Wieder zurück aus Havanna

Von Elisabeth Dietze

Anlässlich des 50.Jahrestages der Landung der "Granma" auf Kuba und des 80. Geburtstages des Comandante de Cefe Fidel Castro Ruz nahmen 12 deutsche Brigadisten der internationalen Brigade " Granma " an den Feierlichkeiten teil.
Es waren für alle unwiederbringliche Tage der internatuinalen Begegnungen aus mehr als 28 Ländern, die eins einte,die Solidarität mit Cuba, die Beendigung der Blockade der USA und die baldige Freilassung der 5 widerrechtlich in den USA inhaftierten antiterroristischen, heldenhaften cubanischen Gefangenen.
Zu den Höhepunkten gehörte neben den Eröffnungs- und Abschluss-veranstaltungen das internationale Kolloquium zur Solidarität mit Cuba und zur wirtschaftlichen und politischen Situation der Rednerländer, das allen Anwesenden größere Weltsicht bescherte. Auch das Kolloquium der Solidaritätsbewegung zur Befreiung der 5 Cubaner , "Cuban Five", war sehr emotional geladen und machte deutlich welche weltweite Bewegung in gang gebracht ist. Tiefe Erkenntnis zeigten die Beiträge, dass dieser Prozess gegen das kubanische Volk gerichtet ist und alle Mittel der USA angewandt werden um Cuba in die Knie zu zwingen. So waren die Beiträge der vielen Vertreter der Komitees der einzelnen Länder voller Sorge, aber auch mit Optimismus gepaart.
Die Mutter von Fernando Gonzalez sprach bewegende Worte und rief auf in der Befreiungs-Solidarität nicht nachzulassen. Auch die Erläuterung der Zusammenhänge und der Umstände der Inhaftierung durch den Bruder von Rene Gonzalez vermittelten die wahren Gründe dieser Zweizüngigkeit der USA.
Elisabeth spricht vor den Verwandten der Cuban Five
Mich persönlich haben die vielen Begegnungen mit den Angehörigen der 5 Gefangenen tief beeindruckt und hat eine besondere Freundschaft und Solidarität hervorgerufen.
Ein Konzert vieler internationaler Künstler am Malecon,das bis in die frühen Morgenstunden vor der antiimperialistischen Tribüne ging und unter der Losung stand "Alle Stimmen, alles" und ein Besuch des Nationalmuseums mit der Ausstellung "Eine Umarmung von Guayasamin an Fidel" waren die Höhepunkte der vielen kulturellen Veranstaltungen aus diesem Anlass.
Eindrucksvoll war auch die Militärparade nach 15 Jahren mit der anschließenden Demonstration der Bevölkerung. Hier wurde deutlich, welche Kraft im Militär und der Bevölkerung zum Schutz der revolutionären Errungenschaften vorhanden ist. Es gab wohl kaum einen Kubaner der nicht an uns auf der Ehrentribüne vorbeigezogen ist, die Gäste und die hohen Repräsentanten zu grüßen. Die Rede Raul Castros verbreitete optimistische Stimmung und Zuversicht.
Ich bin stolz und dankbar an diesen großen Ereignissen teilgenommen zu haben.
Die mehrfachen Begegnungen und Foren mit den Angehörigen der "Cuban Five" hat neuen Auftrieb für die Tätigkeit der Komitees gegeben und die internationale Solidarität zur Befreiung der 5 verstärkt. Jetzt kommt es darauf an die Kräfte zu vereinen und neue Aktivitäten zu entwickeln.
In den fast 3 Wochen Aufenthalt auf Cuba ist uns allen bewusst geworden, nur vereinte Solidarität kann Cuba und den 5 Helden helfen.


