Mit entschlossenem Schwung trat der Präsident vor die Kameras im Rosengarten des Weißen Hauses. Finsteren Blicks verkündete er, Amerika werde nun energisch gegen den Schurkenstaat durchgreifen. Ein Ausschuss unter Leitung von Außenminister Colin Powell werde Maßnahmen für den "Übergang von einem stalinistischen Regime" zu "glücklichen Tagen" ausarbeiten. Dabei hatte George W.Bush nicht etwa Iran, Syrien oder Nordkorea im Visier. "Cuba sera pronto libre", verkündete er in feierlich-stockendem Spanisch.
» Wir werden nicht auf den Tag der kubanischen Freiheit warten, sondern für den Tag der Freiheit in Kuba arbeiten. «
George W.Bush
Dieser Tage legte der Ausschuss ein 500-seitiges Papier mit "Empfehlungen für den Sturz" des kubanischen Staatschefs Fidel Castro vor. Unter anderem soll die seit 1962 bestehende Handelsblockade gegen Kuba massiv verschärft und Dissidenten auf der Insel effizienter unterstützt werden. Dafür soll der Kongress zusätzliche 59 Millionen Dollar zur Verfügung stellen. "Wir werden nicht auf den Tag der kubanischen Freiheit warten, sondern für den Tag der Freiheit in Kuba arbeiten", kündigte Bush an.
Das Thema Kuba genoss schon immer hohe Priorität im Weißen Haus, gerade in Wahlkampfzeiten: Die Castro-feindlichen Exilkubaner in Florida spielen eine Schlüsselrolle bei der Entscheidung, wer der mächtigste Mann der Welt wird. Auch Bush verdankt seinen Einzug ins Weiße Haus den Kubanern im Sonnenstaat. 81 Prozent ihrer 450.000 Stimmen gingen vor vier Jahren an die Republikaner. Sie verschafften Bush den hauchdünnen Vorsprung bei dem Abstimm- und Auszählskandal in Florida und damit die Mehrheit der Wahlmänner.
Millionenschwer ins Exil
Bei der Wahl im November sei Florida erneut "Dreh- und Angelpunkt", prophezeit Bushs Chefberater Karl Rove. Der Präsident nimmt sich das zu Herzen. Schon 19 Mal gastierte er als Wahlkämpfer in Florida.
Dieser politischen Skurrilität liegt eine 45 Jahre alte Feindschaft zugrunde. Die Protagonisten sind Geheimdienste, Politiker, Juristen und schwerreiche Familien-Clans. Erbitterte und Unerbittliche stehen sich in Miami und Havanna nur 90 Meilen voneinander entfernt gegenüber. Alles begann 1959, als der junge Rebell Castro den Staatschef Fulgencio Batista aus Kuba verjagte. Der korrupte Präsident hatte Havanna zusammen mit dem Mafiaboss Meyer-Lansky zum glitzernden Bordell für wohlhabende Amerikaner gemacht.
Mit Batista flohen auch die zahlreichen Millionäre des Landes vor der sozialistischen Revolution. Ihre Liegenschaften auf der Insel wurden enteignet, doch ihr Geld hatten sie längst ins Ausland transferiert. Wie etwa die Familie der Rum-Dynastie Bacardí, die den Hauptteil ihres auf zwei Milliarden Dollar geschätzten Vermögens auf die Bahamas schaffte. Die meisten der Emigranten gingen nach Miami und schmiedeten Pläne zum Sturz Castros und zur Rückeroberung ihres Besitzes. Für eine Invasion wurden in Florida militärische Ausbildungslager eingerichtet, die vom US-Geheimdienst CIA logistisch unterstützt und von Exilanten wie den Bacardís finanziert wurden. Der erste Schlag gegen die alte Heimat scheiterte kläglich – in der Schweinebucht.
» Wer die Kubaner gewinnt, gewinnt Florida. Wer Florida gewinnt, gewinnt das Weiße Haus. «
Seit dem Desaster von 1961 ist der Kampf gegen Castro Pflichtprogramm in Florida. Dort haben die mittlerweile 700.000 Exilkubaner heimlich das Kommando übernommen, wirtschaftlich und politisch. Sie stellen unter anderen den Bürgermeister in Miami, den Polizeichef und den Herausgeber des Miami Herald. Die Hardliner der Castro-Gegner sind organisiert in der Cuban American National Foundation (Canf) mit Sitz in "Little Havana", wie ein Stadtteil von Miami heißt. Die Exilkubaner fordern besondere Liebesbeweise von ihrem Präsidenten, wie Canf-Exekutivdirektor Joe Garcia sagt: "Wer die Kubaner gewinnt, gewinnt Florida. Wer Florida gewinnt, gewinnt das Weiße Haus."
