Leserbrief von Prof. Dr. Siegfried Scholze in "Neues Deutschland" vom 07.06.2004

Dauerangriff auf Kuba bittere Realität

Zu "Kuba und die Linke" (ND vom 28.05.):

Leider sind die Meldungen über die Verhängung der Todesurteile in den USA, vollstreckt mittels elektrischer Stühle, Giftspritzen oder in Gaskammern, die Verurteilung der Miami-Five, das Paktieren mit US-hörigen Diktatoren, das die Menschen Kubas in Mitleidenschaft ziehende Anti-Kuba-Embargo, Menschenrechtsverletzungen usw. keine Klischees (lt. Duden: Abklatsch, eingefahrene Vorstellungen), sondern bittere Realität.
Nehmen wir nur den Fall der fünf kubanischen Patrioten, die in den USA zu äußerst hohen Strafen verurteilt wurden. Mit Recht hat er weltweiten Protest hervorgerufen. Gegen zwei der Verurteilten wurde lebenslange Haft, einmal davon doppelt ausgesprochen. Sie bezweifelten nicht die Notwendigkeit der Terrorbekämpfung, die der Präsident der USA immer wieder fordert - mit Recht, sofern es sich tatsächlich und unabhängig von den Ausübenden und politischer Auslegung um Terror handelt. Wenn allerdings in Übereinstimmung mit Präsident Bush, der "für den Tag der Freiheit in Kuba arbeitet" (was immer er unter Freiheit verstehen mag) die Gegner der kubanischen Revolution von Miami aus alles versuchen, Präsident Fidel Castro zu stürzen und den sozialistischen Kurs Kubas zum Scheitern zu bringen, dann sind alle Mittel recht und wird in rechtswidrigen Prozessen selbst die eigene Verfassung gebrochen, denn in deren VI. Verfassungszusatz heißt es: "... der Angeklagte hat das Recht, zügig, öffentlich und von unparteiischen Geschworenen beurteilt zu werden..."
Das allerdings in Miami, wo das Gerichtsverfahren stattfand, kein unparteiischer Prozess zu erwarten war, das musste sich auch für den Anwalt Leonard Weinglass bestätigen, einem der Verteidiger der Fünf, der kürzlich in Berlin weilte und bereits als Verteidiger von Angela Davis und Mumia Abu Jamal bekannt wurde. Auch bei Amnesty International zählen die USA nicht zu den Staaten, die von Verletzungen der Menschenrechte frei sind. Gerardo Hernández, einer der Fünf sollte angeblich für den Abschuss von zwei Flugzeugen der terroristischen Organisation Hermanos al Rescate am 24. Februar 1996 verantwortlich sein, obwohl am Ende des Prozesses die Staatsanwaltschaft eingestehen musste, dass diese Anklage nicht zu beweisen war. Doch ihr Antrag, diesen Anklagepunkt fallen zu lassen, wurde abgelehnt, und die Geschworenen erklärten Hernández für schuldig.
Zu den terroristischen Aktivitäten der antikubanischen Kräfte, die mit Unterstützung der Geheimdienste und Behörden der USA von Miami aus operieren, gehören zahlreiche Sabotagen und Aggressionen gegen Kuba mit Tausenden von Toten, Verletzten und großen wirtschaftlichen Verlusten, Schmuggel von Waffen, Drogen und Menschen. Es sind viele Pläne gescheitert, mit denen man versuchte, den kubanischen Präsidenten Fidel Castro zu ermorden. Ausschließlich über solche terroristischen völkerrechtsverletzenden Machenschaften Informationen zu erlangen, war das Ziel der fünf Verurteilten.
Unter dem Titel, "Eiszeit in Havanna? Eine notwendige Gegendarstellung", nahm kürzlich das SPD-Mitglied, Günter Belchaus, gegen einen von Amnesty International veröffentlichten Artikel von Jérome Cholet Stellung, der die Zwangsmaßnahmen gegen Kuba rechtfertigte. Dies analysierend kommt G. Belchaus zu dem Schluss: " Mein Fazit lautet: Wir alle sollten vorsichtig, vielleicht auch ein wenig nachsichtig mit den Kubanern sein und uns vor vorschneller Verurteilung hüten."

Prof. Dr. Siegfried Scholze, 04103 Leipzig

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