Bericht über unsere Treffen in Havanna

Von Josie Michel-Brüning

1. Dezember 2006
Am Morgen des 1. Dezembers begann der letzte Tag der von der Stiftung Guayasamin organisierten Feierlichkeiten zu Ehren von Fidel Castros 80. Geburtstag mit dem Besuch einer Kunstausstellung des verstorbenen Künstlers Oswaldo Guayasamin im "Edificio de Arte Universal" [Haus der universellen Künste], an dem auch einige der Familienmitglieder der Fünf teilnahmen, wie Mirtha Rodríguez, die Mutter von Antonio, Magali Llort, die Mutter von Fernando, Irma Sehwerert, die Mutter von René, Elizabeth Palmeiro, die Ehefrau von Ramón und Isabella Hernández, die Schwester von Gerardo. Wir erfuhren, dass Olga Salanueva, die Frau von René, wegen einer noch nicht ausgeheilten Knieverletzung verhindert war und Adriana, Gerardos Ehefrau, von ihrer Reise nach Italien noch nicht zurückgekehrt war.
Vor dem Edificio de Arte Universal
Nach einer herzlichen Begrüßung auf dem Vorplatz des Museums kamen wir vor allem mit Elizabeth, Ramóns Ehefrau, ins Gespräch. In Anspielung auf den Artikel von Georg Hohmann, "Der Agent, den ich liebe" in der Süddeutschen Zeitung sagte sie: "Alle lieben James Bond, den ‚Agenten mit der Lizenz zum Töten', der in jedem seiner Filme etliche Menschen umbringt. Unsere Fünf, die viele Menschenleben gerettet haben, werden dagegen lebenslänglich bestraft." Und dann erzählte sie uns bedrückt, dass alle Verwandten der Fünf offiziell erst wieder 2008 Visa für einen Besuch bei den Männern im Gefängnis beantragen dürften. Außerdem habe sie bei ihrem letzten Besuch wieder nicht die volle zuvor genehmigte Besuchszeit in Anspruch nehmen dürfen, weil es wegen eines gewalttätigen Zwischenfalls innerhalb der Gefangenen im Zuchthaus Beaumont ein "Lock down", eine Wegsperrung aller Inhaftierten in ihre jeweiligen Zellen, gegeben habe. Sie erinnerte an den ähnlichen Vorfall im August 2005, über den wir seinerzeit berichtet hatten, als einer der Gefangenen einen Mitgefangenen umgebracht hatte und sie daher, ohne Ramón überhaupt gesehen zu haben, wieder abreisen musste.
In der ersten Reihe: Elizabeth, Isabella, Mirtha, Irma, Magali
Marucha
In der Mittagszeit desselben Tages wurden wir überraschend von den Verwandten der Fünf zusammen mit Katrien Demuynck und Günter Belchaus zu der Eröffnungsfeier einer vernissage verschiedener Künstler im 24. Stock des "Habana Libre" mitgenommen. Eines der Bilder in der Gemäldeausstellung stammte von Antonio. Dort trafen wir dann auch Antonios Schwester Marucha (s. Fotos).
Am Nachmittag fanden die Feierlichkeiten durch einen Festakt im Teatro Karl Marx unter dem Motto, "Memoria y Futoro: Cuba y Fidel" ihren krönenden Abschluss mit Musik. Zu den Festrednern, die Fidels Verdienste und die des kubanischen Volkes als Hoffnungsträger für die Befreiung ganz Lateinamerikas hervorhoben und eine Zukunft beschworen, die nur gemeinsam zu meistern sei, gehörten z.B. Evo Morales, Daniel Hortega und Nicolas Maduro, der Außenminister Venezuelas. - Hugo Chavez selber konnte ja wegen gerade laufenden Wahlen in Venezuela an der Veranstaltung nicht teilnehmen. Maduro nahm als einziger Bezug auf den Fall der Fünf und auf die Notwendigkeit, verstärkt für ihre Befreiung zu kämpfen. Zu den Prominenten im Publikum gehörten z.B. Gerard Depardieu und die Witwe Mitterands. Außerdem trafen wir auch Gloria La Riva.
Wichtigstes Gesprächsergebnis beim abendlichen von Guayasamin ebenfalls gestifteten Festbankett war, dass Andres Gómez, der Koordinator der Befreiungskampagne für die Fünf in Miami, sich gerne bereit erklärte, das von Elisabeth Dietze initiierte Filmprojekt über den Fall der Fünf mit dem Fernsehsender MDR vor Ort in Miami zu unterstützen.

