Durch eine Zuschrift vom 4. März, aber indirekt auch schon über eines der Interviews von Tom Noga in seinem
Hörfunk-Feature "Hasta la victoria siempre - Der Fall der Miami 5", das am 16. und 17. Dezember auf WDR
5 gesendet wurde, mit dem Staatsanwalt Guy Lews aus Miami haben wir inzwischen erfahren, worauf sich die Anklage gegen
die Fünf bis heute zu berufen scheint.
Aus diesem Anlass und weil anscheinend weder die überzeugenden Verteidigungsreden der Fünf, noch die ausführlichen
Argumente ihrer Verteidiger, insbesondere die Analysen von Leonard Weinglass, die hier auch nachzulesen sind, von der
Gegenseite zur Kenntnis genommen werden, möchten wir aus einigen alten Artikeln von "Miami
Herald" zitieren.
"The Miami Herald" gilt bekanntlich nicht als kuba-freundlich. Dennoch widerspricht die Wiedergabe ihres Interviews mit einem der Anwälte der ursprünglich 10 gefangen genommenen Kubaner und die Ihrer Prozessbeobachtungen den Angaben der Staatsanwaltschaft von Miami.
Außerdem zitieren wir in diesem Zusammenhang die Darstellung der deutschen Ausgabe der Granma Internacional von August 2001 sowie den Rechtsanwalt Rafael Rodríguez, Mitglied der Rosenbergstiftung für Kinder von politischen Häftlingen in den USA. Zum Teil sind diese Zitate auch in der Broschüre, "Die USA und der Terror - Der Fall der ‚Cuban Five'", Hrsg. ¡Basta Ya!, Verlag Wiljo Heinen, ISBN 978-3-939828-16-7 nachzulesen.
Unter dem Titel, No critical secrets lost, FBI says [Keine Verluste von Geheimdienstinformationen, sagt das FBI ] schreiben MANNY GARCIA, CAROL ROSENBERG und CYNTHIA CORZO unter Mitwirkung von David Lyons am 15.09. 1998:
" [...] Die Regierung versucht anscheinend gerade, die angeblichen Spione davon zu überzeugen, mit den Ermittlern zu kooperieren. Der Anwalt Richard Diaz aus Miami, der gemeinsam mit seinem Assistenten Vincent [das Ehepaar] Farina Nilo und Linda Hernandez vertritt, sagte, Agenten hätten seine Klienten nach deren Verhaftung am vergangenen Samstag dazu aufgefordert, mit ihnen zu kooperieren." Bei seinen jeweiligen Treffen mit ihnen ‚teilten sie mir mit, dass die Agenten zur Zeit ihrer Verhaftung Druck auf sie ausgeübt und versucht hätten, sie nach der Verhaftung zu Geständnissen und zur Kooperation zu zwingen. ‚Ich bin mir sicher, dass sie in diesem Fall versuchen werden, einen, wenn nicht mehrere, umzudrehen,' fügte Diaz hinzu." Diaz habe gesagt, seine beiden Klienten seien nicht zur Kooperation bereit und bestritten die gegen sie erhobenen Anklagen. [...] "Sie haben keine kriminelle Vergangenheit," habe Diaz gesagt und "Es wird sehr interessant sein herauszufinden, welche Information die Staatsanwaltschaft den beiden unterstellt, an die kubanische Regierung weitergegeben zu haben."
Die zehn der Spionage Verdächtigten, darunter auch zwei Frauen, waren jedoch in das Hauptquartier des FBIs gebracht und dort sechs Stunden lang ohne Rechtsbeistand verhört worden.
Noch am selben Tag überführte man sie in das Bundeszentralgefängnis von Miami, wo sie 17 Tage lang in Isolationshaft gesetzt wurden.
Nach zwei Tagen Haft, in denen sie ganz offensichtlich keine Körperpflege betreiben konnten, erschienen die Fotos der Untersuchungsgefangenen in der Presse von Miami, um der Bevölkerung den "rechten" Eindruck zu vermitteln.
In der Granma Internacional vom August 2001 heißt es dazu auf Seite 7: "Von den zehn verhafteten Personen übten fünf Hauptfunktionen aus, die anderen fünf waren Mitarbeiter und Freunde, die dem entsetzlichen Druck und den Drohungen nicht gewachsen waren, die auf alle zehn von Beginn ihrer Verhaftung an ausgeübt wurden.
