Konsens zur Bewahrung des Systems in der kubanischen Gesellschaft

Salim Lamrani in der Rundfunksendung: "La Tarde se Mueve"
(Miami, 17:00-18:00 Uhr)
Journalist: Edmundo García,
Gast: Prof. Salim Lamrani, 29. Dezember 2011

http://lanochesemueve.us/12-29-11_Jueves.mp3

Bibliographische Anmerkung: Salim Lamrani ist ein französischer Professor, Autor und Journalist. Er promovierte beim "Centre de Recherches Interdisplinaires des Mondes Iberiques Contemporains (CRIMIC)" an der Sorbonne, Universität in Paris. Als Medienexperte spricht er verlässlich über die kubanischen und amerikanischen Beziehungen, da er Kuba nicht nur akademisch studiert hat, sondern die Insel auch regelmäßig besucht. Kürzlich sprach er über die Rolle der Medien und deren Behandlung kubanischer Realität. Als Journalist interviewte er nicht nur prominente Vertreter der kubanischen Regierung, sondern auch Mitglieder der Dissidenz dieser Gesellschaft. Mit einem Wort: ein Experte in Sachen unseres Landes.

Edmundo García: Salim Lamrani, während ihrer Konferenz bei der "Alianza Martiana" [in Miami, Anm. d. Ü.] äußerten Sie sich ziemlich kritisch zur Rolle der Medien. Sie nannten Kuba als Beispiel für den Faktenmissbrauch der Medien, indem Sie die von Amnesty International zur Verfügung gestellte Information und Statistik zitierten. Sie sprachen darüber, wie diese Daten von den Medien verdreht werden. Ich glaube, wir sollten unser Gespräch in diesem Interview mit dieser Angelegenheit beginnen.

Salim Lamrani: Wir sollten mit der folgenden Voraussetzung beginnen: Die Kapitalgesellschaften und Finanz-Institute der Welt kontrollieren die Presse. Die Rolle der Medien ist nicht mehr die, den Leser mit akkurater und verifizierbarer Information zu versorgen oder die Öffentlichkeit zu informieren, sondern vielmehr die, den Markt der Ideen und die Verteidigung der etablierten Ordnung zu kontrollieren. Die Objektivität der Medien ist daher ein Mythos, denn ihre tatsächliche Funktion ist schlicht die Verteidigung spezieller Interessen.
Sie erwähnten die Sache der Menschenrechte, die zweifellos das Hauptbedenken ist, das erhoben wird, wenn von Kuba die Rede ist. Also, Sie können nicht von mir erwarten, dass ich ihnen sage, es träten in Kuba keine Menschenrechtsverletzungen auf. Aber, wenn ich eine wahrheitsgetreue und verifizierbare Meinung über die dortige Situation der Menschenrechte zum Ausdruck bringen will, vorausgesetzt, dass es genügend genaue Daten gibt, um Kuba mit dem Rest der Welt zu vergleichen, dann brauche ich nur eine einzige internationale Quelle zu Rate zu ziehen: Amnesty International. Es veröffentlicht einen jährlichen Bericht, der die Lage der Menschenrechte in Kuba detailliert ausführt. Nun gehen die Medien von folgendem aus: "Kuba ist ein Land, das die Menschenrechte verletzt, es unterscheidet sich vom Rest des amerikanischen Kontinents genau wegen dieser Menschenrechtsverletzungen." Wir können diese Grundannahme mit tatsächlichen Daten vergleichen, indem wir uns auf den Report beziehen. Laut dem im April 2011 veröffentlichten Report von Amnesty International über den amerikanischen Kontinent gibt es ein Land, das die Menschenrechte am wenigsten verletzt - ohne Zweifel am wenigsten von allen - oder das sie am meisten respektiert, das ist tatsächlich Kuba. Sie müssen nicht glauben, was ich Ihnen sage, gehen Sie einfach auf die Website von Amnesty International und ziehen Sie den Report selbst zu Rate, der dort in drei Sprachen zu Verfügung steht: Französisch, Englisch und Spanisch. Nun ist Amnesty International kaum eine Organisation, die man als pro-kubanisch einstufen würde und dies aus dem folgenden Grund: Es brach seine diplomatischen Beziehungen mit Kuba 1988 ab. Daraus resultiert, dass wir eine große Kluft zwischen der Medien-Rhetorik und den auf der Realität basierenden Fakten wahrnehmen. Sie können natürlich dagegen argumentieren, dass Kolumbien oder Honduras kaum leuchtende Beispiele für die Achtung ihrer Menschenrechte abgeben, und dass daher ein Vergleich mit denen nicht sehr präzise sein mag.
Also, lassen Sie uns folgendes Beispiel nehmen: Einen Vergleich der Menschenrechte in Kuba mit dem im Herzen der Europäischen Union selbst. Seit 1996 hat die Europäische Union einen Gemeinsamen Standpunkt gegenüber Kuba eingenommen, aufgrund dessen, was sie als die dortige Menschenrechtssituation ansieht. Dieser Gemeinsame Standpunkt der EU ist der Grundpfeiler der Außenpolitik Brüssels gegenüber Kuba, er begrenzt den diplomatischen, politischen und kulturellen Austausch. Es ist wirklich merkwürdig, dass Kuba als einziges Land auf dem amerikanischen Kontinent der Gegenstand eines Gemeinsamen Standpunktes der EU sein soll, wenn Amnesty International Kuba als das Land vorfindet, in dem die Menschenrechte am wenigsten verletzt werden. Dies ist der erste Widerspruch. Nun ist es natürlich naheliegend, die Legitimität des Rechts der Europäischen Union zu erwägen, sich selbst als Richter und Jury über Menscherechte einzusetzen, denn bevor man ein Land in dieser Angelegenheit stigmatisiert, sollten die eigenen Fakten ohne Tadel sein.
Also, was hatte Amnesty International dazu zu sagen? Laut dem Report von 2011, der frei im Internet verfügbar ist, stimmten 23 von 25 Ländern aus der Europäischen Union für politische, diplomatische und kulturelle Sanktionen gegen Kuba. Lassen Sie uns den Fall betrachten, der mich am meisten betrifft, den von Frankreich. Hier sind wir im Heimatland der Menschenrechte. Nichtsdestotrotz lade ich alle unsere Zuhörer ein, auf die Website von Amnesty International zu gehen und sich dort sowohl den Report über Kuba als auch den Report über Frankreich anzusehen, vergleichen Sie die beiden mit einander, und dann ziehen Sie Ihre Schlüsse. Dies ist ein ausgezeichnetes Beispiel für Medienmanipulation. Gleichzeitig wiederhole ich, Kuba hat keinen perfekten Report, etwa einen einwandfreien Bericht zur Frage der Menschenrechte. Amnesty International erhebt etliche Bedenken in Bezug auf freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit, etc. Aber, wenn wir das mit unserer eigenen Realität und auch der auf dem amerikanischen Kontinent vergleichen, finden wir heraus, dass es eine enorme Manipulation der Realität gibt.