6. Dezember
Bei dem abendlichen Treffen des Internationalen Komitees zur Befreiung der Fünf in Havanna - Teilnehmer waren außer Graciela, Anita, Katrien Demuynck, Dirk und Josie Brüning - konnten Dirk und ich Graciela die für die Anzeige für die Fünf mit den Unterschriften auch zahlreicher Prominenter in der spanischsprachigen US-Zeitung versprochenen 50 Euro [60 Cuc] überreichen. Günther Belchaus hatte sich wegen Grippe entschuldigen lassen und ihr die 200 Euro (bestehend aus seinem Beitrag und dem von Klaus Czyborra und Ralf Minkenberg) schon vorher übergeben.
Graciela betonte die Wichtigkeit der von Ricardo Alarcón ausgerufenen zweiten Etappe der Befreiungskampagne der Fünf anlässlich des 5. Jahrestages des Beginns der Urteilsverkündungen gegen die Fünf am 12. Dezember 2001. Das internationale Komitee in Havanna hatte z.B. zu deren Eröffnung am 12. Dezember ein Konzert zu Ehren der Fünf geplant, zu dem wir herzlich eingeladen wurden. Weitere ähnliche Veranstaltungen sollten bis zum 27.12. stattfinden, denn an diesem Datum hatte Antonio als letzter der Fünf seine Verteidigungsrede gehalten.
Katrien Demuynck musste Graciela die Schwerfälligkeit der Europäer bei kurzfristig angekündigten internationalen Kampagnen erklären. Natürlich sagten wir zu, unsere Compañeros im Heimatland zu informieren und sie z.B. auch zu bitten, an der Weihnachtskartenkampagne teilzunehmen. Mehr konnten wir ihr nicht versprechen.
Wir erhielten jedoch dort auch eine überaus erfreuliche Nachricht aus Europa, die Antiterroristas gerade gemeldet hatte: EU-Parlamentarier, unter ihnen die Deutsche Silvia Yvonne Kaufmann, hatten mit einem offiziellen Antrag den Europa-Rat und die Europa-Kommission dazu aufgerufen, sich wegen der von der UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen bereits beklagten Rechtsvergehen an den Fünfen und ihren Familien an die US-Regierung zu wenden. Einer von Gracielas Mitarbeitern überreichte sie uns druckfrisch, s. auch unter "News" vom 15.12.06.
Graciela legte uns natürlich wieder ans Herz, alles uns nur mögliche für mehr Medienpräsenz der Fünf auch in Europa zu tun. Außerdem schlug sie vor, dass sich im Juni 2007 europäische Gruppen zugunsten der Fünf an die verschiedenen Kommissionen des Menschenrechtsrats in Genf wendeten. Wir könnten zu diesem Zweck Kontakt mit den Schweizer Compañeros aufnehmen und sie bitten, unsere jeweiligen Anträge an den verschiedenen Stellen persönlich zu überreichen. Sie habe z.B. Kontakt zu einem Schweizer Befreiungskomitee für die Fünf. Leider kannten wir die von Graciela genannte Gruppe nicht, versprachen aber, mit ihr Kontakt aufzunehmen und wiesen auf die bisher fruchtbare Zusammenarbeit z.B. mit Samuel Wanitsch und seinen Kollegen hin.
Abgesehen davon bat sie uns zu versuchen, Prominente - vielleicht aus dem religiösen Bereich - zu bitten, die Fünf im Gefängnis zu besuchen. Dazu muss man sagen, dass es vor allen Dingen Antonio und Fernando nicht erlaubt ist, außer ihren Anwälten Besucher zu empfangen, die sie vor ihrer Inhaftierung noch nicht gekannt haben.
Daher ist es bisher z.B. dem Priester Geoff Bottoms nur gelungen, Gerardo und Ramón im Gefängnis zu besuchen. René hatte dagegen 2004 schon einmal Besuch von dem Anwalt für Zivilrecht Rafael Rodríguez Cruz, Vorstandsmitglied der Rosenberg-Stiftung zugunsten von Kindern politischer Gefangener (s.Bericht Der Vorhang des Schweigens und
Ein Imperium gegen ein Kind: Die Geschichte von Ivette González Salanueva, Von Rafael Rodríguez Cruz).