Vier von ihnen: Nilo und Linda Hernández, Joseph Santos und Amarilis Silverio, zwei Ehepaare mit jeweils einem Kind, das erste Ehepaar mit einem 12-jährigen Sohn, das zweite mit einer fünfjährigen Tochter. Ihnen drohte man mit einer langen, ja sogar lebenslänglichen Gefängnishaft und mit dem Verlust des Sorgerechts über ihre Kinder, wenn sie sich nicht mit der Staatsanwaltschaft einigten. Beide Ehepaare waren wie die übrigen Gefangenen zu strengster Einzelhaft verurteilt worden.
Nilo und Linda suchten in ihrer Verzweiflung Hilfe bei privaten Anwälten, die ihnen rieten, sich mit der Staatsanwaltschaft zu einigen. Um deren Honorar bezahlen zu können, rieten sie ihnen, ihre persönlichen Ersparnisse zur Verfügung zu stellen und ihre kleinen Läden mit einer Hypothek zu belasten, wodurch ihnen, außer dem Sohn auch ihre einzigen Mittel genommen werden konnten. Die Pflichtverteidiger rieten auch dem Ehepaar Joseph Santos und Amarilis Silverio, mit der Staatsanwaltschaft eine Einigung anzustreben. Dasselbe taten sie auch mit dem fünften Mitarbeiter.
Das sind die Gründe, warum diese Personen von dem Prozess ausgenommen wurden. Die Staatsanwaltschaft benutzte Joseph Santos als Zeugen. In einem getrennten Gerichtsverfahren erhielten sie die versprochene symbolische Mindeststrafe. Sie litten nicht unter der entsetzlichen Isolierung und unter der brutalen und schonungslosen Behandlung wie René, Gerardo, Ramón, Fernando und Antonio, deren unerschütterliche Standhaftigkeit dazu führte, daß die ganze Last der gegen sie entfesselten Haßkampagne, Feindseligkeit und Verleumdungen in den drei Jahren Haft auf sie und ihre Familien und Kinder fiel. Mit ihrer moralischen Kraft wiesen sie die Beschuldigungen zurück und erbaten nicht die Hilfe von Anwälten. Die Staatsanwaltschaft und das FBI konnten drei von ihnen in der ganzen Zeit nicht identifizieren, sie weigerten sich, auch nur die geringsten Angaben zu ihrer Person zu machen, bis zwei Jahre und drei Monate danach das Verfahren begann und der Augenblick gekommen war, sich würdig und mutig vor Gericht zu erkennen zu geben."
Am 29. 9. wurden die weder "geständigen" noch "kooperationsbereiten" Fünf in ein Spezialgefängnis von Miami überführt, das dort nur "das Loch" (the hole bzw. el hueco) genannt wird. Solche Strafmaßnahmen werden in den USA normaler Weise nur bei Gefangenen angewendet, die innerhalb des Gefängnisses gewalttätig wurden und dürfen nicht länger als 60 Tage andauern. Innerhalb ihrer Zellen sind sie von allen Kommunikationsmitteln isoliert, sie dürfen ihre Zellen nur in Handschellen (Hände auf dem Rücken) und in Begleitung von 2 Wachmännern verlassen. Insgesamt sollten diese Haftbedingungen für sie nicht nur 2 Monate, sondern insgesamt 17 Monate lang anhalten.
Wie wir schon mehrfach berichteten, hatte Olga Salanueva, die Frau von René González, immer wieder versucht, ihren Ehemann im Gefängnis besuchen zu können. Nach ihrer Schilderung war es für alle Beteiligten ein traumatisches Erlebnis, als sie schließlich René zusammen mit ihren beiden Töchtern besuchen durfte, weil er während dessen an einen Stuhl angekettet sein musste, s. auch in Jean-Guy Allard, Miami FBI terrorist Connection, hier auf dieser Website.
Rafael Rodríguez, (s. Bericht des Juristen Rafael Rodríguez Cruz von September 2004, "Ein Imperium gegen ein Kind:
Die Geschichte von Ivette González Salanueva"
) schrieb dazu: "[...]Es war im Februar 2000, als René wieder zu den regulären Gefangenen kam und ihm normales Besuchsrecht gewährt wurde. René konnte seine Familie jetzt, wenigstens theoretisch, wöchentlich einmal sehen. Olga und Irmita besuchten ihn wöchentlich, aber Ivette konnte es nicht, weil sie bei ihrer Urgroßmutter in Sarasota lebte und darauf angewiesen war, von ihr zu den Besuchen gebracht zu werden. Sie konnte René dreimal besuchen. [...]
Doch dann wendete sich das Blatt." Offensichtlich hegte man die Hoffnung, René, genau wie zuvor Joseph Santos, den Vater einer fünfjährigen Tochter, mit Hilfe seiner Familie "umdrehen" zu können.