EG: Könnten Sie Beispiele nennen, Fakten, die in der Europäischen Union bekannt sind, auch wenn Kuba Gegenstand des Gemeinsamen EU-Standpunktes ist?

SL: Lassen Sie uns einige repräsentative Beispiele betrachten. Amnesty International hat nie von einer Tötung durch Polizeikräfte in Kuba berichtet, was man von Groß-Brittannien und anderen Ländern nicht behaupten kann. Noch hat es Fälle gewaltsamer Sterilisation von Frauen ethnischer Minderheiten herausgefunden, Fälle von gewaltsamer Unterdrückung öffentlicher Proteste durch Tränengas, etc. oder der Diskriminierung von Kindern aus ethnischen Minderheiten, wie es in der tschechischen Republik und der Slowakei der Fall ist. Ich könnte noch weitere schwerwiegende Beispiele nennen.

EG: Und in Österreich? Ich hörte Sie während einer Konferenz sagen, dass es dort Probleme mit Minderheiten gebe.

SL: Sehr schwere Menschenrechtsverletzungen geschehen gerade in Österreich, zum Beispiel, Ermordungen seitens der Ordnungskräfte und an Minderheiten begangene Brutalität. Natürlich hatte der Präsident der französischen Republik auch diskriminierende Bemerkungen über Romas gemacht. Dies alles weist auf die Tatsache hin, dass der Gemeinsame Standpunkt der EU absolut scheinheilig ist. Das, was die Europäische Union am meisten aufbringt, ist weniger die Frage der Menschenrechte als vielmehr Kubas politisches, wirtschaftliches und soziales System.

EG: Salim Lamrani, ich hätte gerne, dass Sie die Frage der Migration zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten ansprächen und eine Vergleichsanalyse anstellten, wie etwa die von Amnesty International mit denen anderer lateinamerikanischer Länder.

