Leonard Weinglass, der Anwalt von Antonio Guerrero hielt sich eine Woche in Havanna auf, um mit cubanischen Rechtsexperten den Fall zu besprechen. Dabei sprach er mit Mitarbeitern der Website Antiterroristas.cu und brachte uns, was den Fall angeht, auf den neuesten Stand. Auf die Frage, warum die Presse in den USA nichts über den Fall bringe, bemerkte er, dass die Presse noch nie so wenig Ansehen gehabt habe, wie dies im Augenblick der Fall sei. Deswegen amüsiere es ihn auch und finde er es kurios, dass das Büro des Staatsanwalts der Vereinigten Staaten, das sich gegen den Antrag für ein neues Gerichtsverfahren für die 5 ausgesprochen hat, häufig diese Website besuche, was beweise, wie verzweifelt sie seien.

Antiterroristas: Könnten Sie uns, was die rechtlichen Aspekte des Falls betrifft, auf den neuesten Stand bringen?

(Leonard Weinglass) Nun, im Augenblick kämpfen wir auf zwei verschiedenen Ebenen.
Einmal steht der Fall vor dem 11. Distrikt des Berufungsgerichts in Atlanta an und kürzlich hat man uns mitgeteilt, dass wir unsere Dokumente dort am 7. April einreichen müssen, was uns mehr Zeit lässt uns vorzubereiten.
Zum zweiten vertreten wir den Fall noch vor dem Bezirksgericht in Miami, Florida, wo noch zwei Anträge anstehen. Einer hat mit dem Zugang zu den geheimen Dokumenten zu tun (die in der Verhandlung gegen die Fünf verwendet wurden), die wir nie gesehen haben und der zweite ist der Antrag für ein Wiederaufnahmeverfahren. Für keinen der beiden Anträge steht das Datum für eine Anhörung oder eine Entscheidung fest. Kurz gesagt, die Dokumente müssen noch dem 11. Distrikt vorgelegt werden und wir warten noch auf die Entscheidung der Richterin hinsichtlich der zwei noch anhängigen Anträge vor dem Bezirksgericht.

Antiterroristas: Sie sagen, dass das Datum für die Anhörung vor dem Bezirksgericht noch nicht festgesetzt wurde. Glauben Sie, dass die Richterin wegen der politischen Natur dieses Prozesses versucht, Zeit zu gewinnen?

(Weinglass): Nun, das ist schwer zu sagen, weil ich nicht weiß, wie ihr Terminplan aussieht und welche anderen Verfahren noch anstehen. Im Augenblick kann ich den Gerichten noch keine Verzögerung vorwerfen, denn diese Dinge brauchen immer ihre Zeit und es ist noch nicht genügend Zeit vergangen, um den Vorwurf einer absichtlichen Verschleppung in Betracht zu ziehen.

Antiterroristas: In wie weit werden die von der Verteidigung in dem Fall vorgebrachten amicus Stellungnahmen hilfreich sein?

(Weinglass): Es gibt zwei amicus Stellungnahmen, die eingereicht wurden – eine vom National Jury Project und eine andere von der National Lawyers Guild, einer Organisation von 5000 Anwälten, die jetzt noch durch eine Erklärung der International Association of Democratic Lawyers unterstützt worden ist. Diese amicus Stellungnahmen helfen auf verschiedene Art und Weise. Einmal zeigen sie den Gerichten – und das ist sehr wichtig – dass der Fall nationale, ja sogar internationale Bedeutung erlangt hat. Das erhöht die Wichtigkeit des Falles für das Gericht. Unsere Sorge ist, dass das Gericht dies als einen kleinen Fall in der Rechtssprechung Miamis ansehen könnte, der nur für die Stadt und den Bezirk von Interesse wäre. Mit diesen Dokumenten können wir die Wichtigkeit verdeutlichen, die der Fall auf nationaler und internationaler Ebene verdient.

Antiterroristas: Könnten sie etwas zu der Bekanntheit sagen, die der Fall kürzlich gewonnen hat, die teilweise auf die öffentlichen Erklärungen zurückgeht, die sie auf Kundgebungen gegen den erwarteten Krieg gegen den Irak gemacht haben?

(Weinglass): Zunächst einmal lassen Sie mich sagen, dass alle Personen, mit denen ich über diesen Fall gesprochen habe, großes Interesse daran gezeigt haben. Unglücklicherweise haben die Medien in den Vereinigten Staaten nicht viele Informationen darüber verbreitet. Deswegen hatten die meisten Personen, mit denen ich über das Thema sprach, noch nie zuvor irgendwelche Informationen erhalten. Wenn sie einmal davon wissen, reagieren sie. Die Verbreitung von Informationen über den Fall, wie auch über alle anderen Fälle politischen Charakters, mit denen ich befasst war, ist sehr wichtig, um Unterstützung zu gewinnen. Ein Fall, der in den Vereinigten Staaten Unterstützung hat, wird von den Gerichten anders behandelt. Selbst die konservativsten und reaktionärsten Personen geben dies zu. Fälle wie der von Angela Davis, The Chicago Seven und die Pentagon Dokumente wurden hauptsächlich deshalb gewonnen, weil es gelang, Unterstützung zu erreichen.

