DIE CUBAN FIVE IN ATLANTA
"...soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil ist unter ihren Schwingen"
(Malachias, 4, 2)
Von Ricardo Alarcón
In Counterpunch
27./28. August 2005
Am vergangenen 9. August, 28 Monate nachdem die Angeklagten Berufung eingelegt hatten, hat der 11th Circuit Court of Appeals in Atlanta endlich ein Urteil gefällt und die ungerechten Urteile aufgehoben, die vor über vier Jahren in einem Gericht in Miami über fünf junge kubanische Anti-Terror-Kämpfer verhängt wurden. Die Entscheidung des Gerichts von Atlanta war alles andere als überstürzt. Der Prozess, der den Angeklagten ermöglichte, von ihrem Recht auf Berufung Gebrauch zu machen, war lang, komplex und riskant. Sie sahen sich einer ganzen Reihe von Hindernissen gegenüber, die gegen Prinzipien und Regeln, sowohl nach internationalem als auch [US-]amerikanischem Recht verstießen, was sie zwang, sich unter unvorstellbaren Bedingungen zu verteidigen. Es schien, als ob ihr Fall nie das höhere Gericht für eine notwendige Revision erreichen werde. Dann widmeten sich die Richter von Atlanta dem Fall vier Mal so lange, wie die beschämende Farce von Miami gedauert hatte. (1)
Die Entscheidung von Atlanta hat tatsächlich historische Bedeutung.
Um das zu verstehen, ist es nötig, die Ereignisse, die dazu führten, in ihren Kontext zu stellen und dann zu betrachten - wenn auch nur kurz.
Am 12. September 1998 verhaftete das FBI Gerardo Hernández, Ramón Labañino, Antonio Guerrero, Fernando González und René González. Sie wurden beschuldigt, nichtregistrierte kubanische Agenten zu sein, deren Mission es war, terroristische Gruppen zu infiltrieren - mit dem Ziel, ihre kriminellen Pläne zu enthüllen - die unbehelligt von Miami aus arbeiten. Keiner von ihnen war vorbestraft; keiner war je beschuldigt worden, das Gesetz gebrochen oder gegen irgend eine Regel verstoßen zu haben. Sie waren unbewaffnet und nie in gewalttätige Auseinandersetzungen oder irgend eine Art von Belästigung verwickelt. Trotzdem wurde ihnen die Möglichkeit auf Freilassung gegen Kaution verweigert.
Im Gegenteil, vom ersten Tag ihrer Haft an wurden sie in Isolationshaft genommen - eingesperrt in diesem infamen "Loch", wo sie für 17 Monate blieben. Sie wurden einer völlig illegalen Bestrafung unterzogen, die nach US-Gesetz für Kriminelle vorgesehen ist, die Gewalttaten innerhalb eines Gefängnisses begehen, und auch dann nur für maximal 60 Tage. Sie wurden daran gehindert, ihre Verteidigung vorzubereiten, während eine massive rücksichtslose Pressekampagne unter Beteiligung der Staatsanwaltschaft, der FBI-Beamten und der lokalen Behörden in Miami losgetreten wurde, in der sie als gefährliche Feinde, schuldig der schlimmsten Verbrechen, einschließlich des Versuchs, "die Vereinigten Staaten zu zerstören", bezeichnet wurden. (2) Vorverurteilt, ohne Verfahren oder die Möglichkeit, sich zu verteidigen, wurden sie einem Trommelfeuer von Verleumdungen und Drohungen ausgesetzt.
Aber das war ihren Anklägern noch nicht genug. Um sicher zu stellen, dass die Gerechtigkeit keine Chance hat, hat die Regierung (mit Zustimmung des Gerichts in Miami) das angebliche "Beweismaterial" als geheim eingestuft. Vieles davon gehörte den Angeklagten, darunter Familienfotos, persönliche Korrespondenz und Rezepte. Den Angeklagten und ihren Verteidigern wurde also der Zugriff auf das Material verweigert, während die Regierung es willkürlich einsetzen und manipulieren konnte. Die Verteidigung wartet bis heute auf die Genehmigung, die "Beweismittel" einsehen zu dürfen. Sie hat es immer wieder vor dem Gericht in Miami angemahnt und auch dagegen vor dem Gericht in Atlanta Berufung eingelegt. Sie erhielt heute keine Antwort.
