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Aufruf zur Unterstützung der Verteidigung der fünf kubanischen politischen Gefangenen
Wir unterstützen die Bemühungen der Verteidigung der fünf politischen Gefangenen aus Kuba, die im Dezember 2001 vom Federal Distrikt im südlichen Florida in einem Verfahren wegen Spionage zu Freiheitsstrafen von 15 Jahren bis lebenslänglich (zweimal) verurteilt wurden, insbesondere:
Berlin und Bremen im Dezember 2002
Unterzeichner:
*Guter Terror, schlechter Terror*
++Während die USA ihre Interventionspolitik als "Feldzug gegen den Terror" verkaufen, halten sie ihre schützende Hand über antikubanische Terrororganisationen. Fünf Kubaner, die diese Gruppen ausgekundschaftet haben, wurden nun wegen "Spionage" verurteilt++
Am 27. Dezember 2001 verurteilte das Federal District Court im südlichen Florida fünf kubanische Staatsbürger zu exorbitanten Haftstrafen. Ramón Labañino, René González, Fernando González und Antonio Guerrero müssen wegen des Vorwurfs der Spionage zwischen 15 Jahren und lebenslänglich hinter Gitter. Gerardo Hernández erhielt sogar mehr als zwei Mal lebenslänglich er war als einziger auch wegen Mordes angeklagt. Inzwischen haben die "Miami five" das Urteil angefochten, und in vielen Ländern haben sich Solidaritätskomitees für sie gegründet. +Die Hintergründe+ Hintergrund des Spionagevorwurfs sind die Terrorangriffe, die exilkubanische Gruppen seit Jahrzehnten gegen das sozialistische Insel organisieren, und deren Zusammenhänge die fünf ausgekundschaftet haben. Im Juni 1998 legte die kubanische Regierung dem FBI ein Memorandum vor, das dokumentierte, welche terroristischen Aktivitäten von Miami aus gegen Kuba durchgeführt wurden. Die US-BundespolizistInnen erhielten die Beweise in vier Ordnern mit jeweils mehr als 300 Blatt Papier, auf acht Audiokassetten und rund zweieinhalb Stunden Videoaufnahmen. Seit über 40 Jahren geht vom Boden der USA Terrorismus gegen Kuba aus, eins der bekanntesten Verbrechen war das Attentat auf ein Flugzeug der kubanischen Fluglinie Cubana de Aviación, das 1976 in der Luft explodierte. 73 Menschen starben. 1997 gab es eine Reihe von Bombenanschlägen auf kubanische Touristenzentren, ein italienischer Tourist kam ums Leben, viele weitere wurden verletzt. Was wenig überraschend sein dürfte: Die US-amerikanischen Behörden ignorierten das ihnen vorgelegte Material und machten keine Anstalten, den von ihrem Boden ausgehenden Terrorismus zu bekämpfen. Stattdessen hoben sie nur 90 Tage später im südlichen Florida ein Informanten-Netzwerk mit dem Namen "Wespe" aus, das die Informationen über die terroristischen Aktivitäten geliefert hatte. Die fünf Angeklagten bestreiten nicht, dass sie exilkubanische Organisationen ausgekundschaftet haben und ihre Informationen nach Kuba übermittelt haben. Doch, jenseits aller moralischen und politischen Erwägungen: Die Sammlung von Informationen über private Gruppen ist auch in den Vereinigten Staaten keine Straftat. Um die missliebigen Sammler lebenslang hinter Gitter stecken zu können, musste schwereres Geschütz aufgefahren werden. +Verhaftung und Anklage+ Die Miami five wurden in den Morgenstunden des 12. September 1998 verhaftet und im FBI-Hauptquartier Stunden lang verhört. Anwaltlichen Beistand erhielten sie erst zweieinhalb Tage später. 