7. Dezember
Am Donnerstagnachmittag, dem 7.12., trafen wir uns mit dem Chefredakteur der Granma Internacional Gabriel Molina und Hans Werner Richert von der deutschsprachigen Granma.
Wichtigste Gesprächsergebnisse waren:
Beide versprachen, die P.O.-Box - Nummer von Ramóns Gefängnisadresse zu korrigieren, beide versprachen, Ricardo Alarcón, den Leiter der internationalen Kampagne zur Befreiung der Fünf zu fragen, ob man unsere Website-Adresse zumindest auf der deutschen Ausgabe der Granma mit angeben könne. Beide zeigten sich an Berichten mit Fotos aus Deutschland über die Befreiungskampagne der Fünf interessiert. Außerdem äußerte insbesondere Gabriel Molina Interesse an Elisabeth Dietze früherem Einsatz für das Andenken Tamara Bunkes an der Seite von deren Mutter Nadja. Wir versprachen, Elisabeth zu übermitteln, dass man sich über ihren Bericht darüber freuen würde.
Auf unsere Frage, ob man in Kuba glaube, dass Fidel seine Amtsgeschäfte wieder aufnehmen werde, antwortete Molina, das sei schwer zu beantworten. Jeder wisse, dass seine Krankheit schwer und dass er alt sei. Dennoch bestünde durchaus die Hoffnung, Fidel könne seine Amtsgeschäfte wieder aufnehmen. Für die Kubaner sei wichtig, dass ihre Lebensbedingungen weiter verbessert werden, Raul biete ihnen dafür auch eine Gewähr. Abgesehen davon seien der Wahlerfolg von Hugo Chavez, und die ungefähr zeitgleichen Wahlsiege von Daniel Ortega in Nicaragua und Rafael Correa in Ecuador ein deutliches Zeichen für die Kubaner, dass es weiter aufwärts gehen könne. Als eine der schwersten noch zu lösenden Aufgaben betrachteten sie die Abschaffung der Doppelwährung.

8. Dezember
Am Freitag, dem 8. 12., waren wir bei Irma Sehwerert zum Essen eingeladen. Vereinbarungsgemäß wurden wir etwa gegen 16:00 h mit einem Kleinbus vom Büro der Familienbetreuung und von Magali in unserem Hotel abgeholt.
Während der Fahrt zu Irma erhielt Magali auf ihrem Satelliten-Mobil-Telefon einen Anruf von Fernando. Fernando hatte seiner Mutter wohl vor allen Dingen mitteilen wollen, dass Rosa Aurora, seine Frau, nun heil bei ihm in Wisconsin angekommen sei. Als er hörte, dass wir gerade gemeinsam mit seiner Mutter auf der Fahrt zu Irma seien, entschuldigte er sich dafür, uns so lange nicht geschrieben zu haben, er sei wegen der Arbeit mit seinem Anwalt für den neuerlichen Berufungsantrag noch nicht dazu gekommen und ließ uns herzlich grüßen. - Wir berichteten Magali von dem, was uns Elizabeth über die neue Regelung zur Beantragung von Visa in die USA erzählt hatte, dass sie erst wieder 2008 beantragt werden dürften. Daraufhin erklärte sie uns, dass man durchaus noch zwischendurch Visa beantragen könne. Diese Möglichkeit sei aber auf einen Tag der Woche und dann auch nur auf ein oder zwei Stunden begrenzt, in der man in der US-Interessenvertretung anrufen könne. Natürlich sei es eine enorme Gedulds- und Glücksache, überhaupt durchzukommen, und sie erzählte uns, welchen zeitaufwändigen Umweg sie jedesmal, wenn sie endlich ein Visum bekommen haben, um Fernando besuchen zu können, fliegen müssen, denn es gebe nur wenige Flughäfen in den USA mit den für sie als erforderlich angesehenen scharfen Personenüberprüfungseinrichtungen. Das seien z.B. nur zwei Flughäfen, der von Houston und der von New York. Sie müsse über New York fliegen. Endlich in Wisconsin angekommen würde sie aber dann von Alicia Jrapko auf das liebevollste betreut. Alicia begleite sie bis zum Gefängnistor und warte draußen, um sie dann wieder in ihr Hotel zu bringen, sie habe ihr auch schon einmal eine Krankenschwester besorgt, als sie gesundheitliche Probleme hatte.