"Am 3. August, 2000, erhielt René einen Brief von der Staatsanwaltschaft, in dem ihm Strafmilderung angeboten wurde, wenn er als Kronzeuge auftrete und gegen die vier bisher nicht geständigen Mitangeklagten, [Ramón Labañino Salazar, Gerardo Hernández Nordelo, Antonio Guerrero Rodríguez und Fernando González Llort] aussage. Der Brief warnte auch davor, dass Olgas Einwanderungsstatus in Gefahr gerate, wenn er die Kooperation verweigere, da sie ja keine amerikanische Staatsbürgerin sei. Sobald René sich trotz der Androhung von Olgas Ausweisung geweigert hatte zu kollaborieren, wurde die Entscheidung, höchst wahrscheinlich vom Justizministerium, getroffen, Olga zu verhaften und die Familie zu zerstören."
Olga wurde am 16. August 2000 von INS-Agenten verhaftet.
"Obwohl Olga in das Untersuchungsgefängnis des INS [Institution for National Security, U.S.-Einwanderungsbehörde] in Miami hätte eingewiesen werden müssen, wurde sie willkürlich nach Fort Lauderdale geschickt, in ein Gefängnis für gewöhnliche Kriminelle und Gefangene mit Verhaltensproblemen. Sie verbrachte dort nach ihrer Verhaftung einen Zeitraum von drei Monaten."
Zu der Anklage gegen Gerardo Hernández an den Abschüssen der Flugzeuge von "Brothers to the Rescue" am 24. Februar 1996 beteiligt gewesen zu sein und der Rolle des oben genannten Joseph Santos als Kronzeuge vor Gericht erschien in Miami Herald folgendes:
Published Thursday, March 1, 2001, in the Miami Herald, Expert: Brothers had previously ignored warnings about airspace - The accused spy's defense portrays the shoot-down by Cuba as justified.
BY ALFONSO CHARDY , achardy@herald.com
Am Donnerstag, dem 1. März 2001 schreibt Alfonso Chardy in Miami Herald:
"Die Brüder [Brothers to the Rescue] hatten vorherige Warnungen über den Luftraum ignoriert - Die Verteidigung der angeklagten Spione stellt den Flugzeugabschuss von Kuba als gerechtfertigt dar"
Vor fünf Jahren verletzten die Brüder zur Rettung trotz zahlreicher Warnungen vor dem Tag des Abschusses der beiden Flugzeuge der Brüder wiederholt den kubanischen Luftraum und die Gebiete der Luftfahrtkontrolle, sagte ein Zeuge der Regierung am Mittwoch vor Gericht aus.
Während einer fast fünfstündigen intensiven Befragung durch die Verteidigung widersprach die Zeugenaussage des Luftfahrtexperten Charles Leonard seinen vorher gegenüber der Staatsanwaltschaft gemachten Behauptungen, in denen er von Kubas Eingreifen am 24. Februar 1996, wonach vier Menschen starben, ein eher düsteres Bild abgegeben hatte.
Am Montag hatte Leonard gesagt, dass Kuba seine eigenen und die international anerkannten Regeln nicht eingehalten hätte, da es versäumt habe, die Flugzeuge zu warnen, bevor eine MiG sie abgeschossen habe. Doch in den Antworten auf Paul McKenna, dem Verteidiger von Gerardo Hernández, gab Leonard zu, dass Kuba die Vereinigten Staaten mehrfach gewarnt habe, und die Vereinigten Staaten hätten diese Warnungen an die Brüder weitergegeben, dass die Flugzeuge abgeschossen würden, wenn sie weiter auf "provokativen Flügen bestünden".
McKennas ausführliches Kreuzverhör stellte den Juroren zum ersten Mal in einem umfassenden Ausmaß die Sicht der kubanischen Regierung dar, dass nämlich der Abschuss gerechtfertigt gewesen sei, weil die Flugzeuge der Brüder die Warnungen ignorierten, in den kubanischen Luftraum einzudringen.
'Stimmt es nicht, mein Herr, dass die Flugzeuge der Brüder zur Rettung, die Warnungen ignorierten und in ein Gebiet eindrangen, das als Gefahrenzone freigeschaltet war?' fragte McKenna Leonard.
'Ja, mein Herr, sie drangen in dieses Gebiet ein,' antwortete Leonard.
McKenna fragte dann, ob ein Pilot ‚bei gesundem Verstand' in so ein Gebiet fliegen würde, nachdem er solche Warnungen gehört habe.
‚Sie würden es auf eigenes Risiko tun', antwortete Leonard.