SL: Das Problem der Migration wird sofort politisiert, wenn die Diskussion auf Kuba kommt. Ich lese in den Medien immer die folgende Annahme: "Die massive kubanische Migration in die Vereinigten Staaten veranschaulicht das Versagen des kubanischen Wirtschafts-, politischen und sozialen Systems." Dennoch wurde diese Annahme, diese Behauptung, nie von Fakten und statistischen Daten untermauert, obwohl diese über kubanische Einwanderung in die Vereinigten Staaten für den Zeitraum von 1820 bis 2010 existieren.
Lassen Sie uns kurz auf das blicken, was der Realität der kubanischen Auswanderung nach den Vereinigten Staaten von 1959 entsprach. Kuba, ein kleines Land von sechs Millionen Einwohnern, nahm auf dem amerikanischen Kontinent in der Einwanderungsrate in die Vereinigten Staaten den zweiten Platz ein. Aus offensichtlich historischen, geographischen und demographischen Gründen hielt Mexiko immer den ersten Platz. So hatte Kuba, eine kleine Nation von sechs Millionen Einwohnern, eine höhere Migrationrate als alle anderen Länder Mittelamerikas zusammen. Höher als alle Nationen der Karibik zusammen, fast noch höher als alle aus Südamerika. Hier sehen wir ein kleines lateinamerikanisches Land mit einer höheren Einwanderungsrate als die Gesamtrate von fünfzehn anderen lateinamerikanischen Ländern. Sie können diese statistischen Daten finden, die auf der Website des US-Büros für Bürger- und Einwanderungsdienste leicht zugänglich sind.
Dann begannen die Vereinigten Staaten oder genauer gesagt, die Eisenhower-Administration, im Juli 1960 damit, Wirtschaftssanktionen über Kuba zu verhängen, etwas, das den Schlüssel zu sowohl legaler als auch illegaler Auswanderung aus Kuba liefert, denn die Sanktionen erschwerten die wirtschaftliche Situation und natürlich auch der Umstand, dass die Vereinigten Staaten die Auswanderer willkommen hießen. 1966 beschloss der Kongress der Vereinigten Staaten das, was als "Cuban Adjustment Act" bekannt ist. Was ist der "Cuban Adjustment Act"? Es ist ein kurzer zweiseitiger Gesetzestext - tatsächlich sind es anderthalb Seiten - der vertraglich festlegt, dass nach dem ersten Januar 1959 jeder Kubaner, der auswandert, legal oder illegal, friedlich oder gewaltsam, nach Ablauf eines Jahres in den Vereinigten Staaten automatisch den Status eines ständigen Einwohners erhalten wird. Dies ist ein einmaliges Gesetz in der Welt und eines, das sowohl zu legaler als zu illegaler Einwanderung animiert. Wir müssen das Datum des Gesetzes hervorheben, um seinen politischen Gehalt zu verstehen: der erste Januar 1959. Das bedeutet, dass der Kubaner, der am 31. Dezember 1958 oder zuvor eintraf, für die Begünstigung durch den "Cuban Adjustment Act" nicht in Frage kommt. Die politische Absicht dieses Gesetzes ist durchsichtig. Es war eindeutig eine Waffe, die gegen den Prozess der Kubanischen Revolution eingesetzt werden sollte.
Lassen Sie uns einen Blick auf die jüngste Statistik werfen, auf die, die ich 2003 zu Rate zog. Ich beziehe mich nicht gerne auf die Statistik von 2010, weil ich deren genaue Daten nicht im Kopf habe. Wir könnten uns vorstellen oder annehmen, dass die Migrationrate Kubas von 1959 - die zweithöchste auf dem amerikanischen Kontinent - nach Hinzukommen der Wirtschaftssanktionen wie auch des "Cuban Adjustment Act's", was beides zur Auswanderung anregte, danach Mexiko den ersten Rang auf der Einwanderungsliste in die Vereinigten Staaten abgelaufen hätte. Doch das ist nicht der Fall. Nach den Einwanderungsdaten in die Vereinigten Staaten ist Mexiko immer noch an erster Stelle, doch Kuba nicht mehr an der zweiten Stelle, noch an fünfter, sondern es kommt erst an zehnter Stelle.
Ich wiederhole, diese Quellen, diese Daten von der Einwanderungsbehörde der Vereinigten Staaten sind im Internet verfügbar. Dort sehen wir, dass 2003 neun Länder in Lateinamerika eine höhere Einwanderungsrate hatten als Kuba. Die Medien haben diese Fakten noch nie dazu benutzt, um beispielsweise die Regierungen von El Salvador, Mexiko, Jamaika oder die der Dominikanischen Republik anzuschwärzen.
Man könnte darauf antworten, dass man die Einwanderungsrate aus einem Land wie Mexiko mit seinen über 100 Millionen Einwohnern nicht mit einem kleinen Land wie Kuba vergleichen kann, das heute 11 Millionen Einwohner hat. Und das ist eine begründete Kritik. Daher lassen Sie uns die Einwanderungsrate von 2003 aus Kuba mit der aus El Salvador vergleichen, das 5,75 Millionen Einwohner hat, weniger als sechs Millionen. 2003 hatte El Salvador eine dreimal höhere Migrationrate als Kuba, und zur selben Zeit wurde dieser hohe Einwanderungsgrad nie dazu benutzt, das neoliberale, politische und ökonomische System anzuschwärzen oder die Regierung von El Salvador. Daher wird es noch einmal deutlich, dass dies nur eine weitere diskriminierende Stigmatisierung ist. Wenn wir aus der Emigration ein politisches Argument konstruieren oder es als Maßstab für die Legitimation einer Regierung oder eines Systems benutzen wollen, wenn wir uns dann auf Fakten beziehen, wenn wir davon ausgehen, dass Emigration veranschaulicht, wie gut oder schlecht ein System funktioniert, können wir nur zu einem einzigen Schluss kommen: Die kubanische Regierung und das politische System sind unter den seriösesten auf dem amerikanischen Kontinent.
Lassen Sie uns folgende Frage stellen: Was würde den Vereinigten Staaten passieren, wenn sie morgen einen "Mexican Adjustment Act" erließen? Das ist natürlich in den vergangenen 40 Jahren oder mehr, seit 1966 bis 2011 sind es 45... 46 Jahre, nie geschehen, weder für vier Jahre, vier Monate oder auch nur für vier Tage. Doch stellen Sie sich folgende Frage: Wenn die Regierung der Vereinigten Staaten daran gingen, einen "Mexican Adjustment Act" für nur vier Stunden zu beschließen, nicht mehr und nicht weniger, was würde Ihrer Meinung nach in Mexiko passieren? Ich überlasse es Ihnen, sich das Ergebnis vorzustellen.

