Ihr Kuba-Beitrag im Weltspiegel vom 18.05.2003, -

ein "Kotau vor Bushs antikubanischem Kurs?"

(Zitat von Hans Modrow vor dem Europa-Parlament anlässlich der Verleihung des Sacharowpreises an Osvaldo Paya)

Sehr geehrte Frau Hassel, sehr geehrter Herr Hübner, sehr geehrte Damen und Herren,

ach, hätten Sie doch recht mit Ihrer Darstellung der "Dissidentenszene" in Kuba, wir brauchten keine Angst um unsere Freunde zu haben!

Ihr Team war offensichtlich in Kuba und konnte vor Ort drehen. Wie können Sie es nur mit Ihrem Gewissen oder mit Ihrer Auffassung von redlichem Journalismus vereinbaren, die Situation so einseitig darzustellen, nämlich überwiegend aus der Sicht eines vielleicht "nur romantischen" Physiklehrers, Osvaldo Payá, der von "mehr Demokratie in Kuba" träumt und es tatsächlich geschafft hatte, vom Europaparlament den "Sacharow-Preis" in Empfang zu nehmen, sich danach in Florida mit der exilkubanischen Mafia zu treffen und dann "seelenruhig" in sein Heimatland zurückzukehren und dort weiter seinem Lehramt nachzugehen?

Wissen Sie denn nicht, mit wessen Hilfe Bush die Wahl gewonnen hat und wem er sich in seiner Kuba-Politik daher verpflichtet fühlt, dass er nach dem 11. September einen Krieg nach dem anderen vom Zaun bricht, dass danach die Verhältnisse in Afghanistan oder jetzt im Irak nicht befriedet oder "demokratisch" geworden sind?

Ist es Ihnen tatsächlich entgangen, dass Bush innerhalb der USA die rechtsstaatlichen Mittel nach und nach immer mehr außer Kraft gesetzt hat, dass die Verhältnisse innerhalb der USA z.B. laut dem renommierten US-amerikanischen Autor und Lateinamerikaexperten, James D. Cockcroft, nach dem 11. September schlimmer geworden sind als in der "McCarthy-Ära" zu Beginn des Kalten Krieges?

- Der Autor hält übrigens am 28.05. in Düsseldorf im PDS-Zentrum, Corneliusstr. 108 um 19.30 Uhr einen Vortrag mit dem Titel: "Only ‚stupid white men’? Bushs country und das ‚andere Amerika’. -

Man hat den Kubanern in der Vergangenheit schon oft Paranoia und Fidel Castro Zweckpessimismus unterstellt. Aber die Zahlen der UNESCO sprechen eine andere Sprache, z.B. bis 1999 3.478 Todesopfer und 2.099 Invalide unter der kubanischen Bevölkerung aufgrund von Terroranschlägen aus den von der CIA ausgebildeten und finanziell unterstützten exilkubanischen Organisationen, den Nachfahren des Batista-Regimes, das über 20.000 Tote und Verschwundene gekostet hatte.

In jüngster Zeit durfte der von der Bush-Administration als Chef der Interessenvertretung in Havanna eingesetzte, James Cason, das Land bereisen, die eigentlich unter einander zerstrittene "Dissidenz" in Kuba um sich versammeln mit Finanzmitteln und mit Laptops ausrüsten und versuchen, ihren Widerstand gegen das Regime zu stabilisieren. Würde es der deutsche Verfassungsschutz erlauben, dass ein ausländischer Diplomat derart subversiv tätig wird?

Haben Sie noch nie vom Migrationsabkommen zwischen den USA und Kuba, dem Cuban-Adjustment Act gehört, der den ausreisewilligen Kubanern z.B. seit 1994 jährlich 20.000 Visa in die USA genehmigte, diese Zahl aber von den USA bei Weitem nicht eingehalten wird (seit Oktober – der Migrationsvertrag wurde im Oktober 1994 abgeschlossen - letzten Jahres wurden z.B. nur 500 genehmigt), der aber stattdessen die Zusatzklausel enthält, dass wenn einem Kubaner auf illegalem Wege das Betreten US-amerikanischen Bodens gelingt, ihm Asylrecht gewährt wird und nach Ablauf einiger Zeit die US-Staatsbürgerschaft, dass gleichzeitig die Wirtschaftsblockade verschärft wurde und US-amerikanische Radiosender von Miami aus rund um die Uhr die wirtschaftlich benachteiligten Kubaner in die USA locken, deren Angeboten vor allem Kriminelle erliegen, die vor gewaltsamen Entführungen von Flugzeugen und Passagierbooten nicht zurückschrecken, zumal sie wissen, dass sie bei erfolgreicher Landung in Florida straffrei ausgehen.

