strafgesetz definiert, daß es sich um eine besondere und nicht um irgendeine Information handelt. Es geht um eine Information, die –wenn sie nicht zugelassenen Personen zur Kenntnis gelangt- der nationalen Integrität, der Sicherheit oder den Auslandsbeziehungen der nordamerikanischen Nation Schaden zufügen würden.

Ungeachtet dessen wurden jene wegen "Spionage" bestraft, die in terroristische Organisationen ohne Regierungscharakter vorgedrungen sind, jene, die nichts mit der Sicherheit oder den Interessen der Verteidigung und den Auslandsbeziehungen der Vereinigten Staaten zu tun haben, jene, bei denen nicht ein einziges Geheimdokument der Regierung der Vereinigten Staaten gefunden wurde – all das sind Voraussetzungen, die der Rechtstyp des Spionagedelikts laut nordamerikanischem Gesetz erfordert. Mit anderen Worten: In terroristische Organisationen vorzudringen, um Information zur Verteidigung, im Interesse und für die Sicherheit eines von diesen Organisationen bedrohten Landes und Volkes zu suchen, ist kein Spionagedelikt.

Der geschaffene juristische Präzedenzfall mit dem unglaublichen Schuldspruch der Geschworenen und den von der Richterin verhängten grausamen und exzessiven Strafen gegen unsere Landsleute ist nicht nur unrechtmäßig, willkürlich und ungerecht, sondern auch äußerst gefährlich für die Zukunft eines jeden Bürgers in den Vereinigten Staaten. In Zukunft kann jeder als Spion angesehen werden, der einer Organisation beitritt oder sich ihr nähert, um Informationen zu sammeln und diese an andere, dieser Organisation nicht angehörende Personen weiterzugeben, auch wenn es sich –wie in diesem Fall- nicht gerade um Wohltätigkeitsorganisationen, sondern um Terrororganisationen handelt und die Beweggründe der Tat darin bestünden, Leben zu retten.

Wegen Spionage wurden Menschen verurteilt, die keine Spione waren. In den Pamphleten von Miami werden jene verächtlich als "Spione" bezeichnet, die keine Spionage begingen.

Der 11. Appellationsdistrikt in Atlanta trägt die Verantwortung zu verhindern, daß dieses barbarische Urteil in Kraft gesetzt wird und hat die Möglichkeit, sich dafür einzusetzen, daß die nordamerikanische "Göttin der Gerechtigkeit" das uralte Prinzip der Strafjustiz wiederhergestellt sieht.

Verletzungen XVI

Es gab keine Annahme der Unschuld

Jeder Angeklagte gilt als unschuldig. Dieses Prinzip ist die Grundlage des sogenannten Anklagesystems mit Dreiteilung der Funktionen im Strafgerichtsprozeß: die Staatsanwaltschaft, die die Regierung vertritt und eine Anklage zur Verteidigung der gesellschaftlichen Ordnung erhebt, die Verteidigung, die den Angeklagten vertritt und in seinem Namen alle Faktoren anführt, die für ihn sprechen oder ihn von der Verantwortung befreien, und der Richter oder das Gericht, die im Namen des Staates Gerechtigkeit üben, nachdem sie die Parteien angehört und die während des Prozesses vorgelegten Beweise bewertet haben.

Ein gerechtes Urteil geht von diesem Prinzip aus. Es handelt sich um ein allgemein anerkanntes, von der Geschichte, von den Gesetzen aller zivilisierten Länder und dem Völkerrecht festgeschriebenes Recht. So proklamiert es die Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte, die am 26. August 1789 von den Vertretern des französischen Volkes in der Nationalversammlung angenommen wurde. Unter Artikel 9 heißt es darin:

"Jeder Mensch wird als unschuldig angesehen, solange er nicht für schuldig erklärt wurde..."

Die am 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommene Allgemeine Erklärung der Menschenrechte greift dieses Prinzip in ihrem Artikel 11 auf, der folgendes festlegt: "Jede eines Vergehens angeklagte Person hat ein Recht darauf, als unschuldig zu gelten, solange ihre Schuld laut Gesetz und in einem öffentlichen Gerichtsprozeß –in dem ihr alle für ihre Verteidigung erforderlichen Rechte zugesichert wurden- nicht bewiesen ist".