EG: Salim Lamrani, ich würde gerne Ihre Meinung über die Beziehung zwischen den Vereinigten Staaten und Kuba in kommerziellen Angelegenheiten hören. Ich wüsste gerne Ihre Meinung über die Bilanz wirtschaftlicher Beziehungen zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten während der ersten drei Jahre der Obama-Administration.

SL: Es empfiehlt sich zu erkennen, dass die Obama-Regierung sich von der vorherigen Bush-Administration nur im Stil unterscheidet, nicht im Inhalt. Obama ist ein kultivierter, intelligenter Mann, der eine neue Perspektive auf den Tisch brachte. Während seiner [Wahl-] Kampagne machte er folgende Beobachtung: Die Politik der Vereinigten Staaten gegenüber Kuba ist gescheitert. Fünzig Jahre Wirtschaftssanktionen gegenüber Kuba, deren Ziel es war, die kubanische Regierung zu stürzen und einen Regime-Wandel einzuführen, waren ein totaler Fehler. Nun, die Wirtschaftssanktionen gegenüber Kuba sind das Haupthindernis für die Entwicklung auf der Insel. Sie sind anachronistisch, denn sie gehen auf den Kalten Krieg zurück. Sie sind grausam, denn sie beeinträchtigen den empfindlichsten Teil der kubanischen Gesellschaft: Frauen, Kinder und ältere Leute. Sie sind ebenfalls ineffektiv, weil sie ihr Ziel, das der Beendigung des revolutionären Prozesses, nicht erreicht haben. Obama traf eine klare Feststellung, die seine Intelligenz und seine Weisheit zeigen. Dennoch müssen wir Obama nach seinen Taten beurteilen und nicht nach seiner Rhetorik. Er hat selbstverständlich die Restriktionen für Reisen auf die Insel von Mitgliedern der kubanischen Gemeinde in den Vereinigten Staaten aufgehoben. Wir wissen, dass zwischen 2004 und 2009, die Kubaner in den Vereinigten Staaten bestenfalls und nur, wenn sie zuvor eine geeignete Erlaubnis vom Treasury Department erlangt hatten, nach Kuba fahren durften und dann auch nur alle drei Jahre für nur vierzehn Tage. Um die notwendige Erlaubnis zu erhalten, mussten sie nachweisen, dass sie ein unmittelbares Familienmitglied in Kuba hatten. Jetzt sind für jeden ein Kusine, ein Onkel, eine Tante oder ein Neffe unmittelbare Familienmitglieder. Doch nicht so unter der Bush-Administration: Sie gab eine neue Definition für Familie heraus, eine Definition, die nur für Kubaner galt. Familienmitglieder bestanden nur aus Großeltern, Eltern, Ehefrauen, Kindern und Enkeln. Das war eine grausame Politik, die Familien von einander trennte. Obama, ein hellsichtiger Mann, hob diese Beschränkungen auf, doch müssen wir unglücklicherweise feststellen, dass die Obama-Administration die strikte Anwendung von Wirtschaftssanktionen und die Erhebung von Bußgeldern für ausländische Unternehmungen, für europäische Unternehmen beispielsweise, die die Handelsregeln verletzen, aufrechterhält.
Ich habe bereits erwähnt, dass der Gemeinsame Standpunkt der EU 1996 beschlossen wurde. Das Datum der Angelegenheit ist nicht unerheblich. Warum wurde es damals beschlossen? Weil die Vereinigten Staaten 1996 das Helms-Burton-Gesetz beschlossen hatten, ein Gesetz, das extraterritoriale Anwendung findet. Nun, das Gesetz eines Landes kann nicht für andere Länder gelten. Zum Beispiel kann französisches Gesetz nicht auf Italien angewendet werden und englisches Gesetz nicht auf Deutschland. Dennoch wurde dieses gegen Kuba gerichtete Gesetz auf Frankreich, die Schweiz und so weiter angewandt. Kürzlich wurde die Schweizer Bank USB gezwungen, ein Bußgeld von 100 Millionen Dollar wegen der Eröffnung eines Kontos in Kuba zahlen. Daran sehen wir die Fortsetzung der extraterritorialen Anwendung der Sanktionen unter Obama. Ich wiederhole, es gibt einen Widerspruch zwischen seiner Rhetorik des "Wandels" und der tatsächlichen Realität beim Gebrauch eines Gesetzes von 1917, dem "Trading with the Enemy Act", zum Zweck der weiteren Belagerung Kubas.

EG: Ich würde gerne mit Ihnen, Salim Lamrani, über Ihre während der Recherche erarbeitete Sicht sprechen. Es betrifft die Medienbehandlung der Politik der Wirtschaftssanktionen, nicht als politisches und wirtschaftliches Problem, sondern als ein Bestandteil der Werbung und einer ideologischen Machenschaft.