Unter diesen Umständen wurde das "Verfahren" am 27. November 2000 eröffnet. 26 Monate waren seit der Verhaftung vergangen. Und wir dürfen nicht vergessen, 17 der 26 Monate waren sie im "Loch" begraben.
Die Gerichtsfarce von Miami endete im Juni 2001, als sie eine unterwürfige, ängstliche Jury, die schon vorher Tag und Uhrzeit, zu der sie ihr Urteil verkünden würde, genau angeben konnte, in allen 26 Punkten für schuldig befand, nach einer nur wenige Stunden dauernden Beratung, ohne eine einzige Frage zu stellen oder den leisesten Zweifel anzumelden. Um das alles noch zu übertreffen, befanden sie Gerardo Hernández schuldig an etwas - den infamen Anklagepunkt 3, Mord ersten Grades - was die Staatsanwaltschaft selbst, im Bewusstsein, es nicht beweisen zu können, beantragt hatte zurückzuziehen.(3)
Uberraschend brauchte die Richterin, nachdem sie so schnell und leicht das gewünschte Urteil erhalten hatte, sechs Monate, um die Strafen zu verkünden. Sie brauchte fast so lange, wie das ganze "Verfahren" gedauert hatte. Warum? War sie im Begriff, etwas an den Ausführungen der Jury zu ändern oder zu ergänzen? Wollte sie zumindest eine Weile Abstand von den Forderungen der Staatsanwaltschaft gewinnen?
Nichts in dieser Art. Die unverhältnismäßigen Strafen waren exakt so, wie die Regierung es vorgeschlagen hatte. War es nötig, ein halbes Jahr verstreichen zu lassen? Warum das lange Warten?
Am Ende des Verfahrens hatte sie angekündigt, dass sie die Strafen im September verkünden würde. Während sie Urlaub machte, wurden die Fünf wieder in Isolationshaft verbracht. Diesmal blieben sie 48 Tage im "Loch" und kamen erst nach einigen Anstrengungen ihrer Anwälte heraus. Diese weitere willkürliche Behandlung hatte einen klaren Zweck: die Vorbereitung ihrer Erklärungen - ihre einzige Gelegenheit, das Gericht anzusprechen - so schwer wie möglich zu machen. Als es soweit war, haben sie sich nicht entschuldigt und um Milde gebeten, wie es verurteilte Gefangene im Allgemeinen tun, sondern energisch das absurde Verfahren verurteilt und die Terroristen und die sie unterstützende Regierung bloßgestellt.
Aber es ist noch etwas im September 2001 passiert. Nach dem abscheulichen Verbrechen vom 11., das die [US-]amerikanische Gesellschaft und die ganze Welt aufgeschreckte, hatte die Richterin die Verkündung der Strafmaße verschoben. Es war ein ungewöhnlicher Aufschub von drei Monaten. Es war nicht Trauer oder Ehrfurcht vor den Opfern dieser Gräueltat, was die Verzögerung auslöste. Es war eher das genaue Gegenteil.
Ihre Gründe waren völlig andere. Was sie und die Regierung vorschlugen, war unter anderem ein massiver Affront gegen die Opfer dieses schicksalhaften Tages. Sie mussten diese beiden Ereignisse zeitlich soweit wie möglich von einander trennen und so viel Zeit wie möglich gewinnen, um, im Vertrauen auf die Kooperation der informationsunterdrückenden Massenmedien, vom Zusammenhang abzulenken.