Die Einhaltung dieses allgemeinen Prinzips der Strafjustiz garantiert das erforderliche Gleichgewicht, um Gerechtigkeit üben zu können. Sehen wir uns das am Beispiel des Prozesses gegen unsere fünf Helden in Gefangenschaft des Imperiums einmal an:

Die Erfüllung dieses Gebots würde die Regierung (die Staatsanwaltschaft) dazu zwingen, die Schuld der Angeklagten über deren eigene Erklärung hinaus, ausgehend von den die Schuld belegenden Beweisen nachzuweisen, was bekanntlich nicht geschehen ist. Sie würde die Regierung zwingen, die Angeklagten für unschuldig zu befinden, solange der Schuldspruch nicht erfolgt ist, und ihnen folglich das Recht auf ihre effektive Verteidigung mit allen Garantien einzuräumen, was ebenfalls nicht geschehen ist. Im Gegenteil, die Verteidigung wurde extrem behindert. Noch immer gibt es gegen die Angeklagten vorgebrachte Beweise, die nicht bekannt sind.

Die Einhaltung dieser Vorschrift würde zu einer humanen Behandlung zwingen, die die Achtung der Menschenwürde einschließt –ebenfalls ein wesentlicher Teil dieses Prinzips, denn selbst wenn er von einem kompetenten Gericht verurteilt wurde, hat jeder Verurteilte das Recht auf diese Achtung – dazu noch, wenn seine Schuld nicht bewiesen und erklärt wurde. Hierzu heißt es im Wortlaut des Prinzips aus den Tagen der Französischen Revolution:

"wird es als unerläßlich angesehen, jemanden zu verhaften, hat das Gesetz jede Härte zu strikt zu vermeiden, die sich nicht als notwendig erweist, um den Arrest des Angeklagten zu sichern". Im Lichte dieses Prinzips sind jene streng zu bestrafen, die unsere Patrioten nahezu vom Moment ihrer Verhaftung an zur "Dunkelheit des Lochs" verurteilten.

Sie würde die Regierung zwingen, ein gerechtes Urteil von einem kompetenten Gericht zu gewährleisten, was unparteiische Geschworene außerhalb der feindseligen Stimmung von Miami und alle Garantien eines "ordentlichen legalen Prozesses" eingeschlossen hätte, Garantien, die in der V. Verfassungsänderung der Vereinigten Staaten verankert sind – das Grundrecht auf Freiheit und Gerechtigkeit, wie die nordamerikanischen Verfassungsschöpfer es selbst zum Ausdruck bringen.

Die Behandlung als "mutmaßlich Unschuldiger" hätte zu einem ebenbürtigen Rechtsstreit mit gleichen Rechten für die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft während der entscheidenden Etappe der Aufdeckung der Beweise gezwungen. Diese Aufdeckung erfordert den Austausch aller Inforamtionen zwischen den Parteien. Als mutmaßlich Unschuldige hätten die Angeklagten ein Recht auf Freilassung gegen Kaution gehabt, oder zumindest auf eine Untersuchungshaft mit allen Konditionen, die dieser Haftkategorie entsprechen, und zwar nicht nur in materieller Hinsicht, sondern auch in bezug auf eine effektive Kommunikation mit ihren Anwälten, um die Unterlagen gemeinsam zu sichten und die Verteidigung vorzubereiten. Sie hätten das Recht auf den Besuch ihrer Angehörigen gehabt. René wäre nicht des Rechts auf Kontakts zu seiner kleinen Tochter beraubt worden. Die Angeklagten hätten den in internationalen Verträgen festgelegten ordnungsgemäßen konsularischen Beistand erhalten.

Denn die Annahme der Unschuld war für die Schergen des Imperiums niemals ein unveräußerliches Recht des Menschen, sondern vielmehr ein Hindernis für ihre eigenen Ansprüche, und wurde als Teil ihrer verbrecherischen Strategie völlig eliminiert. Von dieser Unschuldsannahme war nichts übriggeblieben, als die Angeklagten angekettet wie Sklaven –doch mit einem reineren Gewissen als ihre Richter- aufstanden und ihre Stirn erhoben, an der der Stern der Heimat leuchtete, um von jenem befangenen und manipulierten Geschworenengericht den ungerechten und unrechtmäßigen Schuldspruch zu hören.