Bush pflegt sein anspruchsvolles Wählerklientel. Im Januar 2002 ernannte er den erzkonservativen Exilkubaner Otto Reich zum "Staatssekretär für Angelegenheiten der westlichen Hemisphäre" – ein Schlüsselposten im Außenministerium. Der Senat hatte starke Bedenken gegen Reich, da er in den achtziger Jahren die rechten Contras gegen die sandinistische Regierung in Nicaragua mit verbotenen Propaganda-Aktionen unterstützt hatte. Reich war zuletzt als Repräsentant für Bacardí-Rum tätig. Dafür bekam er laut New York Times 600.000 Dollar.
Eine der ersten Amtshandlungen Reichs war es, seinen Intimus James Cason zum Chef der US-Vertretung auf Kuba zu berufen. Die beiden kannten sich aus der Zeit, als Cason Vize-Botschafter in Honduras war, dem damaligen Stützpunkt der Contras. Mit der Ankunft Casons in Havanna im September 2002 verschärfte sich der Ton zwischen den beiden Ländern dramatisch.
Cason kündigte sogleich an, er wolle "den Prozess zu einem demokratischen Kuba beschleunigen". Dazu treffe er auch Mitglieder der Canf in Miami, "immer wenn es mir möglich ist". Zudem stellte Cason seine Residenz in Havanna Regimegegnern als Büro zur Verfügung. Castro warf ihm vor, damit das Wiener Abkommen über diplomatische Beziehungen zu verletzen. Die Regimegegner beschuldigte er, unter Casons Obhut Schriften wie die Revista de Cuba zu publizieren, die zum Staatsstreich aufrufen würden. Washington bezahle diese Umsturzversuche.
Tatsächlich lassen sich die USA die Hilfe für Castro-Gegner einiges kosten. Allein die staatliche Agency for International Development (USAID) investierte nach eigenen Angaben in den letzten sechs Jahren 22 Millionen Dollar in die "Unterstützung der Demokratie in Kuba". Im März 2003 wurden 75 Regimegegner zu Haftstrafen von bis zu 27 Jahren verurteilt.
Neue Flüchtlingswelle
Unter Cason setzte eine weitere Entwicklung ein, die die Spannungen zusätzlich verschärfte. Die USA stellten an ausreisewillige Kubaner kaum mehr Visa aus. Eigentlich hatte sich Washington 1994 in einem Migrationsabkommen mit Havanna verpflichtet, jährlich mindestens 20000 Green Cards in einem Lotterieverfahren zu vergeben. Doch in den ersten fünf Monaten von Casons Amtszeit waren es gerade mal 505.
Im selben Zeitraum begann eine Flüchtlingswelle in die USA. Dabei wurden auch zwei Schiffe und drei Flugzeuge in die USA entführt. Im April 2003 stoppte die kubanische Küstenwache eine gekaperte Fähre mit mehr als 40 Passagieren auf dem Weg von Havanna nach Florida. Drei Entführer wurden trotz internationalen Protests hingerichtet. Castro rechtfertigte sich mit dem Vorwurf, die USA wollten mit ihrer Visa-Politik die Kubaner zur Flucht ermutigen und so einen Aufruhr im Land provozieren. Dies solle Washington einen Grund geben, militärisch einzugreifen. Kuba stehe ohnehin längst auf Bushs Liste der Terrorstaaten.
Seit jeher hat Castro Attacken beklagt, die vom Nachbarn im Norden ausgingen. Sein Geheimdienst übergab im Juni 1998 ein Memorandum an FBI-Beamte, das auf 1200 Aktenseiten, Videos und Tonbändern Terroraktionen dokumentiert, die exilkubanische Gruppen in Miami seit Jahrzehnten gegen Kuba organisierten. Allein für die neunziger Jahre wurden 140 Anschlagspläne und ihre Hintermänner genannt. So gingen 1997 in Havannas Touristenzentren Bomben hoch. Sie detonierten in der berühmten Hemingway-Bar "Bodeguita del Medio" und in mehreren Hotels. Ein italienischer Tourist kam ums Leben.
Die FBI-Männer sagten Kuba ihre Hilfe zu. Doch der Schlag gegen das Netzwerk in Miami blieb aus. Stattdessen nahm die Bundespolizei im September 1998 fünf Kubaner in Florida fest, die das Material für die Dokumentation geliefert hatten. Und diese Festnahmen könnten die Präsidentenwahl in diesem Jahr entscheidend beeinflussen: Dass die Castro-Emissäre nicht frei kommen, liegt den Florida-Kubanern mehr am Herzen als der Irak-Krieg.
