Assata: Liebesgrüße aus dem Exil Via NY Transfer News * All’ die unbequemen Nachrichten Quelle: Djehuti Sundaka Final Call - 11. Juni 2002 http://www.finalcall.com/international/assata_shakur06-11-2002.htm
Liebesgrüße aus dem Exil: (Deutsch:Josie Michel-Brüning, Juni 2002) (Anm. des Herausgebers: Die "Final Call Staff" - Autorin, Nisa Islam Muhammad, reiste mit einer Gruppe von 15 Journalisten unter Leitung von DeWayne Wickham und des Instituts für Advanced Journalism Studies [Journalismusstudien für Fortgeschrittene] nach Kuba. Sie dokumentieren zurzeit den afrikanischen Einfluss innerhalb Amerikas. Während ihres Aufenthaltes dort wurde ihr ein Exklusivinterview mit dem früheren Black-Panther-Mitglied Assata Shakur gewährt.)
Havanna, Kuba (finalCall.com): Assata Shakur ist eine afroamerikanische Volksheldin. Sie ist eine Freiheitskämpferin, die den Fesseln ihrer Unterdrückung entkam. Ihr gelang es, auf die andere Seite zu kommen. Sie ist eine Schwester, die sich den, einer schwarzen Frau üblicher Weise gestellten Erwartungen widersetzte. Ihr Leben ist Gegenstand von Büchern, Filmen und Dichtung. Sie spricht aus dem Exil mit ihren eigenen Worten über Kuba und Terrorismus, Unterschiede zwischen Schwarzen in Kuba und in den USA und über ihre Hoffnungen auf eine neue Welt: "Als ich noch in der Black-Panther-Partei war, nannten sie (die Vereinigten Staaten) uns Terroristen. Wie können sie es wagen, uns Terroristen zu nennen, während wir doch von ihnen terrorisiert wurden? Terror war ein fester Bestandteil meines Lebens. Ich lebte unter Apartheid in North Carolina. Wir lebten unter Polizeiterror. Die Leute müssen erfahren, was wirklich passierte. Kuba hat niemals jemanden angegriffen. Kuba bietet anderen Ländern seine Solidarität. Sie schicken Lehrer und Ärzte, um Menschen in anderen Ländern zu helfen. Es glaubt an Solidarität. Wenn Kuba ein Terroristenland genannt wird, ist das eine Beleidigung der Realität. Wenn Leute nach Kuba kommen, werden sie eine andere Realität sehen als die, von der ihnen in Amerika erzählt wurde. Dieses Land möchte helfen, nicht verletzen. Die US-Regierung hat ihre Bevölkerung belogen. Die US-Regierung erfindet Lügen wie, Kuba ist ein terroristisches Land, um einen Vorwand zu haben, es zu zerstören. Ronald Reagan überzeugte die Bevölkerung, dass das kleine Land Grenada eine Bedrohung für die großen Vereinigten Staaten sei, das erlaubte den Vereinigten Staaten, in Grenada einzudringen. Die Bevölkerung der USA muss gegen ein organisiertes System von Lügen ankämpfen. Als Präsident Carter hier war, sagten sie, Kuba befasse sich mit Biotechnologie, um Bioterrorismus hervorzubringen, aber nun geben sie nach und sagen, es sei nicht so. Sie logen und fuhren fort, inbezug auf Kuba zu lügen. Schau dir den Kampf um Elian (Gonzales) an, schau dir den Terror an, den die Miami-Terroristen begingen, die Miami Mafia. Jene Leute (Kubaner, die nach der Revolution flohen) sind Ex- Plantagenbesitzer, Menschenausbeuter. Sie möchten Kuba wieder zu dem selben Ort machen, der es einmal war, aber das wird nicht geschehen." Ihr Name bedeutet "die Kämpfende", und so ein Leben hatte sie geführt. Von ihrem Heranwachsen in dem rassistischen Wilmington, N.C., bis zu ihrer aktiven Beteiligung bei den Black Panthern und bei der Black Liberation Army (BLA) [Schwarzen Befreiungsarmee] hat Ms. Shakur gekämpft: "Mein Leben war nicht schön und kreativ, bevor ich politisch aktiv wurde. Mein Leben änderte sich total, als ich anfing zu kämpfen." Doch das ist es, was es bedeutet, wenn man in Amerika schwarz ist, ein Leben des Kampfes. Schwarze in Kuba und in den Vereinigten Staaten haben eine gemeinsame Geschichte der Sklaverei, dennoch trennen sich ihre Wege, wenn es um die Lebenseinstellung