Antiterroristas: Was wird unternommen, um sich auf den 7. April vor dem 11. Bezirksgericht vorzubereiten?

(Weinglass): Am 7. April legen wir unsere Ausführungen schriftlich dem Gericht vor. Diese Berichte haben eine begrenzte Seitenzahl und dies wird unser erster Bericht für das Gericht des 11. Distrikts sein. Dann wird die Regierung mit ihren Ausführungen darauf antworten – wahrscheinlich irgendwann im August. Danach werden wir die Möglichkeit haben, auf die Berichte der Regierung zu antworten und das wird nach meiner Einschätzung vermutlich im September sein. Dann legt das Gericht ein Datum für die mündliche Anhörung fest. Ich kann dafür garantieren, dass es zu diesem Fall eine mündliche Anhörung vor dem Gericht des 11. Distrikts geben wird, aber ich weiß nicht, an welchem Tag dies sein wird und es ist sogar schwierig den Monat vorherzusagen. Wenn ich jetzt ein Datum nennen müsste, so würde ich sagen, dass der Fall Ende diesen Jahres oder möglicherweise zu Beginn des nächsten Jahres behandelt wird.
Danach wird sich das Gericht zurückziehen um den Fall zu beraten; die drei Richter kommen zusammen, analysieren die Berichte und treffen eine Entscheidung. Es ist äußerst schwer zu sagen, wann sie ihre Entscheidung treffen werden. Ich war mit Fällen befasst, bei denen sie nach 60 Tagen ihre Entscheidung bekannt gegeben haben und bei anderen hat es mehr als ein Jahr gedauert. Dies hier ist ein großer Fall, und ein solcher Fall dauert normalerweise länger. Trotzdem, ich habe keine Formel parat, die sagen könnte, wann wir die Entscheidung haben werden.

Antiterroristas: Welches sind die Hauptanwälte, die den Fall vor dem 11. Distrikt einreichen?

(Weinglass): Nun, da gibt es die Anwälte, die ursprünglich an dem Prozess beteiligt waren und die mit allen Vorgängen vertraut sind. Sie sind als Informationsquelle sehr wichtig und als Mitarbeiter für das Berufungsgericht. Für die Berufungen wird wahrscheinlich Richard Klugh vom Büro der Öffentlichen Verteidiger Miamis zuständig sein. Er ist der Vorgesetzte von jenen, die die Berufungen schreiben und er ist eine sehr fähige und kompetente Persönlichkeit. Ich werde auch dabei sein, aber ich arbeite nicht allein. Es gibt einen Spezialisten in Urteilsbegründungen, der mit mir zusammen arbeitet. Drei Studenten von der Juristischen Fakultät der New Yorker Universität arbeiten als Freiwillige mit mir und ich habe die Rechtsberatung der Juristischen Fakultät der Harvard Universität, die mit anderen Angelegenheiten des Falles befasst ist. Wahrscheinlich sind es so an die sieben, acht Leute, die mit mir arbeiten. Wir bereiten die ganzen Papiere zusammen vor und sie gehen an fünf, möglicherweise sechs Rechtsanwälte. Wir kommen alle zusammen und diskutieren die Papiere, die wir am 7. April vorlegen werden.

Antiterroristas: Was geschieht mit der Berufung, wenn der Antrag zur Wiederaufnahme des Verfahrens von der Richterin Lenard (die vorsitzende Richterin in dem Prozess, der zur Verurteilung führte) angenommen wird?

(Weinglass): Wenn der Antrag angenommen wird, werden wir das zuerst ganz groß feiern und dann die Berufung zurückziehen. Dann wird das Gericht einen anderen Gerichtsort auswählen und dann werden wir mit den Vorbereitungen für den zweiten Prozess beginnen. Ich habe noch nicht alle Besonderheiten dies betreffend genau durchdacht – es wäre gut, das einmal zu tun – aber ich glaube, dass die Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag wahrscheinlich vor dem 7. April getroffen werden wird. Ich kann nicht sagen, ob es dazu eine Anhörung geben wird, bei der wir Zeugen und Beweise präsentieren können, denn diese Entscheidung hängt von der Richterin Lenard ab. Sie kann entweder über den Fall nur auf der Grundlage der Dokumente entscheiden, die wir vorgelegt haben oder sie kann ein Datum für die Zeugenaussagen und die mündlichen Stellungnahmen festsetzen. Wir wissen noch nicht, was sie tun wird. Wir haben natürlich eine mündliche Verhandlung und eine Anhörung beantragt.