Auf einem Auge blind
Kubas Terror-Memorandum nannte als folgenreichstes Attentat den Bombenanschlag auf ein kubanisches Verkehrsflugzeug, das 1976 auf dem Weg von Barbados nach Havanna in der Luft explodierte. 73 Menschen starben. Als Drahtzieher wurden damals in Venezuela zwei Exilkubaner verhaftet: die erbitterten Castro-Gegner und Schweinebucht-Veteranen Luis Posada und Orlando Bosch. Auf verblüffende Weise kamen beide einige Jahre später aus dem Gefängnis frei. Posada gelang als Priester verkleidet die Flucht, Bosch wurde auf diplomatischen Druck hin freigelassen. Damals US-Botschafter in Caracas: Otto Reich.
Bosch lebt inzwischen in Miami. Seinen Asylantrag hatte das US-Justizministerium 1990 zwar abgelehnt, wegen "terroristischer Aktivitäten". Doch Präsident George Bush senior setzte sich über das Votum hinweg – auf Empfehlung von Otto Reich.
Auch Posada hatte eigentlich gute Beziehungen zu den US-Behörden und einflussreichen Exilkubanern. Der New York Times sagte er, dass "das FBI und die CIA mich nicht belästigen. Wann immer ich ihnen helfen kann, tue ich es". Posada erklärte der Zeitung weiterhin, dass er Geld von der Canf erhalte. Auch zu Otto Reich pflegte Posada gute Kontakte, da er einst Waffen an die Contras geliefert hatte. Dennoch sitzt Posada seit April wieder im Gefängnis. In Panama wurde er wegen eines gescheiterten Attentats zu acht Jahren Haft verurteilt. Eine 40-Kilo-Bombe sollte beim Ibero-Amerikanischen Gipfeltreffen 2000 in der Aula der Universität von Panama-Stadt hochgehen. Dort als Redner angekündigt: Fidel Castro.
Vor dem Anschlagsversuch hatte Kuba den FBI in seinem Memorandum ausdrücklich auf Posada hingewiesen. Doch der blieb unbehelligt. Im Gegensatz zu den fünf Autoren des Schriftstücks, die 1998 in Florida verhaftet wurden. Sie saßen 31 Monate in Untersuchungshaft, bis ihr Prozess eröffnet wurde, der dann sieben Monate dauerte. Es war damit das längste Strafverfahren in der US-Justizgeschichte. Der Hauptanklagepunkt war Spionage. Nach US-Recht ist dies "das Sammeln von Daten über die nationale Sicherheit, um den USA Schaden zuzufügen". Da die Fünf aber nur private Gruppen wie die Canf ausgekundschaftet hatten, versuchte der Staatsanwalt eine "Verschwörung zur Spionage" nachzuweisen. Eines Tages hätten die Fünf die geheimen Informationen "schon noch erhalten", sagte er in seinem Plädoyer. Die Geschworenen folgten dieser Logik. Das Urteil: Doppelt lebenslang plus 15 Jahre, lebenslang plus 18 Jahre, lebenslang plus 10 Jahre, 19 Jahre und 15 Jahre.
Spielball im Wahlkampf
Seit März prüft ein Berufungsgericht in Atlanta, ob das Verfahren noch einmal aufgerollt wird. Beantragt hatte dies der bekannte New Yorker Anwalt Leonard Weinglass mit der Begründung, dass ein fairer Prozess in Miami unmöglich gewesen sei. Die Geschworenen seien unter dem extremen Druck der exilkubanischen Gemeinde gestanden. Doch eine neue Verhandlung mit einer möglichen Korrektur des Urteils liegt wohl in weiter Ferne.
Weinglass äußerte seine Befürchtung, das Berufungsgericht könnte seine Entscheidung bis nach die Präsidentschaftswahl hinauszögern. Schon vor vier Jahren war ein Kubaner entscheidender Spielball beim Kampf ums Weiße Haus: Gegen den Widerstand der Exilkubaner in Florida hatte die demokratische Justizministerin Janet Reno verfügt, dass der Flüchtlingsjunge Elián zu seinem Vater nach Kuba zurückgebracht wurde. Kurz danach fand die Wahl statt, und Reno war nicht mehr Ministerin.
Nachdem Weinglass den Berufungsantrag gestellt hatte, drohte die Canf, Bush könne nicht mehr mit ihren Stimmen rechnen, wenn er seine Kuba-Politik nicht verschärfe. Zehn US-Präsidenten hat Castro mittlerweile erlebt. In Florida wird sich wohl entscheiden, ob es noch mehr werden.