Irma wohnt in Cotorro östlich von Havanna, in der Nähe von Santa Maria del Rosario. Ihr Häuschen liegt in einem Obst- und Gemüsegarten. Sie kam uns daraus freudestrahlend entgegen, stellte uns zuerst ihre hochgewachsenen Obstbäume vor und bedauerte nur, dass z.B. ihre Chirimoya-Bäume zurzeit keine Früchte trugen. (Die Chirimoya ist eine etwa apfelgroße Frucht mit weißem Fruchtfleisch, das geschmacklich und von der Konsistenz an Litschi erinnert, die aber erst im April reif ist.)
Irma und Josie
Im Haus machte Irma uns dann mit einigen ihrer Familienmitglieder bekannt. Dort begrüßte uns ihre jüngste Schwiegertochter, die Frau ihres dritten und jüngsten Sohnes, von dessen Existenz wir noch nicht gewusst hatten. War es deren beider kleine Tochter, ihre jüngste etwa anderthalb bis 2-jährige Enkelin, die uns dort ebenfalls begegnete? Manches ließ sich in der Kürze der Zeit nicht so genau klären. Und wir trafen eine über 80-jährige Tante, die sich nach einem Schlaganfall zwar nicht mehr artikulieren kann, es aber dennoch schaffte, uns zu zeigen, wie herzlich willkommen wir ihr waren. Erst in ihrem heimischen Umfeld konnten wir Irma so recht als die lebensbejahende, hilfsbereite, tatkräftige und großherzige Frau kennenlernen, die sie trotz aller Schicksalsschläge geblieben sein muss. Sie erzählte, dass die Ärzte einer Wiedergewinnung der Beweglichkeit ihrer Tante sehr skeptisch gegenüber gestanden hatten, aber Irma habe nicht locker gelassen und täglich mit ihr geübt. Daher könne sie sich wieder frei bewegen. Schließlich saßen wir alle zusammen auf der überdachten Terrasse hinter dem Haus. Sehr gesprächserleichternd war es für uns, mit ihr genau wie mit Magali Englisch reden zu können. Unser Spanisch erwies sich als immer noch viel zu dürftig. Es stellte sich heraus, dass Irma gar nicht wusste, dass wir auf der José-Martí-Konferenz im Vorjahr, Renés für diesen Zweck verfasste Schilderung seiner Kindheit und Jugend im Schatten der Terroranschläge aus Miami verteilt und ihrem Sohn Roberto ebenfalls Kopien davon übergeben hatten. Sie meinte, ihr Sohn sei eben zu beschäftigt. Wir berichteten ihr von den kleinen Erfolgen, die wir bei unseren Anstrengungen haben, den Fall in Deutschland bekanntzumachen und Unterstützer zu gewinnen, wie z.B. von den Zusagen von Roger Willemsen, dem Autor von "Hier spricht Guantanamo", seiner Unterschrift unter den "Europäischen Brief" und von Otmar Steinbicker, der uns geschrieben habe zu versuchen, die Fünf für den Aachener Friedenspreis [Alternative zum Karlspreis] zu nominieren. Aber auch davon, dass Peter Gingold, an dessen Seite sie im letzten Jahr noch in Dortmund auf dem Podium des U.Z.-Pressefestes die Sache der Fünf vertreten habe, inzwischen leider über 90-jährig verstorben sei. - Irma bekundete ihre Betroffenheit.