Die Regierung war gerade dabei, ihre Manöver auf den Höhepunkt zu bringen, mit denen die Terroristen beschützt werden sollten, zu denen die Bush-Familie enge und lang anhaltende Beziehungen pflegt und denen der derzeitige Bewohner des Weißen Hauses versprochen hatte, sich für die skandalöse Fälschung, die ihn 2000 zum Präsidenten gemacht hatte, erkenntlich zu zeigen.
Das ist der Grund dafür, dass die Staatsanwaltschaft nach der Forderung von Höchststrafen auch noch ihre unmoralische und illegale Theorie der "Untauglichmachung" einführte: zusätzlich zu den exorbitanten Strafen wurden die Angeklagten auch noch mit sehr spezifischen Auflagen nach ihrer Entlassung belegt, so dass sie nie wieder versuchen können, irgend welche Aktionen gegen diese Mörder zu unternehmen, die enge Freunde der Bush-Familie sind und sich so benehmen, als gehörte ihnen Miami, von wo aus sie ihre Missetaten gegen das kubanische Volk organisieren und sich derer öffentlich rühmen.
Sie würden nie wieder frei sein. Nach den Jahren im Gefängnis, es wurde insgesamt vier Mal lebenslänglich verhängt, würde ihnen eine spezielle Regelung auferlegt, eine Art von ungewöhnlicher Apartheid, die zum Schutze der Terroristen erfunden wurde. Es werden Plätze definiert, denen sie nicht nahe kommen dürfen, Orte, die sie nicht besuchen dürfen, Straßen, die für sie verboten sind.
Die Agentur, die mit der Durchsetzung dieser verfassungswidrigen Auflagen beauftragt ist, ist das FBI. Das selbe FBI, das sie verfolgt, misshandelt und die infamen Anklagen gegen sie fabriziert hat. Das selbe FBI, vor dessen Nase zufällig die meisten der Terroristen wohnten und darin ausgebildet wurden, Flugzeuge als monströse Waffen einzusetzen, die am 11. September das [US-]amerikanische Volk angriffen.
Die Richterin kam dem Wunsch der Regierung natürlich nach, und die Strafen für René González (15 Jahre Gefängnis) und Antonio Guerrero (lebenslänglich plus 10 Jahre), beide US-Bürger durch Geburt, beinhalten die Auflage mit folgenden Worten: "Als weitere besondere Bedingung für eine überwachte Entlassung ist es dem Angeklagten verboten, sich mit Personen in Verbindung zu setzen oder bestimmte Orte aufzusuchen, von denen bekannt ist, dass sich dort Personen oder Gruppen, wie Terroristen, Mitglieder von Organisationen befinden oder häufig aufhalten, die Gewaltakte befürworten und für organisierte Verbrechen stehen." (4)
Die Verteidigung kündigte sofort ihre Absicht an, vor dem nächst höheren Gericht Berufung einzulegen. Aber wieder begann das lange Warten.
Das ganze Jahr 2002 verstrich, ehe das Gericht von Miami die Akten des Falles nach Atlanta schickte, eine Voraussetzung für die Eröffnung des Berufungsverfahrens vor dem 11th Circuit Court of Appeals. In dem Jahr geschah etwas, das nur in Miami geschehen kann. Im Juni erschien die US-Regierung als Angeklagter vor dem selben Bundesgericht aufgrund einer Klage wegen angeblicher Anstellungs-Diskriminierung, die indirekt mit Kuba zu tun hatte (Ramírez vs. Ashcroft). Genau ein Jahr vorher hatte dieses Gericht die fünf Männer verurteilt, nachdem es an diesem Ort gegen sie verhandelt hatte, und zwar aufgrund der Beharrlichkeit der Staatsanwaltschaft, die behauptet hatte, Miami sei ein kosmopolitisches Zentrum, in dem ein faires und unparteiisches Verfahren gegen unsere heldenhaften Landsmänner möglich sei.
