Zuschauerbrief

 

Zuschauerbrief an die ARD

zured@daserste.de

Expedition Humboldt, zweiteilige Dokumentation vom 25. und 26. 12. 09

Sehr geehrte Damen und Herren in der Redaktion,

wie wunderbar hätte diese Dokumentation sein können, hätten ihre Autoren sie im Geiste ihres Protagonisten Humboldt ausgeführt und sich wie er in ihrer Berichterstattung nicht den auch damals verbreiteten Vorurteilen über Lateinamerika, sondern der Aufklärung verpflichtet gefühlt.
So aber waren wir enttäuscht.

Hier nur das Beispiel Kuba:

1. Ihre Dokumentation sprach den auf die Sklavenzeit zurückgehenden immer noch vorhandenen Rassismus in der kubanischen Gesellschaft an. Den mag es hier und da tatsächlich noch geben. Die überwiegende Mehrheit hat ihn jedoch überwunden. Wir kennen z.B. einen schwarzen Dekan an der Universität für Agrarwissenschaft in Bayamo persönlich: Ismael Acosta. Sein Vater war noch Tagelöhner.
Während die Gefängnisse in den USA überwiegend von Schwarzen und Latinos belegt sind, bevölkern diese in Kuba die Universitäten. Übrigens beträgt der Frauenanteil an kubanischen Universitäten über 60 %.

2.: Es gibt längst nicht mehr so viele Old-Timer auf Havannas Straßen wie im Film gezeigt.

3.: Der Zuckerrohranbau des Landes wird seit Jahren systematisch herunter gefahren und beträgt unserer Kenntnis nach eher um die 30 % seines gesamten Ackerbaus und nicht, wie im Film behauptet, "80 %".
(Anscheinend wurden hier Archiv-Aufnahmen verwendet und weder das aktuelle Straßenbild noch die aktuelle Agrarwirtschaft gezeigt, um das Vorurteil von der "sozialistischen Mangelwirtschaft" zu bedienen.)
Aufklärung über die tatsächlichen Verhältnisse in Kuba hätte außerdem sein können, wenn man berichtet hätte, dass "dank" des beschönigend genannten U.S.-Embargos ausländische Firmen von den USA ebenfalls blockiert werden, wenn sie in ihren Süßwarenprodukten kubanischen Zucker oder in ihren Stahlprodukten kubanischen Nickel verwenden.
Neben dem wirtschaftlichen Schaden, der Kuba durch die Handelsblockade entsteht, musste Kuba seit dem "Sieg der Revolution" zahlreiche Sabotageakte hinnehmen sowie andere Terroranschläge, die bis 1999 3.478 Tote und 2.099 Schwerverletzte mit lebenslangen Beeinträchtigungen kosteten, hinnehmen. Ausgeführt wurden sie von hauptsächlich in Südflorida ansässigen exilkubanischen Organisationen, die ursprünglich von der CIA finanziert und ausgebildet worden waren.

Was ist dagegen "9/11"?

Und was der jüngst versuchte Selbstmordanschlag des Nigerianers auf ein U.S.-Passagierflugzeug?
Der erste Bombenanschlag in der Geschichte der zivilen Luftschifffahrt erfolgte am 6. Oktober 1976 auf ein Flugzeug der kubanischen Gesellschaft Cubana de Aviación 455. Ermordet wurden 73 Menschen - überwiegend Kubaner (die gesamte kubanische Jugendfechtmannschaft), einige Guyanesen und Koreaner.
(siehe: Klaus Huhn, "Massenmord am karibischen Himmel",
http://www.cubafreundschaft.de/Hintergruende/Rezension%20Massenmord%20am%20karibischen%20Himmel,%2021.11.08.pdf)
Drahtzieher dieses Terroranschlages waren die berüchtigten Terroristen und Massenmörder Luis Posada Carilles und Orlando Bosch Āvila, die jedoch bis heute unter dem Schutz der CIA und der US-Regierung als freie Männer ihren Lebensabend in Miami verbringen.
Während dessen sitzen seit September 1998 die fünf Kubaner Gerardo Hernández, René González, Ramón Labañino, Antonio Guerrero und Fernando González in US-Gefängnissen (und sollen z.T. bis ans Lebensende dort bleiben), weil sie (ohne jede Gewaltanwendung) die Terroristengruppen in Miami unterwandert hatten, um ihre Heimat vor weiteren Anschlägen zu schützen. (Siehe: www.miami5.de)
Wenn man schon die Mängel des kubanischen Systems benennt, dann sollte man sie in den Kontext der Wechselwirkungen, denen es ausgesetzt ist, setzen.
Das kubanische Volk wurde Ende des 19. Jahrhunderts um seine Revolution gegen Spanier betrogen und stattdessen unter die Knute der U.S. Fruit Companies gestellt.
Havanna wurde zum Bordell und Spielkasino der U.S.-Mafia und der U.S.-Marine bei weiterer Verelendung der Landbevölkerung und Beibehaltung des überwiegenden Analphabetentums.
Die Kubanische Bevölkerung hat mittlerweile ein vorbildliches Gesundheits- und Bildungssystem, muss aber seit nun über 50 Jahren in ständiger Habacht-Stellung vor einer U.S.-Invasion, vor Terroranschlägen oder zumindest vor Subversion seines Systems durch so gen. "U.S.-Demokratisierungsprogramme" leben.
Normalen U.S.-Bürgern ist es verboten, auf die "Schurkeninsel" zu reisen, nicht aber den Unterhändlern der mit der CIA zusammenarbeitenden Organisationen wie DAI oder USAID, s. Bericht von Eva Golinger vom 31. 12.09 unter
http://www.chavezcode.com/2009/12/cia-agents-assassinated-in-afghanistan.html .
Oder gehen Sie auf die Website des ehemaligen State Department Mitarbeiters William Blum, www.killinghope.org .
Könnte Humboldt heute noch über Kuba berichten, seine Dokumentation hätte anders ausgesehen als die Ihre.

Mit freundlichen Grüßen

Dipl. Päd. Josie Michel-Brüning
und Dipl. Ing. Dirk Brüning

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