geht. Ich fragte Schwester Assata, welche Unterschiede sie zwischen Schwarzen in Kuba und in den Vereinigten Staaten sähe: "Wir (Schwarze in Amerika) haben vergessen, woher wir kamen. Leute in Kuba haben ihr Gedächtnis nicht verloren. Sie leiden nicht unter historischer und kultureller Amnesie. Kuba hat weniger materiellen Reichtum als Amerika. Aber sie können mit so wenig so viel anzufangen, weil sie wissen, woher sie kommen. Dies war ein Maroon-Land ["maroon" bedeutet u.a. unwirtlich, früher auch gebräuchlich für Negersklaven, Anm. der Übersetzerin]-Land. Die "Maroons" [Negersklaven] entkamen der Sklaverei und gründeten ihre eigene Gemeinschaft. Jeder muss sich mit seiner eigenen Geschichte identifizieren können. Wenn sie ihre Geschichte kennen, können sie ihre Zukunft gestalten. Die Kubaner identifizieren sich mit denen, die die Sklaverei bekämpften. Sie identifizieren sich nicht mit dem Sklaventreiber. Jene, die die Revolution gemacht haben, werden dafür sorgen, dass die Leute nicht vergessen, was mit ihnen geschah. Die Leute hier studieren Geschichte wirklich ernsthaft. Wir müssen die Geschichte, die uns beigebracht wird, de-eurozentrieren. Wir müssen die reale Sicht freigeben auf das, was passierte. Wir müssen eine Welt schaffen, in der wir uns selber kennen und unsere eigenen Erinnerungen haben. Ich hatte keine Ahnung, wie unwissend ich war, bis ich nach Kuba kam. Ich wusste nichts über Autoren, Filmemacher und Künstler außerhalb von Amerika. Wir glauben, dass wir frei sind, aber wir sind es nicht. Unser Blick ist getrübt. Wir sind unterdrückte Menschen in den Vereinigten Staaten und wissen es nicht einmal. Wir haben weniger Möglichkeiten, Ärzte oder Juristen zu werden, obwohl die Ausbildungsmöglichkeiten zunehmen. Unser Problem ist, dass wir zu einer Gesellschaft gehören wollen, die uns unterdrückt. Wir möchten Plantagenbesitzer werden. In Kuba wollen wir eine Plantage in eine Kollektivfarm umwandeln." Es ist 1973, und auf der New Jersey Turnpike kommt es zu einem Zwischenfall, den wir heute "Zuspitzung von Rassismus" nennen würden. Ms. Shakur, aktives Mitglied der Schwarzen Befreiungsarmee (BLA) reist zusammen mit Malik Zayad Shakur (kein Verwandter) und Sundiata Acoli. Staatliche Troopers [motorisierte Verkehrspolizisten in den USA, Anm. der Übersetzerin] halten sie an, angeblich wegen eines zerbrochenen Scheinwerfers. Ein Trooper erklärt außerdem, seien sie "verdächtig", weil sie ein Vermonter Nummernschild hätten. Die drei müssen mit erhobenen Händen aus ihrem Wagen aussteigen. Plötzlich werden Schüsse abgegeben. Soweit scheinen sich alle einig zu sein. Was dann passierte, änderte für Assata Shakur den Lauf der Geschichte. Schüsse wurden abgegeben und nachdem alles gesagt und getan war, waren der staatliche Trooper, Werner Foerster und Malik Shakur getötet. Ms. Shakur und Mr. Acoli wurden der Tod von Trooper Foerster angelastet. Das Gericht befand sie beide für schuldig. Das Urteil kam nicht überraschend. Aber es stellten sich viele Fragen wegen der rassistischen Ungerechtigkeit der ausnahmslos weißen Geschworenen und hinsichtlich des zugegebenermaßen meineidigen Hauptzeugens vor Gericht: "Ich wurde mit den Armen in der Luft angeschossen. Ich hätte meine Verletzungen nicht bekommen können, wären meine Arme nicht oben gewesen. Die Kugel schlug unter meinem Arm ein und ging an meinem Schlüsselbein vorbei. Es ist medizinisch unmöglich, dass so etwas passiert, wären meine Arme unten gewesen. Ich wurde von den ausnahmslos weißen Geschworenen zu lebenslanger Haft, plus 30 Jahren verurteilt. Was ich im Gefängnis sah, war, Wand für Wand schwarze Körper in Ketten. Frauen in enge Käfige gesperrt. Aber wir sind die Terroristen. Es macht einfach keinen Sinn." In einem