Zwölf Monate später behaupten die selben Staatsanwälte schamlos das glatte Gegenteil: es ist unmöglich, ein sauberes Verfahren in Miami abzuhalten, das irgendwie mit Kuba zusammen hängt. Erfolgreich setzten sie durch, dass das Verfahren an einen anderen Ort verlegt wurde. Eine Konzession, die den fünf Männern verweigert wurde, die immer wieder einen Wechsel des Gerichtsortes beantragt hatten und jedes Mal die selbe zynische Ablehnung bekamen, und zwar von den selben Leuten, die kurze Zeit später und als es ihnen genehm war, eine schnelle und leichte Entscheidung verkünden, die die Wahrheit aufzeigt. Es ist schwer, einen schlüssigeren Beweis für die arglistige, verbrecherische Gesinnung der Staatsanwälte und Richter von Miami zu finden.
Als Antwort auf dieses klare Beispiel von Fehlverhalten, haben die fünf Männer noch einmal die Annullierung ihres Verfahrens und die Verlegung an einen anderen Ort als diesen - jetzt von Richtern und Staatsanwälten - als völlig ungeeignet befundenen Ort, beantragt. Es ist unglaublich, dieser Schritt der Verteidigung beruht auf der gleichen Logik und den gleichen Argumenten, wie sie jetzt von der Regierung vorgebracht werden, und damals von der Staatsanwaltschaft und der Richterin zurückgewiesen wurden. Erinnern Sie sich, alle waren aus Miami. Aus diesem Grund basiert die Entscheidung des Berufungsgerichts vom 9. August 2005 hauptsächlich auf diesem Schritt der Verteidigung und tadelt die offenbare Ungerechtigkeit, die durch die Ablehnung [des Ortswechsels] entstanden ist.
Auf ihrer langen und ereignisreichen Reise erreichten die Akten des Falles Atlanta nicht vor dem Januar 2003. Der 11th Circuit Court of Appeals setzte den 7. April als Stichtag ein, bis zu dem die fünf Männer ihren Berufungsantrag eingereicht haben müssten.
Während die Akten in Miami verstaubten, wurden die Angeklagten von dort in Hochsicherheitsgefängnisse gebracht, wo sie seit Anfang 2002 bis zum heutigen Tag sitzen. Die Behörden, die sich so viel Zeit damit ließen, die Dokumente in die Hauptstadt des Nachbarstaates zu schicken, die auch eine der Hauptkommunikationszentren der USA ist, verloren keine Zeit, die fünf Männer auf die entferntesten Ecken des [US-]amerikanischen Territoriums zu verteilen - jeder in ein anderes Gefängnis, in fünf verschiedenen Staaten, so weit wie möglich voneinander, von ihren Anwälten und ihren Verwandten entfernt.
Ihre Familien leben in Kuba und benötigen [US-]amerikanische Visa, um sie zu besuchen, Visa, die nur nach nervenraubend langen Prozeduren genehmigt werden. Anders als anderen Gefangenen wird den Fünfen ein elementares Recht verweigert: Bei drei von ihnen sind wöchentliche Besuche nicht möglich, sondern nur einmal jährlich, und die Visa für Adriana Pérez, Gerardos Frau, und Olga Salanueva, Renés Frau, werden systematisch verweigert. Als Konsequenz kann Ivette, Olgas und Renés Tochter, ihren Vater auch nicht besuchen.
Dies waren die Bedingungen, unter denen sie ihre Berufungen vorbereiten mussten: alles natürlich in einer Fremdsprache, ohne Zugang zu den "Beweismitteln", ohne sich untereinander absprechen zu können, und die Kommunikation mit ihren Anwälten war extrem begrenzt - und das unter den härtesten Gefängnisregeln unter denen sie, neben anderen Dingen, gezwungen waren zu arbeiten, um mit ihren Löhnen das manipulierte Verfahren, dem sie ausgesetzt gewesen waren, auch noch zu bezahlen.
Während die fünf Angeklagten unter den feindseligsten Bedingungen, die die Bundesbehörden ihnen rachsüchtig auferlegt hatte, mit dieser komplizierten Aufgabe beschäftigt waren, war der Durst auf Rache und der Wunsch, die Gerechtigkeit zu blockieren, immer noch nicht gestillt.