17 Monate lang wurden sie in so genannte special housing units gesperrt: Arrestzellen, in die Gefangene nur zeitweise zur Bestrafung von groben Verstößen gegen die Anstaltsordnung gesperrt werden dürfen, etwa Drogen- und Waffenbesitz. Im Knastjargon heißen diese Zellen "the hole", das Loch. In anderthalb Jahren Arrestzelle waren der einzige erlaubte Kontakt zur Außenwelt die Gespräche mit den Anwälten, bei denen die Gefangenen Handschellen trugen und dickes Glas die Gesprächspartner trennte. Bei Prozeßbeginn am 27. November 2000 enthielt die Anklageliste 26 Punkte. Die drei gewichtigsten lauteten Verschwörung mit dem Ziel, Straftaten gegen den Staat zu begehen, Übermittlung von Staatsgeheimnissen nach Kuba und Verschwörung zum Mord. Die übrigen 23 Anklagepunkte waren eine Sammlung von Vorwürfen, die sich entweder auf die Benutzung falscher Identitäten beziehen oder auf Vorschriften, die von ausländischen Agenten, vor allem von kubanischen, eine offizielle Anmeldung, quasi eine Selbstanzeige, verlangen. (Zur Vertiefung: Titel 18, Sektion 951 des US-Code, auch im Internet unter der Zitierung "18 USC 951" zu finden.) Punkt eins der Anklage lautete auf eine Verschwörung mit dem Ziel, gegen den Staat gerichtete Straftaten zu begehen (18 USC 371). Da die Angeklagten Verstöße gegen Passvorschriften zugegeben haben, die ja auch Straftaten gegen den Staat sind, berief sich die Verteidigung in diesem Punkt auf Notstand: Die Angeklagten waren mit der Wahl zwischen zwei Übeln konfrontiert -- entweder gegen diese Gesetze zu verstoßen oder den Tod von Menschen durch Terroristen in Kauf zu nehmen. Sie entschieden sich für das kleinere Übel, und sie hatten bei der Angabe ihrer Identität keine Alternative zum Gesetzesverstoß. Punkt zwei der Anklage betraf das Weiterleiten von Informationen über die nationale Verteidigung zum Vorteil Kubas und Nachteil der USA (18 USC 794). Einer der Angeklagten, Antonio Guerrero, war als ungelernter Arbeiter auf der Boca Chica Marinebasis beschäftigt. Als Hilfsarbeiter hatte er keinerlei Zugang zu Geheimdokumenten. Zwar stellte er Informationen zusammen und übermittelte sie nach Kuba, die Verteidigung legte jedoch dar, dass alle Informationen über die Marinebasis aus öffentlichen Quellen stammten. Die Regierung hat - einzigartig in einem so genannten Spionagefall - nicht behauptet, dass die Angeklagten jemals Geheiminformationen in der Hand gehabt hätten oder auch nur nach ihnen gesucht hätten. Ein Pentagon-Sprecher äußerte sich ähnlich. Es ist aber Voraussetzung für eine Verurteilung wegen Spionage, dass besonders geschützte Information erlangt werden muss, die zudem geeignet ist, dem Staat Schaden zuzufügen. Die Suche nach solchen Informationen war gar nicht Aufgabe oder Ziel des "Wespen"-Netzwerks. Das hielt jedoch die Jury nicht davon ab, die Angeklagten als der Spionage schuldig zu befinden. In Punkt drei wurde der Hauptangeklagte, Gerardo Hernandez, beschuldigt, an einer Mordverschwörung mitgewirkt zu haben (18 USC 1111). Am 24. Februar 1996 wurden zwei Privatflugzeuge der aus Miami stammenden Organisation "Brothers to the Rescue" von kubanischer Seite abgeschossen, vier Mitglieder der Organisation starben. Der Abschuss war der traurige Höhepunkt einer seit längerem fortschreitenden Eskalation zwischen "Brothers to the Rescue" und Kuba. Die "Brothers" patrouillierten regelmäßig in Privatflugzeugen vor der kubanischen Küste. Kuba hatte sich bereits bei den US-Behörden über Luftraumverletzungen und den Abwurf von Propagandamaterial beschwert und vor Konsequenzen gewarnt. An dem fraglichen Tag änderten die Flugzeuge plötzlich den genehmigten Kurs und hielten auf Havanna zu, ohne - wie es international Pflicht ist - die umliegenden Bodenstationen zu benachrichtigen. Sie durchflogen dabei ein Gebiet, das Kuba schon Tage zuvor für diesen Zeitraum zum militärischen Übungsgebiet erklärt hatte. Die Anklage versuchte nun im Prozess, Gerardo Hernandez persönlich für den Tod der vier "Brothers"-Mitglieder verantwortlich zu machen. Er war den "Brothers" beigetreten und flog mit ihnen. Im Vorfeld des Abschusses wurden Nachrichten zwischen ihm und Kuba abgefangen. Aus den Nachrichten wird ersichtlich, dass Kuba für den fraglichen Zeitraum Provokationen befürchtete, denn es fand zeitgleich ein Treffen von Dissidenten in Havanna statt. In einer der Nachrichten wird Hernandez instruiert, dass er und seine Mitstreiter an den fraglichen Tagen "unter keinen Umständen [...] mit BTTR [...] fliegen sollten, um Zwischenfälle oder etwaige Provokationen und unsere Antwort darauf zu vermeiden". Und diese Nachricht sollte als Beweis für eine Mordbeteiligung herhalten? Für die Jury reichte es: Gerardo Hernandez wurde des Mordes für schuldig befunden. +Massive öffentliche Vorverurteilung+ Was für eine Jury konnte zu diesem Ergebnis kommen? Die exilkubanische Gemeinde hat maßgeblichen Einfluß auf das öffentliche Leben und die öffentliche Meinung in Miami. Zwar war es der Verteidigung gelungen, alle KubanoamerikanerInnen aus der Jury zu entfernen, aber es half nicht viel. Der "foreman" der Jury sagte, befragt nach seiner Meinung zu Kuba: "Ich halte Fidel Castro für einen kommunistischen Diktator, und ich werde froh sein, an dem Tag, an dem er entfernt wird." Zwei weitere Jurymitglieder schlossen sich dem an. Wegen der zentralen Rolle, die die Jury im US-Strafprozess spielt, ist ihre strikte Neutralität zwingende Voraussetzung eines fairen Verfahrens. Die Verteidigung hatte von Anfang an erklärt, dass der Prozess verlegt werden müsse, denn in Miami-Dade County ist es unmöglich, eine Jury zu finden, die nicht von den mächtigen lokalen Meinungsmachern gegen Kuba beeinflusst ist. Das Gericht verweigerte jedoch die Verlegung. +Ausblick+ Die Anwälte erhielten später indirekt Recht: Der gleiche Staatsanwalt, der im Fall der fünf das Gericht davon überzeugt hatte, die Verlegung des Prozesses sei unnötig, weil Miami als "urbanes Zentrum" sehr "heterogen" sei - dieser gleiche Staatsanwalt begehrte kürzlich selbst in einem anderen Fall eine Verlegung. Er stützte sich dabei auf die gleichen Argumente, auf die massiven öffentlichen Vorurteile, die auch die Verteidigung der fünf vorgebracht hatte. Leonard Weinglass, vormals Anwalt von Mumia Abu-Jamal und seit kurzem Verteidiger von Antonio Guerrero, brachte deswegen eine "New Trial Motion" ein, mit der er die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und eine Neuaufnahme des Prozesses beantragt. Die Entscheidung steht noch aus, vor Mitte Januar ist mit Neuigkeiten nicht zu rechnen. Parallel dazu wurde Berufung gegen das Urteil eingelegt. Der Fortgang der Berufung ist derzeit von einer anderen ausstehenden Entscheidung gehemmt. Trotz eklatantem Mangel an Geheimdokumenten war im Verfahren der so genannte Classified Information Procedures Act angewendet worden - ein Gesetz über den Umgang mit Geheiminformationen vor Gericht, das vor allem die Rechte der Verteidigung einschränkt: Es gab ein geheimes Gespräch zwischen dem Gericht und Regierungsvertretern. Die Verteidigung begehrt Einsicht in das Gesprächsprotokoll. Erst nach dieser Entscheidung kann das Berufungsverfahren vorangebracht werden. Derweil sind die fünf Angeklagten über Gefängnisse im ganzen Land verteilt, was die Verteidigung sehr erschwert. Die Regierung behindert auch nach dem Urteil noch den Kontakt zu Familienmitgliedern: Den Ehefrauen von zwei der Angeklagten wurde die Einreise ins Land verweigert. Auch bezüglich anderer Rechte wie dem auf Bewegung unterliegen sie strengen Beschränkungen. #Verena Grundmann, Eberhard Schultz#
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