SL: Es gibt eine sehr aufschlussreiche Begebenheit. Durch die gesamte Geschichte der Abstimmungen in den Vereinten Nationen ist diejenige, die jedes Jahr die breiteste Zustimmung bekommt, die gegen die ökonomischen Sanktionen gegen Kuba. Im Oktober 2011 stimmte zum zwanzigsten Mal hintereinander eine immense Mehrheit der internationalen Gemeinschaft, insgesamt 185 Länder, für die Aufhebung der ökonomischen Sanktionen gegen Kuba. Nichtsdestotrotz wurde diese druckenswerte Tatsache von der Presse unterdrückt, zensiert und ignoriert. Die westliche Presse spricht andauernd über wirtschaftliche Probleme in Kuba, und es existieren tatsächlich ernste Probleme, aber gleichzeitig, ich wiederhole mich, sprechen sie nie von der Tatsache, dass das eigentliche Hindernis für die ökonomische Entwicklung der Nation das wirtschaftliche Embargo ist, oder die Blockade, nennen Sie es wie sie wollen.
Einige wenige Fakten: Wir müssen auch im Kopf behalten, dass Kubas historischer und natürlicher Handelspartner immer die Vereinigten Staaten waren. 1959 gingen 73% des kubanischen Exports in die Vereinigten Staaten, und Kuba importierte 67% seiner Konsumgüter aus den Vereinigten Staaten. Der einseitige Abbruch des Handels zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten war das eigentliche Hindernis für die Entwicklung (der Insel).
Dazu kommt, dass diese wirtschaftlichen Sanktionen extraterritorial eingesetzt werden. Wenn eine französische Firma für Feingebäck Kekse in die Vereinigten Staaten, in die Spitzenwirtschaft der Welt, exportieren will - Sie wissen, dass französisches Gebäck lecker ist - muss die Firma dem US-Handelsministerium nachweisen, dass die Kekse keine Unze kubanischen Zuckers enthalten. Wir wissen, dass es Kuba verboten ist, irgend etwas in die Vereinigten Staaten zu verkaufen, aber im Fall der französischen Firma für Feingebäck, wird Kuba auch daran gehindert, Zucker nach Frankreich zu verkaufen. Nehmen wir ein anderes Beispiel, Mercedes Benz, die deutsche Firma, die ohne Zweifel die besten Autos der Welt baut. Wenn Mercedes Benz Autos in die Vereinigten Staaten exportieren will, muss die Firma dem Handelsministerium nachweisen, dass das Auto kein Gramm kubanischen Nickels enthält. Also kann Kuba sein Nickel nicht nur nicht in die Vereinigten Staaten exportieren, es kann es auch nicht nach Deutschland verkaufen. Das sind eindeutige Beispiele für den Einfluss der ökonomischen Sanktionen.

EG: Aber wie wird in der Presse darüber berichtet, Salim Lamrani?

SL: Bei diesen Fakten gibt es einen völligen Blackout. Ist den Lesern der Einfluss der ökonomischen Sanktionen gut bekannt, ist die öffentliche Meinung informiert? Warum gibt es 185 Länder, die gegen die ökonomischen Sanktionen stimmen? Sicher nicht, weil 185 Länder Freunde Kubas sind. Kuba hat viele Freunde in der Welt, aber nicht alle. Zum Beispiel stimmten alle Länder der Europäischen Union gegen diese Sanktionen, trotzdem bewahrt die Europäische Union eine feindselige Haltung gegenüber Kuba. Der Grund ist, dass die internationale Gemeinschaft den dramatischen Einfluss dieser Sanktionen auf die kubanische Bevölkerung versteht. Die Sanktionen treffen nicht nur die Führungsschicht, sie Treffen das Volk. Darum ist die Logik, die Sanktionen aufrechtzuerhalten, für mich schwer verständlich. Ich verstehe, dass Andere Ansichten haben, die sich von der Havannas unterscheiden. Ich kann verstehen, dass man über die kubanische Regierung unterschiedlicher Meinung sein kann, aber wenn für uns das Wohlergehen des kubanischen Volkes wichtig ist, dann haben wir keine andere Wahl, als die ökonomischen Sanktionen gegen Kuba bedingungslos zu verurteilen.

EG: Salim Lamrani, die Obama-Administration hat öffentlich erklärt, die Vereinigten Staaten könnten ihre Beziehungen zu Kuba wegen der Gross-Affäre nicht normalisieren. Gross, der in Kuba eingesperrte amerikanische Subunternehmer, stelle ein Hindernis für die Normalisierung dar. Man bekommt den Eindruck, dass, wenn Gross frei gesetzt würde, alles wieder zur Normalität zurückkehrte. Wie interpretieren Sie diese neue Ausrede der nordamerikanischen Administration, um einen Fortgang des Dialogs zu verhindern?