Vor diesem Urteilsspruch waren sie, juristisch gesehen, Unschuldige und als solche hätten sie auch behandelt werden müssen. Auch danach sind sie weiterhin Unschuldige, denn ein ungerechtes Urteil kann Unschuld nicht in ein Verbrechen verwandeln.

Verletzungen XVII

Im Zweifel gegen den Angeklagten

Ein uraltes Prinzip des allgemein anerkannten Strafrechts ist bekannt als "im Zweifel für den Angeklagten", d. h. im Zweifelsfall zugunsten des Angeklagten.

Es ist eines der sogenannten allgemeinen Rechtsprinzipien, das sich als Interpretationsnorm an den Richtenden wendet und festlegt, daß in jenen Fällen, in denen der Beweis -ungeachtet der erfolgten normalen Beweisarbeit- beim Richter Zweifel bezüglich der Schuldhaftigkeit des Angeklagten hinterläßt, letzterer freigesprochen werden muß.

In dem in den Vereinigten Staaten herrschenden System des Common Law kommt dieses Prinzip darin zum Ausdruck, daß die Regierung, d.h. die Staatsanwaltschaft, über jeden vernünftigen Zweifel hinaus die Schuldhaftigkeit der Angeklagten beweisen muß, was die Richter den Geschworenen in den Anweisungen erklären, nachdem die Verhandlungen und Anhörungen des Prozesses nach den Schlußplädoyers der Parteien abgeschlossen sind. Die Anweisungen für die Geschworenen bilden die Schlußphase der Gerichtsverhandlung und können folgendes beinhalten: eine Zusammenfassung der zum Fall gehörenden Bereiche, die Deutung bestimmter, von den Parteien verwendeter legaler Termini oder von anzuwendenden Regeln, die Orientierung, wie diese Regeln im Zusammenhang mit dem vorgelegten Beweismaterial und den gemachten Zeugenaussagen umzusetzen sind.

An dieser Stelle, d. h. bevor das Geschworenengericht sich zur Beratung zurückzieht, erteilt der Richter den Geschworenen Instruktionen hinsichtlich der Besonderheiten des vorgelegten Beweismaterials und der Regeln für dessen Bewertung. Außerdem macht er auf alle Beweise Aufmerksam, die nicht berücksichtigt werden dürfen, weil Einwände gegen sie erhoben und diese zugelassen wurden.

Als die Richterin im Fall der fünf politischen Häftlinge in den Vereinigten Staaten den Geschworenen ihre Anweisungen gab, machte sie darauf aufmerksam, daß zum Beweis des Anklagepunktes 3 (Verschwörung, um Mord zu begehen), dessen Gerardo beschuldigt wird, "festgelegt werden muß, daß der Angeklagte bereit war und geplant hatte, bestimmte Personen in internationalen Gewässern, in der Sondergerichtsbarkeit der Vereinigten Staaten, zu töten". Mit Bezug auf den Anklagepunkt 2 (Spionage) äußerte die Richterin -wenngleich zaghaft, d.h. ohne große Lust und mit einiger Befangenheit- einen gewissen Zweifel, als sie den Geschworenen zu verstehen gab, daß die Regierung den Schaden oder die Gefahr für die Sicherheit der Vereinigten Staaten nachweisen müsse und den Hinweis der Anwälte auf den "Notstand" erwähnte.

Bekanntlich hat die Staatsanwaltschaft Einwände gegen diese Instruktionen erhoben und angeführt, daß es nicht möglich sei, die Angeklagten zu verurteilen. Offensichtlich fürchtete die Staatsanwaltschaft die Tatsache, daß die Richterin die Existenz eines vernünftigen Zweifels durchblicken ließ. Die Anfechtung wurde abgewiesen, die Instruktionen erteilt. Die Geschworenen hörten aufgeschlossen zu und zogen sich zur Beratung zurück. Diese Personen, die laut Gesetz unparteiisch sein und den Tatbeständen, den Angeklagten und den Motivationen des Falles völlig fremd gegenüberstehen müssen, trugen die Verantwortung, über die Schuldhaftigkeit oder die Nichtschuldhaftigkeit der Angeklagten zu entscheiden. Um das tun zu können, hatten sie von den Parteien deren Kriterien und Argumente erhalten, hatten die vorgelegten Beweise gesehen, die gemachten Zeugenaussagen angehört und auch bestimmte Anweisungen erhalten. Vor ihrem Gewissen –so sie denn eines hatten- hätte das Gespenst des Zweifels stehen müssen. Zum Erstaunen aller (selbst der Staatsanwaltschaft, die einmal dachte, daß ihr der Prozeß zu entgleiten drohe, wie die Presse in Miami schrieb) stellten die Geschworenen keine Fragen, erbaten keinerlei Erläuterung zu einem dargelegten legalen Thema (was häufig der Fall ist), meldeten keinerlei Zweifel an, räumten alle vorgebrachten Zweifel aus und vergaßen, besser gesagt, untergruben das jahrhundertealte Prinzip "im Zweifelsfall zugunsten des Angeklagten" und setzten an seine Stelle ein neues, "modernes", brutales, das sich im Einklang befindet mit den Zeiten des Terrorismus und den Winden der "unendlichen Gerechtigkeit", die über das Imperium fegen.