Antiterroristas: Am Donnerstag, den 16. Januar, machte der Präsident des cubanischen Parlaments Ricardo Alarcón eine Mitteilung an die Presse in Havanna, in der er erklärte, dass die Dokumente über vom Boden der USA ausgehende gegen Cuba gerichtete terroristische Angriffe, die sie 1998 zunächst dem FBI und dann der New York Times übergeben haben, jetzt auf unserer Website eingesehen werden können. Die New York Times hat die Informationen aus diesen Dokumenten mehr als viereinhalb Jahre nicht veröffentlicht und jetzt sehen wir in den heutigen Berichten der US Presse eine zahme und verzerrte Reaktion auf die Enthüllungen von Alarcón; niemand hat diese Website erwähnt, obwohl sie alle diese Informationen enthält. Es ist ganz offensichtlich eine anhaltende Tendenz der großen Medien in den USA, dies alles auf kleiner Flamme zu kochen, wenn sie es denn überhaupt erwähnen. Warum glauben Sie ist das so?

(Weinglass): Der Zustand der Medien in den Vereinigten Staaten ist auf einem Tiefpunkt angelangt. Gestern machte CNN eine Meinungsumfrage, ob die US-Amerikaner besorgt über die pyramidenförmige Eigentumsstruktur der Medien in den USA seien. Immer weniger unserer Massenmedien sind unabhängig, die meisten von ihnen gehören immer wenigeren großen Korporationen. Das Ergebnis dieser Meinungsumfrage war, dass mehr als 96% besorgt sind. CNN sagte, dass in all den Jahren der Meinungsumfragen in der US-amerikanischen Öffentlichkeit dies der höchste Prozentsatz gewesen sei, der jemals bei einer Meinungsumfrage erreicht wurde. So kann ich mit Freude feststellen, und natürlich spreche ich hier als Anwalt, dass 96% meiner Landsleute sich des Offensichtlichen bewusst sind, nämlich dass wir von unseren Medien keine Informationen erhalten. Wir sind dabei, gegen den Irak in den Krieg zu ziehen; die Wirtschaft ist in einem schrecklichen Zustand; diese Regierung geht nur auf die Bedürfnisse der wohlhabendsten Amerikaner ein. Über keines dieser Themen, genauso wenig wie über unseren Fall, gibt es eine angemessene Diskussion in unseren Medien. Dies ist eine tragische Situation und es überrascht mich in keiner Weise, dass die Medien auf Präsident Alarcóns Bemerkungen nicht eingehen. Hoffentlich, und das ist unsere letzte Hoffnung, nimmt das Internet die Informationen auf. Am 18. Januar wird es überall in den Vereinigten Staaten große Demonstrationen geben, nicht nur in Washington, Los Angeles, San Francisco, Chicago und New York, sondern auch in kleinen Städten wie Tampa, St. Louis und anderen. Das liegt an dem großen Interesse des Internets an diesen Anti-Kriegsdemonstrationen. Ich prophezeie, dass dort wahrscheinlich mehr Leute auf den Straßen sein werden als irgendwann früher, die Zeiten des Vietnamkriegs eingeschlossen.

Antiterroristas: Können Sie etwas dazu sagen, wie es Ihrem Klienten Antonio geht?

(Weinglass): Ich habe mit ihm einen Tag, bevor ich nach Cuba kam, gesprochen und es geht ihm sehr gut. Seine Stimme war klar und fest. Er klingt glücklich – wir haben ein wenig gelacht. Wir arbeiten zusammen bei den Anklagepunkten, auf Grund derer er verurteilt wurde und das funktioniert gut. Er freut sich darauf, seine Familie zu sehen. Er ist guten Mutes, er klingt stark und hat mich gebeten, alle schön zu grüßen.

Antiterroristas: Wir haben festgestellt, dass das Büro des Staatsanwalts in Miami Dade County fast jeden Tag unsere Website besucht. Gibt es dazu einen Kommentar?

(Weinglass): Ich war überrascht, als ich zum ersten mal davon erfuhr. Ich denke, das zeigt, wie verzweifelt sie über diesen Fall sind, dass sie meinen, sie müssten so etwas tun. Ich habe noch nie so etwas gehört. Als wir den Antrag für ein neues Verfahren im letzten November einreichten, hatte der Staatsanwalt den Regeln entsprechend zehn Tage Zeit darauf zu antworten. Nun, sie lasen ihn und setzten sich mit mir in Verbindung und baten um fünf Wochen. Wir stimmten zu. Dann setzten sie sich wiederum mit mir in Verbindung und sagten, sie würden es in fünf Wochen nicht schaffen und baten um noch mehr Zeit. Sie haben bis Weihnachten gebraucht, um ihre Papiere fertig zu stellen. Wir haben das Gefühl, dass sie ziemlich schwach sind.
Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass sie ein gutes Gefühl haben, was den Fall angeht. Ich glaube sie gucken sich nach allen Quellen um, die sie finden können. Man kann Sie beglückwünschen, eine dieser Quellen zu sein und ich denke, Sie machen eine wundervolle Arbeit. Die Staatsanwälte sind jetzt einige Ihrer besten Kunden und das ist ein gutes Zeichen für uns.

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