Die überwiegende Mehrheit der Kubasympathisanten auf der ganzen Welt war erschrocken über die drakonischen Maßnahmen, die die kubanische Regierung nach immerhin 7 Flugzeugentführungen innerhalb von 7 Monaten dagegen ergriff. Auch wir waren besonders erschrocken über die 3 Exekutierungen an 11 der Fährenentführer.

Aber die Hintergründe der Angelegenheit machen vieles verständlich.

Haben Sie wirklich so wenig Geschichtsbewusstsein? Haben Sie vergessen, wie das Hitlerregime vor dem II. Weltkrieg auch im Ausland verharmlost wurde?

Haben Sie wirklich noch nie davon gehört oder gelesen, dass schon der Großvater des jetzigen US-Präsidenten Waffengeschäfte mit Hitler machte?

Wir hatten schon Hoffnung geschöpft, dass im deutschen Fernsehen immerhin eine kritische Berichterstattung über den Irak-Krieg möglich war, dass Peter Scholl-Latour auf mehreren Sendern zu Wort kommen durfte, wenn auch dieser Umstand und die weltweiten Friedensdemonstrationen den Krieg nicht verhindern konnten.

Wie können Sie nur die Annexionsbedürfnisse der Bush-Administration so verharmlosend darstellen?

Ihr Favorit Osvaldo Paya mag ja glauben, was er sagt und tatsächlich einen friedlichen Regimewechsel für möglich halten und Fidel Castro mag sich irren, wenn er sein Volk vor der drohenden Gefahr warnt, aber, im Gegensatz zu US-Präsidenten kann er es sich nicht leisten zu lügen.

Seinen 75 "angeblichen Söldnern der USA" stehen dank der Revolution, ihrer Alphabetisierungskampagne und ihres vorbildlichen Bildungssystems (s. Bericht der UNESCO von 2002, deren "Pisa-Studie" über lateinamerikanisches Schulwesen) 700.000 Intellektuelle gegenüber, die seine Aussagen kritisch überprüfen können und bisher hat "die Geschichte ihn freigesprochen" bzw. ihm in den Augen der Kubaner recht gegeben, andernfalls hätte er nicht 600 Mordanschläge überlebt und wäre nicht mehr Präsident seines Landes.

Währenddessen scheint die Mehrheit der US-Amerikaner ihr Vietnam-Trauma "überwunden" zu haben und dank entsprechender Berichterstattung ihrer Medien ungeniert nach einem "gewonnenen" Krieg in Patriotismus zu schwelgen.

Aber die Leser der nicht kommerziellen Presse sind sowohl in den USA als auch weltweit auf’s Höchste alarmiert.

Zum Schluss möchte ich Sie noch einmal an fünf kubanische politische Gefangene in den USA erinnern, die von einem Gericht in Miami-Dade zu Strafen von 15 Jahren bis zu über zweimal lebenslänglich verurteilt wurden, weil sie ihr Leben riskierten, als sie die exilkubanischen "Nichtregierungsorganisationen" infiltrierten, um ihr Land vor weiteren Terroranschlägen warnen zu können.

Einen Monat vor dem Antragsabgabetermin ihrer Anwälte für das Revisionsverfahren am 11th Circuit Court in Atlanta, am 7. April 2003, wurden sie innerhalb ihrer Gefängnisse in menschenrechtswidrige Isolationshaft verbracht. Die internationale Solidaritätsgemeinschaft hat es mit Hilfe auch von Amnesty International geschafft, sie zumindestens aus dieser Situation wieder zu befreien.

Mittlerweile gibt es weltweit über 123 Komitees zu ihrer Befreiung, der sich innerhalb Deutschlands folgende Rechtsanwälte angeschlossen bzw. als Unterstützer der Kampagne angeboten haben: Eberhard Schultz und Heinrich Hannover aus Bremen, Verena Grundmann aus Berlin, Michael Schubert und Michael Moos aus Hamburg und Heinrich Comes aus Köln. In den USA hat sich der renommierte Anwalt Leonard Weinglass an die Spitze der Verteidiger der Fünf gestellt.

Am 31.5.03 begeht das Cuba-Netzwerk Informationsbüro e.V. sein zehnjähriges Bestehen in Berlin, unter den Referenten befinden sich z.B. James D. Cockcroft (s. oben), Jaime Crombet, Vizepräsident der kubanischen Nationalversammlung, Heinz Dieterich Steffan, Soziologieprofessor der Universität von Mexiko-Stadt, seine Exzellenz der kubanische Botschafter, Marcelino Medina, sowie internationale Vertreter der Befreiungskampagne für die fünf Kubaner.

Auch Sie sind herzlich dazu eingeladen.

Bitte informieren Sie sich z.B. bei

http://www.miami5.de
http://www.freethefive.org
http://www.antiterroristas.cu
oder im Archiv von
http://www.cuba-si.org

ehe Sie wieder einen Beitrag über Kuba bringen.

Mit freundlichen Grüßen

Dipl. Päd. Josie Michel-Brüning

Mitglied von ˇBasta ya!

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