Brief an Kofu Owusu vom 24. August, 1973, beschreibt sie aus dem Middlesex-County-Gefängnis in New Brunswick, N.J. ihr Leben hinter Gittern: "ich [ ‘i’ (sic); I = ich, wird sonst groß geschrieben; Anm. der Übersetzerin] kann nicht anfangen, mir vorzustellen, wieviele Schwestern in dieser Zelle (das Ausmaß der Zelle) eingesperrt worden sind und all’ ihre Seelenqual, die sie erlitten und all die Tränen die sie vergossen. Dies hier ist die Zelle, in die sie die Schwestern stecken, die gerade Schweres durchmachen, die um sich zu schlagen pflegen oder durch zu viel Gewalterfahrung in den Wahnsinn getrieben wurden. Es sind Stimmungen wie diese, die mir bewusst machen, wie froh ich sein kann, eine Revolutionärin zu sein. Ich weiß, wer unser Feind ist, und ich weiß, dass ich und diese Schweine nicht friedlich mit einander auf dem selben Planeten leben können. ich gehöre zu der Familie der Kampf-Nigger, und das ist etwas sehr Kostbares. So vielen meiner Schwestern ist es total unbewusst, wer die eigentlichen Kriminellen und Hunde sind. Sie beschuldigen sich selbst, weil sie hungrig sind; sie hassen sich selbst dafür, dass sie auf die Art überleben, die sie am besten kennen. Soviel Angst, Zweifel, Verletzungen und Selbsthass zu sehen, das ist das Schmerzlichste an meinem Aufenthalt in diesem Konzentrationslager. Wie auch immer, trotz allem, fühle ich einen Luftzug in meinem Nacken, der im Begriff ist, sich in einen Orkan zu verwandeln, und wenn ich einen tiefen Atemzug nehme, kann ich die Freiheit riechen." Sie verbrachte sechseinhalb Jahre im Gefängnis, zwei davon in Einzelhaft. In dieser Zeit gebar sie ihre Tochter Kakuya. 1979 wurde sie durch eine gewagte Aktion ihrer Kameraden befreit, die die State Troopers von New Jersey immer noch erbost. Es gab eine landesweite Suche nach ihr. 1984 ging sie nach Kuba und wurde dort mit ihrer Tochter wieder vereint: "Als ich nach Kuba kam, erwartete ich, dass jeder dort wie Fidel (Castro) aussähe. Aber siehst du, alles und jeder ist anders. Ich sah Schwarze, Weiße, Asiaten, die alle zusammen lebten und arbeiteten. Die kubanischen Frauen waren so elegant gekleidet und gepflegt. Die Leute sprachen mich auf der Straße einfach an. Ich wollte wissen warum, bis ich bemerkte, dass die Leute hier keine Angst vor einander haben. Die Leute in Amerika haben Angst, auf der Straße zu gehen; so ist es hier nicht. Ich merkte, dass ich etwas für meine Heilung tun musste. Ich wusste nichts vom Ausmaß meiner Verletzung, bis ich nach Kuba kam. Ich begann, durch meine Arbeit gesund zu werden, meine Tochter aufzuziehen und an einer Kultur teilzuhaben, die dich anerkennt. In Kuba zu leben, bedeutet, von der Gesellschaft gewürdigt zu werden, nicht von der Gesellschaft entwürdigt zu werden. Was wir auch in Amerika tun, was wir auch verdienen, wir werden von der amerikanischen Gesellschaft nicht gewürdigt." Wer sind die Leute der kleinen Inselnation, nur 90 Meilen von Florida entfernt? Wer sind diese Leute, die "nein" zu Amerika zu sagen wagen? Wer sind diese 11 Millionen Revolutionäre, die dem mächtigsten Land der Welt die Stirn bieten und Widerstand leisten?: "Kubaner fühlen sich so, als hätten sie Macht. Ganz gleich, wer sie sind. Sie sehen sich selbst als Teil einer Welt. Wir sehen uns selbst als Teil einer Oberschicht. Sie identifizieren sich mit den Unterdrückten in aller Welt. Als die Angolaner gegen Süd-Afrika kämpften, baten sie Kuba um Hilfe. Soldaten wurden entsandt. Sie gingen frohen Herzens. Kubaner haben eine andere Sicht von Gewalt und Gerechtigkeit. Ein weißer kubanischer Soldat kam vom Kampf zurück und drückte seine Verachtung gegenüber den Weißen aus, die die Apartheid unterstützen. Ich sah ihn nur an, weil in meiner Vorstellung war er ein Weißer, wie Weiße eben waren, aber so sah er sich selber nicht. Er konnte nicht verstehen, wie die Südafrikaner Apartheid unterstützen konnten. Wann immer es ein Land gibt, das seine Bevölkerung lehrt, Empörung gegenüber Grausamkeiten zu empfinden, wo immer es sein mag, dieses Land hat einen besonderen Platz in meinem Herzen." Im Verlauf von fast 20 Jahren hat sie sich ein eigenes Leben in Kuba geschmiedet. Sie lebt im Exil, und während sie sich eines neuen Lebens erfreut, hat Amerika ihre angeblichen Verbrechen nicht vergessen. 