‚Also,' fügte McKenna hinzu, ‚Ihr normaler, umsichtiger Pilot würde nicht in ein solches Gebiet fliegen?'
‚Es wäre gescheiter, das zu vermeiden - wenn man könnte,' gab Leonard zu.
Das Kreuzverhör lieferte auch eine Probevorführung für die Sache der Verteidigung, die voraussichtlich am Montag beginnt. Die Bundesstaatsanwälte teilten der U.S.-Bezirksrichterin Joan Lenard mit, dass sie ihre Sache heute oder Freitag ruhen lassen wollten."
Published Saturday, January 6, 2001, in the Miami Herald
Former Cuban spy testifies against ex-allies on trial
Man gives agents' techniques, efforts to infiltrate Pentagon's Southern office]
The Miami Herald berichtete am 6. Januar 2001 unter dem Titel, "Früherer kubanischer Spion sagt vor Gericht gegen seine Ex-Verbündeten aus - Mann liefert die Techniken der Agenten, die Bemühungen, die Südabteilung des Pentagons zu infiltrieren", folgendes: "Unter Vermeidung von Blickkontakt mit seinem früheren Verbündeten lieferte ein als solcher anerkannter früherer Agent des kubanischen Geheimdienstes den Geschworenen am Freitag einen Schnellkurs in Spionage.
Er war der erste Zeuge, der über persönliche Beteiligung an den Aktionen mit irgend einem der fünf der Spionage Angeklagten aussagte.
Joseph Santos, 40, sah nur einmal zu den Angeklagten hinüber, als er den der Spionage angeklagten Gerardo Hernández identifizierte. Santos sagte, Hernández sei ein in Miami ansässiger kubanischer "illegaler Beamter" oder ein hoher Geheimdienstagent, der ihn und seine Frau Amarylis 1995 mit ihrer ersten Aufgabe betraut habe, nämlich das Südkommando zu infiltrieren." Daraufhin habe er dem Gericht beschrieben, wie zunächst er in Kuba ausgebildet worden sei und danach seine Frau.
Am 9. Januar schreibt der selbe Autor unter dem Titel, "Jailed Cuban spy identifies his ‚handlers'," [Inhaftierter Spion identifiziert seine ‚Auftraggeber'], wie ihn auch Ramón Labañino und Fernando González dazu angehalten hätten, im ‚SouthCom' zu spionieren. Allerdings habe er darin "versagt", weil er und seine Frau viel zu sehr damit beschäftigt gewesen seien, ein legales Leben zu führen und reguläre Arbeit zu finden.
Im Kreuzverhör von Paul McKenna, bei dem dieser die "Glaubwürdigkeit" des Zeugen habe "untergraben" wollen, sei festgestellt worden, dass Santos nach den Richtlinien des Strafgesetzbuches 60 Monate verbüßen müsse, er habe aber nur 48 Monate bekommen.
"Dann sind diese Leute hier" habe McKenna gesagt und die Namen der Staatsanwälte Caroline Heck-Miller, John Kastrenakes, David Buckner und des FBI Agenten Al Alonso genannt, "alle Ihre Freunde, die Ihnen helfen, korrekt?" Santos habe über einen Übersetzer geantwortet: "Sie sind nicht meine Freunde. Ich traf diese Leute während der Untersuchung des Falles."
Daraus folgt für uns: Die Anklagen gegen die Fünf wegen "Verschwörung zu Spionage" und die zusätzlich gegen Gerardo erhobene Anklage der "Verschwörung zum Mord" berufen sich auf Aussagen, wie sie hier von Joseph Santos zitiert werden, man habe zwar militärische US-Geheimnisse ausspionieren wollen, es jedoch, gegen die ursprüngliche Absicht, nicht geschafft, sie zu erlangen.
Außerdem wird deutlich, unter welchem immensen Druck alle 10 Kubaner von Anfang an gestanden haben.
Wie Fernando in seiner ebenfalls hier am 4. März veröffentlichten Betrachtung, Fünf Jahre nach unseren Verteidigungsreden vor Gericht, schreibt:
"[...] Es gab noch andere Faktoren in diesen Tagen, die das Verfahren beeinflussten. Fünf andere Menschen, die gemeinsam mit uns im September 1998 verhaftet worden waren, hatten dem Druck des FBI nachgegeben, was dazu führte, dass sie als Zeugen der US-Behörden gegen uns aussagten. Von dem Moment an gerieten sie bei dem Versuch, ihre Handlungsweise gegen unser Volk zu rechtfertigen, in eine Spirale von moralischer und politischer Perversion.
jmb, db