Obwohl Irma zwischendurch irgendwann auch ein reichhaltiges Essen gezaubert haben muss, blieb ihr noch genug Zeit, uns die Fotos vom U.Z.-Pressefest, von ihren diversen Aufenthalten in Miami anlässlich der Gerichtsverhandlung der Fünf und der Besuche bei René im Gefängnis zu zeigen und sie ausführlich zu kommentieren. Sie bestätigte unseren Eindruck von den Fotos, dass es in Miami auch sehr viele ihr und dem Fall der Fünf freundlich gesinnte Menschen gibt. Immer wieder war auf den Fotos auch Alicia Jrapko zu sehen, von der wir leider zugeben mussten, sie persönlich noch nicht kennengelernt zu haben, obwohl sie doch bei allen Familienmitgliedern der Fünf einen besonders dicken Stein im Brett zu haben scheint. - Auf unsere ausdrückliche Nachfrage erzählte Irma uns dann z.B. noch die Geschichte, wie es ihr Ende 2000 gelungen war, Ivette noch rechtzeitig nach Kuba zu holen, bevor die US-Behörden sich des Kindes bemächtigen konnten.
Wie wir es schon von Olga bei unserem ersten Treffen 2003 gehört hatten, musste Olga nach Renés Verhaftung die damals vier Monate alte Ivette zu deren in der Nähe von Fort Lauderdale, Florida, wohnenden Urgroßmutter, der Mutter von Irma, bringen, um für den Lebensunterhalt der Familie aufkommen zu können, s. auch Bericht von Rafael Rodríguez. Bis zu ihrer eigenen Verhaftung konnte Olga ihr Kind dort regelmäßig besuchen, von dort zu sich nach Hause holen oder auch, wie am 16. August 2000 geschehen, mit ihm und Tochter Irmita zusammen René im Gefängnis besuchen. Die Genehmigung für dieses vorläufig letzte Familientreffen, bei dem sich René seiner Ehefrau und seinen beiden Töchtern an einen Stuhl gefesselt präsentieren musste, stellte sich hinter her als ein Erpressungsversuch seitens der US-Behörden dar: es wurden ihm unmittelbar danach Hafterleichterung und Strafminderung versprochen, wenn er seine Mitangeklagten im Sinne der Anklage belastete. Nachdem sich René jedoch auch nach der Wiederbegegnung mit seiner engsten Familie als "nicht kooperativ" erwiesen hatte, wurde auch Olga verhaftet und in das Frauengefängnis in Fort Lauderdale eingewiesen. Als Olga daraus drei Monate später nach Kuba abgeschoben wurde, durfte sie ihre kleine Tochter Ivette nicht mitnehmen.
Irma sagte, ihnen sei dann von der kubanischen Interessenvertretung in Washington geraten worden, Ivette so schnell wie möglich nach Kuba zu holen, denn man habe erfahren, dass man sich des Kindes bemächtigen wolle - etwa nach dem Muster, wie sie es zuvor mit Elian versucht hatten.
Aus Irmas Sicht bestand der schwierigste Teil ihrer "Nacht-und Nebel-Aktion" darin, Ivette aus ihrer gewohnten Umgebung in Florida bei der Urgroßmutter, ihrer Mutter und deren Lebensgefährten loszueisen. Die Erwachsenen hingen natürlich an dem Kind - ihre Mutter habe bitterlich geweint, als sie sich schon am folgenden Tag in den frühen Morgenstunden mit dem Kind auf die Rückreise machen musste, und das Kind habe die alten Leutchen als seine vertrautesten Angehörigen betrachtet, z.B. habe es zum Lebensgefährten ihrer Mutter "Mama" gesagt. Irma beschrieb uns also nur die Probleme der anderen aber nicht ihre möglichen eigenen damit, ein Kind - per Geburt US-Bürger - ohne Wissen der US-Behörden außer Landes zu "schmuggeln", eine Aktion, die ihr doch einige Nervenstärke abverlangt haben muss. Es sind eben nicht nur die Fünf Helden, ihre Mütter sind es nicht minder.
Bleibt noch zu erzählen, dass Irmas Früchtesalat aus Früchten des eigenen Gartens zum Aperitif für ihren Schweinebraten mit Reis und schwarzen Bohnen, dem Karamel-Pudding mit Baiserhaube zum Nachtisch ebenso beeindruckend wie wohlschmeckend waren. Als der Fahrer gegen 19:00 mahnte, uns ins Hotel zurückfahren zu müssen, weil er noch im Auftrag von Gerardos Familie in ein entfernt gelegenes Krankenhaus fahren müsse, fühlten wir uns reich beschenkt und psychisch und physisch gestärkt, um mit neuem Elan weiter das uns nur Mögliche zur Befreiung der Fünf beizutragen.