SL: Zuerst, glaube ich, müssen wir die korrekte grundlegende Voraussetzung schaffen. Wenn die Obama-Administration behauptet, "wir warten auf Gegenseitigkeit, um die Beziehungen zu normalisieren", ist das eine fehlerhafte Voraussetzung. Warum? Weil nicht Kuba den Vereinigten Staaten ökonomische Sanktionen aufzwingt. Kuba besetzt nicht gewaltsam US-amerikanisches Territorium, wie im Fall von Guantánamo. Kuba finanziert keine internationale Opposition mit der Absicht, die etablierte Ordnung zu unterwandern. Die Aggression, die Feindseligkeit, der Belagerungszustand, ich wiederhole mich, sind alle einseitig. Kuba hat den Vereinigten Staaten keine Konzessionen zu machen. Wir können über Menschenrechte sprechen. Und noch einmal, ich wiederhole, ich fordere unsere Zuhörer auf, einen Blick auf den Menschenrechtsbericht von Amnesty International über die Vereinigten Staaten zu werfen und mit deren Bericht über Menschenrechte in Kuba zu vergleichen. Ich weise darauf hin, dass das alles Rhetorik ist, ein wertloses Argument, weil die Vereinigten Staaten keine moralische Autorität besitzen, irgend jemanden über Menschenrechte zu belehren.
Lassen Sie uns über den Fall Alan Gross reden. Alan Gross ist ein Subunternehmer, der ein USAID-Programm durchführte, um die kubanische Regierung mit dem ausdrücklichen Ziel eines Regimewechsels zu unterwandern. Er stattete Dissidenten mit hochentwickelten Geräten wie Satellitentelefonen aus. Dies wird in Kuba reguliert. Satellitentelefone sind in Kuba nicht zugelassen. Warum nicht? Weil Kuba ein Land ist, das seit 50 Jahren Opfer des Terrorismus' ist. Satellitentelefone sind in der Lage Örtlichkeiten aufzuzeigen, die jemandem erlauben könnten, eine Bombe oder wer weiß was zu zünden. Washington behauptet, Gross wäre nach Kuba gegangen, um lediglich der kleinen jüdischen Gemeinde zu helfen. Fein, aber hören wir die jüdische Gemeinde selbst. Was sagt die? Die wichtigsten jüdischen Gemeinden in Kuba haben bei zahlreichen Anlässen wiederholt, dass sie absolut keinen Kontakt zu Alan Gross gehabt hätten und dass sie auf jeden Fall seine Hilfe nicht gebraucht hätten, da sie ausgezeichnete Beziehungen sowohl zur Regierung in Havanna unterhielten als auch zu jüdischen Gemeinden in den Vereinigten Staaten und dem Rest der Welt, die sie mit dem, was sie brauchten, versorgten. In Wahrheit war Gross Teil eines Programms, obwohl er vielleicht die Risiken, denen er ausgesetzt war, nicht voll verstanden hatte. Aber Realität ist, dass Gross gegen das Gesetz verstoßen hatte, er beging ein ernstes Verbrechen, für das er in Frankreich eine 30 Jahre lange Haftstrafe hätte bekommen können.
Ich glaube, dass dieser Fall neben einem politischen auch ein humanitärer Fall ist, und dass Gegenseitigkeit wichtig ist. Aber es ist möglich, eine Lösung in der Affäre um Alan Gross zu finden. Wenn die Vereinigten Staaten die fünf kubanischen politischen Gefangenen freilassen - einer ist nicht mehr im Gefängnis, steht aber unter Hausarrest. Ich beziehe mich auf jene Kubaner, die heimlich gewisse gewalttätige kubanische Exilgruppen infiltriert hatten, um Terroranschläge auf die Insel zu verhindern und die zu Strafen von 15 Jahren bis hin zu zweimal lebenslänglich verurteilt worden waren. Ich glaube, wenn die Obama-Administration, und ich wiederhole, sie ist eine aufgeklärtere als ihre Vorgängerin, das Problem lösen wollte, könnte sie einen Austausch der Gefangenen bewerkstelligen, indem sie die Cuban Five freilässt. Ich bin überzeugt, dass die Regierung in Havanna mit Gross das gleich täte. Ich glaube nicht, dass wir einen einseitigen Schritt einer der beiden Seiten erwarten sollten. Nur Dialog und Verhandlung können zu einem positiven Ausgang führen.

EG: Glauben Sie, dass der Besuch von Papst Benedikt XVI. einen Beitrag zu Lösung des Problems mit Alan Gross und dem der Cuban Five liefern kann? Vielleicht sollten wir auch die US-amerikanischen Wahlen in Betracht ziehen. Glauben Sie, dass der päpstliche Besuch dazu beitragen könnte, eine Lösung zu finden?

SL. Ich glaube, dass der Besuch seiner Heiligkeit, dem Papst, nicht nur für Kuba förderlich ist, sondern auch für die Beziehungen zwischen Havanna und Washington. Mehrere Mitglieder der US-amerikanischen Katholischen Kirche, bedeutende Mitglieder, haben vor nur zwei oder drei Wochen eine Erklärung für die Befreiung von Alan Gross und den Cuban Five aus humanitären Gründen veröffentlicht. Die Stimme des Vatikans ist eine wichtige Stimme im internationalen Szenario. Ich bin überzeugt, dass die Regierung in Havanna dem alle Aufmerksamkeit schenken wird, und ich hoffe, dass die Regierung von Obama das selbe tut. Die Spannungen zwischen den beiden Ländern könnten dadurch gemildert werden.