1997 schrieben die Trooper vom Staat New Jersey dem Papst, womit sie den Pontifex baten, bei ihrer Auslieferung zu helfen. Die frühere Gouverneurin von New Jersey, Christine Todd-Whitman, stellte jedem eine Belohnung von 100.000 $ in Aussicht, der sich an der Rückführung von Assata Shakur beteilige. Der Kongress erließ H.R. 254, womit er Kuba aufforderte, sie zurückzuschicken. Die meisten der schwarzen Kongressabgeordneten unterstützten das Gesuch. In Ermangelung normaler Beziehungen zu Kuba, gibt es keinen verbindlichen Auslieferungsvertrag zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten. Wie ist das Leben im Exil? Wie ist es, von Familie und Freunden getrennt zu sein?: "Das Leben im Exil ist schwer. Ich vermisse meine Familie und Freunde. Ich vermisse die Kultur, die Musik, wie die Leute reden und ihre Kreativität. Ich vermisse den Wiedererkennungsblick, den schwarze Frauen einander zuwerfen, das Verständnis, das wir für einander ausdrücken, ohne ein Wort zu sagen. Ich lernte, mich den Erfordernissen anzupassen, indem ich zu verstehen begann, was in der Welt vor sich geht. Die Kubaner halfen mir, mich darauf einzurichten. Ich lernte, wie man Freude am Leben durch das Kennenlernen anderer Kulturen gewinnt. Es war ein Privileg für mich, hier her, in ein reiches Kulturleben zu kommen. Ich hatte große Angst, dass die Kubaner mich hassen würden, als ich ankam. Sie haben eine sehr differenzierte Sichtweise. Sie waren in der Lage, Menschen wie mich von deren Regierung zu trennen." Welche Botschaft hat sie für die Jugend unserer Bevölkerung? Was möchte sie die Leute von ihrem Leben wissen lassen: "Ich sehe keinen Unterschied zwischen mir und den Schwestern, die für soziale Gerechtigkeit kämpfen. In den 60ern war es leichter den Rassismus zu erkennen. Es gab Zeichen, die dir sagten, wohin du gehörst. Wir mussten dafür kämpfen, dass die Apartheid im Süden verschwindet. Jetzt müssen wir die anderen Spielarten kennen, die es heute gibt. Wir mussten lernen, dass wir schön sind. Wir mussten uns etwas wieder aneignen, dass sie uns mit Gewalt genommen hatten. Wir mussten etwas über unsere schwarze Kraft erfahren. Menschen haben Macht, wenn wir uns zusammentun. Wir lernten, wie wichtig es ist, zusammen zu kommen und aktiv zu sein. Das feuerte mich an. Wir wussten damals, was ein Gekaufter ist. Heute betrachten junge Leute Condoleeza Rice oder Colin Powell nicht als Gekaufte. Das ist ein Problem. Ich merkte, was mich mit Afrika verband. Ich war nicht nur eine farbiges Mädchen. Ich war ein Teil der ganzen Welt, die ein besseres Leben haben möchte. Ich gehöre zur Mehrheit und nicht zur Minderheit. Mein Leben ist ein Leben des Wachstums gewesen. Wenn du nicht wächst, wirst du die wahre Liebe nicht verstehen. Wenn du nicht über dich selbst hinauswächst, um anderen zu helfen, dann schrumpfst du. Mein Leben war aktiv. Ich bin kein Zuschauer. Wir können es uns nicht leisten, Zuschauer zu sein, während unser Leben gleichzeitig entartet. Wir müssen unsere Leute wirklich lieben und daran arbeiten, dass die Liebe stärker wird." Ms Shakur beendet gerade ein weiteres Buch über ihr Leben im Exil und ihre Erfahrungen in Kuba.
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