Nachdem wir auch noch ihren jüngsten Sohn kennengelernt hatten, verabschiedeten wir uns dankbar und herzlich von Irma und allen ihren hier anwesenden Familienmitgliedern. Auf der Rückfahrt hatten wir dann noch Gelegenheit, mit Magali näher ins Gespräch zu kommen. Wir erzählten ihr von dem bewegenden Film, den wir in Brüssel über sie und die anderen Mütter und Ehefrauen der Fünf gesehen hatten, als ihnen nämlich jeweils aus dem "Of" Teile der an sie gerichteten Briefe der Fünf vorgelesen wurden und sie vor der Kamera dazu Stellung beziehen sollten. Jede der Frauen hatte sich dieser Herausforderung gestellt, aber es war ihnen auch anzumerken, wie schwer es für jede von ihnen gewesen sein muss. Ja, sagte Magali, manchmal sei es sicher entlastender, einfach zu weinen. Aber sie schaffe das nicht und schon gar nicht vor laufender Kamera, sie werde dann stattdessen wütend. Auf ihre Tapferkeit und körperliche Kondition mit immerhin auch schon 68 Jahren angesprochen sagte sie, es sei natürlich sehr anstrengend, immer wieder so weite Reisen unternehmen zu müssen, um den Fall der Fünf bekannt zu machen.
Sie erzählte uns noch von einer Ausstellung von Antonios Bildern in der Libreria Ruben Martínez Villena in Havana Vieja, sie wolle uns in den nächsten Tagen den Prospekt davon ins Hotel schicken und erwähnte, dass am nächsten Tag auf dem Plaza de Armas eine Veranstaltung zu Silvio Rodríguez 60. Geburtstag sein werde, vielleicht schaffe sie es hinzugehen und vielleicht könnten wir uns dort treffen. Zum Abschied sagte sie: "Wenn ihr wieder in Kuba seid, müsst ihr unbedingt mich zu Hause besuchen."
Wir haben uns leider nicht mehr mit Magali treffen können, aber sie ließ uns den Prospekt von Antonios Ausstellung mit einem lieben Brief zukommen. Als wir uns telefonisch bei ihr bedankten, war sie gerade in Trinidad, Kuba, wo ein neuer Film über den Fall bzw. die Gerichtsverhandlung der Fünf gezeigt wurde.
Aber dank Magalis Tipp konnten wir die Antonios Pastell-Porträts nach der Technik, die er sich erst im Gefängnis angeeignet hatte, in der Libreria Ruben Martínez Villena noch besichtigen.
11. Dezember Treffen mit Jean Guy Allard
Der kanadische Enthüllungsjournalist, der, wie er uns sagte, seit 6 Jahren in Havanna lebt, nicht nur für Granma International, sondern auch für Counterpunch schreibt, war gerade aus Venezuela zurückgekommen, wo er die Wahlen beobachtet und die wunderbare Stimmung nach dem Wahlsieg von Hugo Chavez innerhalb der Bevölkerung erlebt hatte. Wir trafen Jean Guy in seiner Wohnung. Er ist einer unserer Lieblingsautoren sowohl im Fall der Fünf als auch, was seine Recherchen über die Machenschaften von "Reporter ohne Grenzen" betrifft. Wir hatten bisher 16 seiner Artikel für unsere Website übersetzt. Wie wir bereits von Graciela erfahren hatten, hat er ein neues Buch zu dem Fall geschrieben, das leider zurzeit in Kuba wegen Papiermangels nicht gedruckt werden kann, aber bei Ocean Press bald auf Englisch erscheinen wird. Er hat uns bereits am nächsten Tag das Manuskript der englischen Version zur Übersetzung ins Deutsche geschickt - ohne Anspruch auf Copy right. Dirk hat bereits angefangen, es zu übersetzen. Wir wollen es gemeinsam schaffen, es ganz zu übersetzen und einen deutschen Verlag dafür versuchen zu gewinnen.