EG: Professor Salim Lamrani, Sie haben Yoani Sanchez interviewt, jemanden der unzählige Preise erhalten hat. Sie haben ein Interview veröffentlicht, das in der Presse weit verbreitet wurde. Yoani Sanchez hat behauptet, das Interview sei von ihnen manipuliert worden. Später erfuhren wir, dass ein anderes Interview, von dem sie behauptet hatte, es mit Präsident Obama geführt zu haben, gefälscht war, dass es in Wahrheit Jonathan Farrar, der US-amerikanische Botschafter in Kuba, gewesen war, der sowohl die Fragen als auch die Antworten verfasst hat. Yoani hat außerdem behauptet, sie habe Präsident Raúl Castro Fragen geschickt, aber später erfuhren wir durch Wikileaks, dass sie das Dokument nie an ihn abgeschickt hat. Ich wüsste gerne ihre Ansichten zu dieser Angelegenheit und ihren Erklärungen, weil Yoani Sanchez eine unglaubliche Fähigkeit besitzt, uns zu überraschen. [Die Übersetzung des Interviews finden Sie auf dieser Website.]

SL: In Bezug auf das Interview, das ich mit ihr geführt habe, hat Yoani Sanchez drei verschiedene Versionen verbreitet. Die erste Version, die sie in ihrem Blog veröffentlicht hat, erklärte, dass unsere Unterhaltung sowohl konstruktiv als auch einverständlich gewesen sei. Die zweite Version besagt, das Interview sei verdreht worden. Die dritte Version behauptet dagegen, ich hätte ihre Antworten erfunden. Also forderte ich Yoani Sanchez auf, und ich fordere sie heute erneut dazu auf, in ihrem Blog die Antworten, von denen sie behauptet, ich hätte sie erfunden, zu veröffentlichen. Wenn ich dann nicht die Aufzeichnungen des Interviews veröffentliche, ist es klar, dass sie recht hat. Ich habe das, was Yoani Sanchez veröffentlicht hat, sorgfältig gelesen, und ich begriff, dass sie einige präzise Aussagen zum Embargo als auch zu Batista, die sie während des Interviews gemacht hat, bestritt. Sie bestritt außerdem die Erwähnung der Cuban Five. Also publizierte ich einen Artikel mit dem Titel "Diplomatie der Vereinigten Staaten und die kubanische Dissidenz". Darin veröffentlichte ich die exakte Audio-Version von dem, was sie bestreitet, gesagt zu haben. Darum fordere ich sie erneut auf, weiterhin präzise Aussagen im Interview zu bestreiten. Falls ich dann nicht die aufgezeichnete Version publik mache, hieße das, dass sie recht hat.

EG: Was sicher ist, ist, dass die Presse eine gemeinsame Position angenommen zu haben scheint, und das zusätzlich zu all' den Preisen, die sie gewonnen hat, sodass niemand etwas Kritisches über Yoani Sanchez veröffentlichen mag. Es ist als wäre sie der verlorene Sohn, die heilige Madeleine, oder wer weiß was. Die Presse zensiert offen alles Kritische über Yoani Sanchez.

SL: Ich bin zweifellos der einzige Journalist, der ein kompromissloses Interview mit ihr geführt hat. Darin gab ich ihr das Recht, ihren Ansichten Ausdruck zu verleihen. Es gibt viele Widersprüche in der Geschichte von Yoani Sanchez, die jeder ehrliche, professionelle Journalist darlegen sollte. Zum Beispiel beschreibt Yoani Sanchez die kubanische Realität mit apokalyptischen Formulierungen. Wenn man ihren Blog liest, hat man den Eindruck, sie sei der Torweg zur Hölle. Das ist eine fürchterliche Verdrehung der Realität. Jetzt erfahren wir, dass sie in die Schweiz gereist war, der Perle Europas, eines der reichsten Länder der Welt, dass sie dort tatsächlich zwei Jahre lebte, bevor sie sich entschied, nach Kuba zurückzukehren. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder sie ist nicht im Besitz ihrer Fähigkeiten - was nicht der Fall ist - oder die Realität, die sie vorgibt zu beschreiben, ist nicht so dunkel, wie sie behauptet. Außerdem wüsste ich gerne, wie sie es geschafft hat, in so kurzer Zeit, von 2007 bis heute, so viele Preise zu erlangen, die aus ökonomischer Sicht einen Wert von 300.000 Euro darstellen. Das ist soviel wie 22 Jahre Mindestlohn in Frankreich und 1487 Jahre Mindestlohn in Kuba. Ich glaube nicht, dass das alles nur aus Zufall passiert. Ich glaube, dass es mächtige Interessen hinter Yoani Sanchez gibt.
Zum Beispiel, sie, die in ihrem Blog so ausdrucksvoll ist, die sich selbst als personifizierte Transparenz darstellt, hat niemals die Tatsache publiziert, dass sie sich in ihrer Wohnung heimlich mit Bisa Williams getroffen hat, der höchsten Funktionärin der Obama-Administration. Noch hat sie - Sie sprachen vorhin davon - das Obama-Interview erwähnt, und das wirft ebenfalls einen Schatten des Verdachts auf sie. Tatsächlich bin ich nicht überrascht, dass Farrar die Antworten geschrieben haben soll, es sind immer hochrangige Beamte, die für den Präsidenten antworten, der dann für sie unterzeichnet. Aber es ist eine Tatsache, dass sie niemals Fragen an Präsident Raúl Castro geschickt hat. Nichtsdestotrotz behauptete sie öffentlich, sie hätte es getan, und in unserem Interview erzählte sie mir, er habe niemals geruht zu antworten. Aber sie hat gegenüber Jonathan Farrar zugegeben, dass sie die Fragen nie abgeschickt habe, der dieses Bekenntnis in einem Memorandum zitierte, das durch Wikileaks publik wurde. All' das, tut mir leid, wirft einen Schatten auf ihre Glaubwürdigkeit.