Auch wenn es unglaublich erscheinen mag: in einem so bedeutenden Gerichtsverfahen wollte die Richterin -von der man annimmt, daß es sich um eine gebildete oder zumindest in Rechtsfragen bewanderte Person handelt- im Innovationsbestreben nicht hinter den Geschworenen zurückstehen. Denn als die Beweis- und Urteilsbeamten (eine Art Helfer der Justiz, die dem Richter eine Zusammenfassung der oder einen Bericht über die Nachforschungen ausarbeiten, welche allgemeine Information über den Angeklagten enthalten) auf das mögliche Vorhandensein von mildernden Umständen, auf die sich die Angeklagten beriefen, und auf die Tatsache, daß sie nicht vorbestraft seien (all das hätte logischerweise auch Zweifel hinsichtlich der Strafanwendung aufkommen lassen müssen) verwiesen, überging auch die Richterin das bis dato unantastbare legale Prinzip und schloß sich dem neuen an, indem sie die in jedem Fall höchstmöglichen Strafen verhängte.

Die Göttin der Gerechtigkeit muß sich die Ohren verschlossen haben – zuerst vor dem Schuldspruch der Geschworenen und danach vor den ungerechten und extremen Strafen in den Urteilen der Richterin, die im Gerichtssaal das Echo des neuen Strafrechtsprinzips des Imperiums erschallen ließen: im Zweifelsfall gegen den Angeklagten.

Verletzungen XVIII

Die Verschwörung

Beim Versuch der juristischen Instrumentierung der Anklage gegen die fünf kubanischen Patrioten, wurde sich die Staatsanwaltschaft bewußt, daß sie die Spionage- und Morddelikte, die sie in die Anklageakte einbeziehen wollte, nicht beweisen könnte.

Der Anklageentwurf enthielt vielleicht schon verschiedene Anklagepunkte separat für jeden einzelnen der Angeklagten als "nicht registrierter ausländischer Agent" oder für einige von ihnen "Falsche Ausweispapiere" (Gerardo, Ramón und Fernando), doch waren diese keine schwerwiegenden Vergehen. Das würde nicht ausreichen, um die in Miami herrschenden Interessen zufriedenzustellen.

Es ging nicht um einen Strafprozeß von vielen, sondern um einen Prozeß gegen fünf kubanische Patrioten. Es ging nicht um eine Gerichtsverhandlung in irgendeinem Distrikt der nordamerikanischen Geographie, sondern man wetzte sich die Zähne für einen Gerichtsprozeß in Miami, dem einzigen Ort der Welt, wo alles anders ist, wenn es sich um Kuba handelt, wo die Möglichkeit, zwölf unparteiische Bürger für einen Fall mit kubanischen Agenten auszuwählen gleich Null ist –wie später der Experte für Fragen der kubanischen Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten, Dr. Lisandro Pérez, Direktor des Instituts für Kubanische Nachforschungen der Internationalen Universität von Florida, in seiner Erklärung unterstrich, die dem Antrag von Dr. Weinglass auf ein neues Verfahren als Beweis beigefügt wurde.

Die Staatsanwaltschaft hatte es sich gut überlegt, sie konnte diese Gelegenheit nicht verpassen. Es mußte eine Form gefunden werden, Delikte zur Last zu legen, die strenge Bestrafungen nach sich zogen.

