Übersetzung von Renés Brief
Liebe Freunde Josie und Dirk,
ich habe hier noch Eure Briefe von August und September letzten Jahres. Es ist unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht.
Ihr möchtet wissen, ob ich hier einer Art von Schikane ausgesetzt bin, weil ich Euch nicht schreibe. Die Wahrheit ist, dass nichts in dieser Art passiert. Der einzige Grund ist die Menge an Post, die ich stapeln muss und auf Beantwortung wartet. Dann kommt immer wieder einige Post, die eine schnelle Antwort erfordert, und der Stapel wird nicht kleiner. Bitte nehmt meine Entschuldigungen dafür an.
Was Eure Enttäuschung über das Gerichtsurteil betrifft, so teile ich sie natürlich auch. Es zeigt das Übel des Justizsystems, mit dem wir konfrontiert werden und dass sie nicht plötzlich damit aufhören werden, die Ungerechtigkeit hinauszuziehen. Als ob es nicht mit dem Fall Posada Carriles schon genug wäre, der frei in Miami herumläuft, nachdem er sein ganzes Leben dem Terrorismus gewidmet hat.
Aber um Euch die Wahrheit zu sagen, war ich von dem Urteil in unserem Fall kein Bisschen überrascht. Wir hatten reichlich Zeit, das volle Gewicht dieses irrationalen Hasses, der sich über uns ergossen hat, nachzuwiegen. Ich war darauf vorbereitet und es veränderte nichts an meiner geistigen Verfassung, die immun gegen die folgerichtige Empörung ist, nachdem ich von der Entscheidung erfahren habe.
Meine wirklichen Sorgen richten sich auf meine Brüder, die solch brutalen Strafen von den Händen eines Systems gegenüber stehen, das während seiner gesamten Geschichte seinen politischen Gefangenen eine unzivilisierte Behandlung zukommen ließ. Viele Jahre können darüber vergehen, bevor sie eine gewisse Art von Gerechtigkeit erfahren, und das Leben der vier großen Menschen könnte sich erschöpft haben, bevor sie in ihre Gesellschaft zurück kehren. Daher habe ich kein Recht, mich um mich selbst zu sorgen.
In der Zwischenzeit geht es mir großartig. Die Zustände sind hier nicht so schlimm, und ich habe Zugang zu jeder Gelegenheit, sowohl meine körperliche als auch meine geistige Kondition zu verbessern. Ich mache Gymnastik, lese viel und fühle mich in sehr guter Verfassung. Wie Ihr schon wissen müsstet, kam mich im vergangenen Dezember Ivette besuchen. Es war eine unglaubliche Erfahrung, die mich für eine Weile erfüllte.
Bitte verzeiht mir noch einmal wegen meiner wenigen Briefe. Ich weiß, dass wir nie in der Lage sein werden, allen Menschen, die uns schreiben, gerecht zu werden, aber das heißt nicht für eine Sekunde, dass wir Euch nicht in unseren Herzen behalten.
Schickt meine Grüße und besten Wünsche an all unsere Freunde von "Basta ya" und nehmt beide von uns unsere
aufrichtigsten Gefühle der Liebe.
Mit einer dicken Umarmung
¡Hasta la victoria siempre!
Gez.: René González