Für diesen Zweck gab es das "Loch" und darin die "Schachtel". Und genau darein wurden sie vom 28. Februar bis zum 3. April 2003 gesteckt - jeder in seinem Gefängnis, im für ihre Berufung entscheidenden Monat, wieder in Isolationshaft ohne Kontakt mit der Außenwelt. Darüber hinaus wurde ihnen jeder Kontakt mit ihren Anwälten untersagt, sogar per Telefon oder Brief, alles Schreibmaterial wurde konfisziert - sie hatten weder einen Zettel noch einen Bleistiftstummel. Einer [Gerardo] hatte mitten im Winter keine Kleidung [nur Unterwäsche], und wurde physischer Folter unterzogen (Lärm, Licht, Geschrei und Überschwemmung in der "Schachtel" - 24 Stunden am Tag).
Diesmal gab es nicht einmal den Versuch, die Absicht der Regierung zu verschleiern. Den Männern wurde der Zugriff auf ihre Prozessunterlagen verweigert, und ihre Anwälte durften nicht mit ihren Klienten sprechen. Diese Maßnahmen standen unter direkter Kontrolle des Büros der Staatsanwaltschaft von Südflorida. Nur der internationale Protest und die unermüdlichen Anstrengungen der Anwälte zwangen die Behörden, diese Maßnahmen zu "erleichtern": Leonard Weinglass, der Anwalt von Antonio Guerrero, schaffte es, seinen Klienten zu besuchen, aber unter so entsetzlichen Bedingungen, dass er diese massiven Verletzungen der Rechte der Verteidigung kaum glauben konnte. Weinglass informierte das Berufungsgericht von der Situation und bat um mehr Zeit für das Einreichen von Antonios Berufungsantrag, denn unter den beschriebenen Bedingungen war er nicht in der Lage, ihn fertig zu stellen. Durch die Bewilligung dieses Wunsches, anerkennt Atlanta, das diese Maßnahmen die Rechte der Angeklagten und ihrer Anwälte erheblich verletzt hatten. (5)
Das war in Kürze die lange Reise der fünf Männer auf dem Weg nach Atlanta. Dahin zu gelangen, war eine wahrlich heroische Tat.
Danach kamen zwei weitere Jahre des Wartens. Die drei Richter brauchten die lange Zeit, um die Argumente beider Seiten zu beurteilen, die Prozessunterlagen und das ganze andere Material der Farce von Miami zu studieren, die relevanten Gesetze nachzulesen, eine mündliche Anhörung (10. März 2004) abzuhalten, die das wackelige Fundament der Argumente der Regierung bloßstellte, neue Informationen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung einzuholen, und endlich zu der Entscheidung zu kommen, die Urteile aufzuheben und das "Verfahren" von Miami zu annullieren.
Die Entscheidung wurde am 9. August 2005 bekannt gegeben, aber die fünf Männer sitzen immer noch in den selben Hochsicherheitsgefängnissen. Sie sind zusammengesperrt mit Leuten, die wahrscheinlich wegen verschiedener Verbrechen verurteilt wurden, während gegen sie selbst, im Gegensatz zu den anderen Insassen, kein Urteil mehr vorliegt.
Die US-Regierung zieht keine Konsequenzen daraus, dass das Gericht von Atlanta sie zu freien Menschen erklärt hat, gegen die keine juristischen Sanktionen mehr vorliegen. Sie war auch unberührt davon, als im Mai diesen Jahres eine Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen, eingesetzt von der UN-Menschenrechtskommission, die Haft der fünf Männer seit September 1998 für willkürlich und illegal befunden hatte.
Zwei der drei Wochen, in denen es der Regierung erlaubt ist, das Gericht von Atlanta zu bitten, seine Entscheidung zu überdenken, sind vergangen. Bis jetzt hat Washington nicht gesagt, ob es die Absicht hat, davon Gebrauch zu machen. Tatsächlich hat es beim Gericht nachgefragt, ob es einen weiteren Monat Zeit für die Entscheidungsfindung bekommen kann.