EG: Wenn es ein Thema gibt, das Sie - mit ihrem Hintergrund, Sie sind französischer und algerischer Herkunft.- kommentieren könnten, ist es der "Arabische Frühling", der in Nordafrika begonnen hat. Dies ist eine Frage, die ich schon Anderen gestellt habe: Was ist Ihre Ansicht zu diesen Ereignissen? Gleichzeitig war es eine Überraschung für gewisse Personen, die auch einen Kubanischen Frühling erwarteten, wieso nichts derartiges in Kuba passierte?

SL: Ich glaube es ist sehr schwer, so kurz nach den Ereignissen wichtige historische Trends in der arabischen Welt zu erklären. Aber um es zusammenzufassen, in all' diesen Ländern, Ägypten, Tunesien, Jemen gibt es seit Jahrzehnten diktatorische mit der westlichen Welt verbündete Regierungen, die immer [von den westlichen Regierungen] beschützt wurden, die ein ökonomisches Modell aufzwingen, das das Volk unterdrückt. Die soziale und wirtschaftliche Situation wurde so schwierig, dass sich die Hoffnungslosigkeit des Volkes im Arabischen Frühling entlud.
Gewisse Leute, und Sie haben das unterstrichen, fragen sich, weshalb so etwas in Kuba nicht passiert ist. Aus einem einfachen Grund: Der Kubanische Frühling fand 1959 statt. Das heißt nicht, dass es in der kubanischen Bevölkerung nicht gewisse Sektoren gibt, die unzufrieden sind, aber diese Sektoren wissen, dass ein Wandel - der fällig ist - aus dem Land selbst kommen sollte, nicht durch eine ausländische Intervention. Die Kubaner wissen ganz genau, was sie zu verlieren haben. Sie leben trotz der bescheidenen Umstände, trotz der Unbeständigkeit des täglichen Lebens, unter Bedingungen, die außergewöhnlich sind, wenn man die Probleme der Dritten Welt in Betracht zieht. Kuba hat eine Lebenserwartung von 78 Jahren, eine der höchsten, wenn nicht die höchste in der Dritten Welt, eine Kindersterblichkeit von 4,8 pro Tausend Geburten, die niedrigste des amerikanischen Kontinents, sogar wenn man die Vereinigten Staaten und Kanada einschließt, und die niedrigste der Dritten Welt. Kuba hat einen signifikant höheren menschlichen Entwicklungsindex als der Rest der Dritten Welt. Diese Vergleiche demonstrieren, dass das allgemeine Ansehen der kubanischen Regierung falsch ist.
Wäre die kubanische Regierung eine, die mit Gewalt ihre Autorität aufzwingt, hätte das kubanische Volk längst revoltiert. Kubaner sind kein feiges Volk. Sie brauchen nur die kubanische Geschichte zu lesen, um das zu verstehen. Das kubanische Volk hat sich gegen das spanische Imperium erhoben, gegen die Diktaturen von Machado und Batista. Es gibt einen Konsens in der kubanischen Gesellschaft, das bestehende System zu sichern, ein System, das verbessert werden muss durch den Abbau übertriebener Restriktionen, aber nichtsdestotrotz innerhalb des Systems. Die Kubaner fordern nicht einen Wechsel des Systems, sondern Verbesserungen innerhalb des bestehenden. Das ist der große Unterschied zwischen einer vom Volk getragenen Regierung, wie es in Kuba der Fall ist, und einer Militärdiktatur wie in Ägypten.
Wir beobachten jetzt seit Wochen die fürchterliche Unterdrückung in Ägypten. Was war die Position der Vereinigten Staaten? Sie erklären ihre Besorgnis, "Besorgnis". Stellen Sie sich vor, so etwas passierte in Kuba. Ich bin absolut davon überzeugt, dass selbst Luxemburg zu einer sofortigen militärischen Intervention gegen die Insel aufriefe.

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

(Quelle: Realcuba's Blog vom 29. Januar 2012)

Zurück