12. Dezember:
Leider erreichte uns die Nachricht über die Vorführung des neuen Films über die Gerichtsverhandlung der Fünf am Vormittag des 12. zu spät. Das heißt, wir fanden den Zettel mit der Benachrichtigung erst am Abend auf dem Fußboden unseres Hotelzimmers, als wir von der Konzertveranstaltung zu Ehren des 5. Jahrestages des Auftaktes der Urteilsverkündung gegen die Fünf und deren Verteidigungsreden zurückgekommen waren.
Auftakt der "Segunda Jornada de Solidaridad Internacional con nuestros Cinco Heroes" im "Casa Memorial Salvador Allende, Calle 13 #504 e/ D y E, Vedado, Cuidad Habana", um 17:00 h, Veranstalter: Comité Internacional Justicia y Libertad a los Cinco

Als wir am Ort der Veranstaltung eintrafen, waren Graciela, Anita und Günter Belchaus schon da, und wir machten die interessante Bekanntschaft von Natacha, einer alten Sierra-Maestra-Kämpferin. Sie überreichte uns das Falt- und Informationsblatt, "The incredible story of five men imprisioned in the United States for fighting terrorism". Diesen Text gibt es als "Die unglaubliche Geschichter ...", seit 2003 auch in der Übersetzung von Renate Fausten auf unserer Website. Natacha schreibt sich genau wie wir seit Juni 2002 mit Antonio. Wir versprachen einander ihm von unserer Begegnung innerhalb der "großen Familie der Cuban Five" zu schreiben. Bald darauf kam auch unser Daniel Rodríguez gemeinsam mit dem deutschen FG-Mitglied Michel aus Köln dazu. Das weckte unsere Hoffnung, Daniel würde hier die Gelegenheit erhalten, seine Vertonungen von Antonios Gedichten vorzutragen. Das war aber leider nicht vorgesehen, wie sich im Laufe des Abends herausstellte.

Zu den Ehrengästen gehörten natürlich wieder die Verwandten der Fünf. Während sich die vorhandenen Stuhlreihen im Raum füllten, nahmen vor uns in der ersten Reihe Mirtha und Ramóns jüngste Tochter Lizbeth Platz und dahinter Elizabeth und Marucha in der zweiten Reihe neben uns. Schließlich gab es nur noch Stehplätze an den Wänden um im Gang.
Zu Beginn standen alle auf, um die kubanische Nationalhymne zu singen. Von den nun folgenden Redebeiträgen haben wir nur so viel verstanden, dass die verschiedenen Vortragenden zunächst einen Ausschnitt von Gerardos Verteidigungsrede, gehalten am 12.12. 2001 zitierten, dann aus der von Ramón, gehalten am 13.12. 2001 und dann von René, gehalten am 14.12.2001, wonach jeweils Lieder zu Ehren der Fünf mit Gitarren- und Schlagzeugbegleitung vorgetragen wurden. Graciela hielt eine lange und flammende Rede, von der wir auch nur das uns im wesentlichen Bekannte des Falles der Fünf verstanden und dass nicht nur die anwesenden Verwandten herzlich begrüßt wurden, sondern auch Günter, Dirk und ich. Anita überreichte den Verwandten einen dicken Stapel gesammelter Unterschriften. Danach verlas die kleine Lizbeth einen Text, wonach ihre Klassenkameraden Mirtha, Marucha und Elizabeth Gladiolensträuße überreichten. Das Fernsehen war da und filmte alles.
Als ich Graciela zum Abschied fragte, warum Daniel nicht gesungen habe, sagte sie, er käme bei einer der folgenden Veranstaltungen, z.B. bei der am 27.12. noch an die Reihe.
Günter berichtete noch, am Vormittag den oben genannten Dokumentarfilm gesehen zu haben und meinte man müsse sich dafür einsetzen, ihn auch nach Deutschland zu holen.

Graciela Ramírez
Ramóns Tochter Lizbeth

Zurück