In der Zwischenzeit bleiben die fünf Männer isoliert von einander in Gefängnissen für verurteilte Kriminelle. Sie leiden weiter unter der Härte der Situation, obwohl ihr falscher Schuldspruch bereits von drei ehrenhaften Richtern aufgehoben wurde.
Jetzt sind sie fünf gekidnappte Opfer einer Administration, die das Gesetz überall mit Füßen tritt - nicht nur in Abu Graib und Guantánamo, auch auf US-Gebiet.
Was ist zu tun? Es ist an der Zeit, es an die große Glocke zu hängen. Wir müssen weiter ihre sofortige Freilassung fordern und zwar bedingungslos. Freiheit für die Cuban Five - jetzt. Nicht mehr und nicht weniger.
Ricardo Alarcón de Quesada ist kubanischer Vizepräsident und Präsident der Kubanischen Nationalversammlung.
Fußnoten:
(1) District Court No. 98-00721-CR-JAL. Das vom Gericht in Atlanta herausgegebene Dokument umfasst 93 Seiten. Die Entscheidung des Gerichts, die Urteile aufzuheben und das "Verfahren" zu annullieren, basiert auf der Ablehnung der verschiedenen Anträge, den Gerichtsort in eine andere Stadt zu verlegen. Nach dieser Entscheidung hält Atlanta es für notwendig, "alle Umstände rund um das Verfahren" und alle anderen Aspekte der damaligen Vorgehensweise zu überprüfen, einschließlich der Vorlage der "Beweismittel". Die Länge und Ausführlichkeit der Urteilsbegründung ist ungewöhnlich wie auch die Zeit, sie zu verfassen, und die Einmütigkeit der damit befassten Richter. Während das Affentheater von Miami das [US-]amerikanische Rechtssystem beschämt, hat Atlanta ein Beispiel für professionelle Ethik und Konsequenz gegeben, die weit über die normalen Grenzen eines Berufungsprozesses hinausgehen, um die Unschuld der fünf Beschuldigten aufzuzeigen und die kolossale Ungerechtigkeit, deren Opfer sie wurden, bloßzustellen.
(2) Die Einführung dieses Arguments, das offensichtlich falsch ist und die Jury unter Druck setzen und nötigen und die Feindseligkeit und die Vorurteile der Gesellschaft von Miami ausnutzen soll, war ein Beispiel, das die Richter von Atlanta anführten, um aufzuzeigen, wie arglistig die Handlungsweise des Büros der Staatsanwaltschaft von Südflorida war. Der damalige DA [District Attorney = Bezirksankläger] Guy Lewis (jetzt im Ruhestand) hat am 18. August einen Artikel publiziert, in dem er die selben dümmlichen Verleumdungen wiederholt, die fünf Männer hätten "gelobt, die Vereinigten Staaten zu zerstören".
(3) In seiner "emergency petition for writ of prohibition" [Eilantrag auf einen Unterlassungserlass] an das Berufungsgericht vom 25. Mai 2001 hat das Büro der Anklage erkannt, dass "im Licht der vorgelegten Beweismittel in diesem Verfahren stellt dies ein unüberwindbares Hindernis für die Vereinigten Staaten in diesem Fall dar und wird wahrscheinlich zu einer Niederlage in diesem Punkt führen (Seite 21), ...da es "eine unüberwindbare Barriere für die Staatsanwaltschaft errichtet" (Seite 27). Die Regierung fürchtete, dass es "hoch wahrscheinlich ist, dass die Jury weitere Untersuchungen in diesem Punkt verlangen wird" (Seiten 20 - 21). Nichtsdestotrotz, obwohl das Gericht den Antrag der Regierung ablehnte, geschah nichts dergleichen. Ohne jede Frage, ohne jedes Zögern erklärten alle Geschworenen Gerardo an diesem Verbrechen [Mord ersten Grades] für schuldig.