In diesem konspirativen Ambiente, wo man danach trachtete, Tatbestände in einem Licht darzustellen, das nicht zutraf, wurde das Netz der Verschwörung gesponnen. Die Staatsanwaltschaft griff auf eine legale Ausrede zurück, auf etwas, das selbst die nordamerikanischen Anwälte als "bevorzugtes Konzept im Arsenal der Staatsanwaltschaft" bezeichnen: Die Konspiration als Delikt an sich, unabhängig vom erreichten Ergebnis.

Die Anklage bezog dann nicht die eigentlichen Spionage- und Morddelikte ein (die die Angeklagten nicht begangen hatten und die nicht bewiesen werden konnten), sondern die Konspiration, um diese zu begehen. Das befreite die Staatsanwalt davon, beweisen zu müssen, daß die Angeklagten tatsächlich Spionageaktivitäten betrieben hatten, oder daß Gerardo sich darauf vorbereitet hatte, Mord zu begehen. Sie bescheränkte sich jetzt auf den Versuch, die Vereinbarung, die Billigung und weitere "ätherische" Begriffe zu beweisen, auf deren Grundlage sie eine Atmosphäre von romanhaften Intrigen schaffen konnte, in der sie auf Beweismittel ausgehend von Aussagen von Dritten und nicht von konkreten Beweisen (die sie nicht besaß) zurückgreifen konnte, die in einem anderen Fall oder vor einem anderen Gericht außerhalb von Miami verworfen worden wären.

Ich will damit nicht sagen, daß der Indizienbeweis keinen Wert hätte, um die Annahme der Unschuld zu entkräften. Wie die spezialisierte Doktrin darlegt, hat diese Art von Beweis große Bedeutung, denn nicht immer ist es möglich, einen direkten Beweis für die angelastete Tat zu erreichen und in der Tat würde die Nichtbeachtung des Indizienbeweises zur Straffreiheit bei zahlreichen Delikten führen.

Doch der Indizienbeweis ist eine Sache und der simple Verdacht eine andere.

Der Indizienbeweis muß von sicher bewiesenen Tatbeständen ausgehen, was logisch ist, denn es wäre nicht zulässig, eine Annahme auf eine andere Mutmaßung zu stützen. Die Tatbestände des Delikts können dann von Indizien abgeleitet werden, doch diese Indizien müssen sicher, d. h. völlig bewiesene Handlungen sein. Ein wesentlicher Aspekt des Indizienbeweises ist letztlich die Vielfalt der Indizien. Logischweise müssen die Indikatoren vielfältigen Charakter haben. Diese Voraussetzung ist gerade deshalb einleuchtend, weil jedes Indiz –individuell betrachtet- kein schlüssiger oder unwiderlegbarer Beweis ist, kein Beweis an sich ist, sondern nur ein Indiz. Daher ist eine Sammlung von Indizien erforderlich, damit das Gericht oder die Geschworenen zu einer Überzeugung in einem bestimmten Sinn gelangen können.

Die Anklagepunkte "Verschwörung, um Spionage zu betreiben" und "Verschwörung, um Mord zu begehen", von denen erstere Gerardo, Ramón, und Tony und letztere allein Gerardo vorgeworfen werden, über die die Geschworenen einen Schuldspruch fällten und die Richterin lebenslange Haftstrafen verhängte, wurden wie Spielkarten "aus dem Ärmel" gezogen, an den Haaren herbeigezogen in einem forcierten legalen Blendwerk (und nicht in legaler Rechtsausübung) ohne einen einzigen direkten Beweis und ohne den Beweis eines konkreten Tatbestandes, die als Ausgangspunkt für eine logische und angemessene Schlussfolgerung hätte dienen können, wie das Gesetz es vorschreibt und die internationale Doktrin und Jurisprudenz es festgelegt haben, um einen Indizienbeweis zu etablieren. Auf dem Tablett serviert wurden die strengsten Strafen mit Zustimmung des harten Kerns des Exils, der reaktionärsten Kräfte der Bevölkerung des Distrikts und des Bundesstaates –wo die die Präsidentschaftswahlen entschieden oder besser gesagt, Wahlbetrug betrieben wurde.

Es sind viele Indizien, viele Hände auf einem Teller; hier gibt es überhaupt keinen Zufall, sondern einfach nur: Verschwörung.

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