(4) Transkript der Urteilsverkündung der ehrenwerten Joan A. Lenard vom 14. Dezember 2001 (Seiten 45 - 46). In der selben Sitzung hat die Richterin erkannt: "Terrorakte, die von Anderen begangen wurden, können die falsche und illegale Handlungsweise des Angeklagten und der anderen nicht entschuldigen" (Seite 43). Mit anderen Worten, die in Miami ansässigen antikubanischen Terroristen werden von der Bundesregierung und den Richtern beschützt, und diejenigen bestraft - mit vier Mal lebenslänglich, 77 Jahren Gefängnis und den oben erwähnten ungewöhnlichen Auflagen - die den Terrorismus bekämpfen. Damit sie nie wieder auf diese "falsche und illegale" Handlungsweise verfallen, erfand Miami die "Untauglichmachung", die es drei Monate nach der Gräueltat vom 11. September 2001 aus der Taufe hob, als Bush bereits Afghanistan angriff, den Angriff auf den Irak vorbereitete und einen angeblichen Krieg gegen den Terrorismus überall auf der Welt - außer natürlich Miami - erklärt hatte.
(5) Weinglass gelang es, die Erlaubnis zu bekommen, Gerardo am 16. März zu besuchen und beschrieb seinen Besuch auf folgende Weise:
"Gerardo wird in seinem Gefängnis am schlimmsten bestraft, er ist eingesperrt in etwas, das sie "Schachtel" nennen - einem Loch innerhalb eines "Lochs".
Er hockt in einer sehr kleinen Zelle, nur drei Schritte breit, ohne Fenster und nur mit einem Schlitz in der Metalltür, durch den das Essen gereicht wird. Seine Kleidung wurde ihm abgenommen, und er darf nur Unterhose und T-Shirt tragen, aber keine Schuhe.
Er weiß nicht, ob es Tag oder Nacht ist. Seine Zelle ist die einzige in der das Licht 24 Stunden am Tag brennt, und die ständigen Schreie anderer Gefangener, die häufig unter geistiger Behinderung leiden, hindern ihn zu schlafen.
Lesestoff ist nicht erlaubt. Vor seiner Zelle sind Zeichen angebracht, die besagen, dass niemand Kontakt zu ihm aufnehmen darf. Er ist der einzige Insasse in dieser abgetrennten Region, dem es nicht erlaubt ist, ein Telefon zu benutzen, bis heute hat er nichts bekommen - nicht einmal die Korrespondenz seines Anwalts."
Zwei Tage später schildert Weinglass seinen Besuch bei Antonio auf diese Weise:
"Er erschien zum Besuch mit Fußfesseln und Handschellen. Während des Besuchs wurden sie abgenommen. Die Korridore wurden frei gemacht, als er sich näherte. Die Besuchseinrichtung war entsetzlich. Es war eine sehr kleine Kabine mit einer dicken Glasscheibe zwischen uns und einem Telefon, das wir benutzen mussten, um miteinander zu sprechen. Der Platz war so beengt, dass mein Assistenzanwalt und ich nicht nebeneinander stehen konnten. Er musste hinter mir stehen und das einzige Telefon auf unserer Seite mit mir teilen. Es gab keinen Schlitz, durch den man Dokumente hätte schieben können, und wir wurden aufgefordert, sie den Wachen zu geben, die sie dann Antonio bringen würden. Ich tat das mit einem Dokument und entschied dann, darauf zu verzichten, und hielt die Papiere gegen die Glasscheibe. Es war sehr unangenehm. Die Besuchsbedingungen waren weit schlimmer als bei Mumia Abu Jamal in der Todeszelle. Wir protestierten gegen diese Bedingungen, aber sie lehnten es ab, den Aufseher oder irgend einen anderen höheren Beamten zu holen."
Only in Miami, Editoria Politica, La Habana 2004
Glossar:
Terror-Organisationen in Miami, Ergänzende Literatur