Jean-Guy AllardXVII.POSADA & DAS FBI
1992 ließ das FBI Luis Posada Carriles laufen, nachdem er sich mit zwei FBI-Ermittlern in der US-Botschaft in Honduras getroffen hatte. Und das trotz der Tatsache, dass die Akten der Agentur ihn als einen berüchtigten internationalen Terroristen und Tatverantwortlichen für viele Versuche, den kubanischen Präsidenten zu ermorden, beschreiben.
Als das FBI den panamaischen Behörden nach Posadas Verhaftung 2000 dessen polizeiliches Führungszeugnis übergab, schien es unter Amnesie zu leiden. In diesem detaillierten Register der Verbrechen des internationalen Terroristen befand sich keine einzige Zeile über das Treffen, das am 7. Februar 1992 von 9:00 morgens bis 4:00 nachmittags, in dem Büro Nr. 426 in der US-Botschaft in Tegucigalpa stattgefunden hatte. An dem Tag hatten ihn zwei US-Bundespolizisten verhört und Posada in unendlicher Geduld zugehört. Denn er hatte Schwierigkeiten, sich wegen einer ihm am 26. Februar 1990 in Guatemala zugefügten Verletzung, als er mitten auf der Straße angegriffen worden war, zu artikulieren. Während er in seinem schwarzen Suzuki die Straße entlang fuhr, war er von zwei Kugeln getroffen worden. Eine hatte ihn in den Unterkiefer getroffen und eine andere seine Zunge gespalten. Posada arbeitete zu der Zeit als Sicherheitsassistent des Präsidenten von Guatemala Vinicio Cerezo. Es war ein Söldnerposten, den er zu anderen Gelegenheiten in El Salvador und in Venezuela wahrgenommen hatte. Eine Untersuchung, herausgegeben von dem US-Enthüllungsjournalisten Robert Parry 1996, einem Reporter, der mit Associated Press, Newsweek und dem PBS TV-Netzwerk gebrochen hatte, veröffentlichte einen entlarvenden Bericht. Er erschien vier Jahre, bevor Posada und seine Komplizen bei dem Versuch, Fidel Castro in Panama zu ermorden, verhaftet wurde. Dieser Bericht enthüllte, dank der freigegebenen Dokumente zum ersten Mal, dass Posada den beiden Spezialisten des FBI neue Fakten über seine Beteiligung an umfangreichem Drogen- und Waffenschmuggel unter dem Kommando von Colonel Oliver North und dessen Bossen im Weißen Haus angeboten hatte. Parrys Enthüllungen sind bis heute von besonderer Bedeutung. Obwohl Posada sich weigerte, jegliche persönliche Beteiligung an ganzen Serien von Terroranschlägen, mit denen er in Verbindung steht und die seine Ermittler auch wirklich nicht interessierten, zuzugeben, sprach er sehr wohl über seine geheime Arbeit für die Reagan-Bush-Administration, der das wahre Interesse des FBI-Interviews galt. Er erklärte die Umstände, unter denen er als Leiter der Logistik für die diabolische von Felix Rodríguez Mendigutía eingesetzte Maschinerie rekrutiert worden war, um auf North's Anordnungen, die nicaraguanische Konterrevolution mit Waffen zu versorgen. Dies alles wurde durch Operationen finanziert, die äußerst illegal waren und ausdrücklich gegen das Verbot des US-Kongresses verstießen. Während dieses Zeitraums leitete der alte CIA-Kollaborateur eine Flotte von Leichtflugzeugen vom salvadorianischen Flughafen Ilopango aus, wo er die Besatzungen mit Geldkoffern aus Miami bezahlte - und die geheime Lagerung von Waffen und Drogen überwachte. Am 5. Oktober 1986, als Posadas von Eugene Hasenfus geflogene Kleinflugzeug abgeschossen wurde und der US-Öffentlichkeit die geheimen Operationen enthüllt wurden, sorgte Posada dafür, dass alle Spuren der weitreichenden Verschwörung getilgt wurden. Später sagte ein Agent der Drug Enforcement Agency (DEA) [Agent der Strafverfolgungsbehörde für Drogendelikte, Anm. d. Ü.] namens Celerino Castillo vor dem Aufklärungsausschuss des US-Repräsentantenhauses aus, dass seine Informanten Lagerhäuser voller Drogen, Waffen und Geld auf dem Ilopango-Stützpunkt gesehen hätten. Er erklärte auch, dass sie gemerkt hätten, dass viele der nicaraguanischen Contra-Piloten, die von dem heimlichen Drogenhandel profitierten, in den DEA-Akten schon als Drogenhändler registriert gewesen seien. "Ich fand heraus, dass andere Agenturen mit dem Feind unter einer Decke steckten," sagte Castillo in einem Interview mit der Dallas Morning News und bezog sich dabei auf die CIA. Der 31-seitige Bericht über das Interview wurde mit dem Stempel "Geheim" versehen und mit dem Rest der Dokumente über die von dem unabhängigen Berater, Independent Counsel Lawrence Walsh, geleitete offizielle Untersuchung des "Iran-Contra" -Skandals weggeschlossen. Walsh war nicht daran interessiert, durch Anschuldigungen gegen den alten Freund der CIA Luis Posada Carriles die Aufmerksamkeit des Gerichts auf diesen zu lenken. Er hielt es auch nicht für wichtig, den Inhalt von Posadas Geständnissen, die preisgaben, wie das Weiße Haus und genauer ausgedrückt George Bush Sen. die kriminellen Aktivitäten solch riesigen Ausmaßes geleitet und gefördert hatte. Parry deckte die Existenz von Posadas ausführlichem Geständnis gegenüber dem FBI auf. Posada erzählt darin, wie er von Rafael "Chi Chi" Quintero rekrutiert wurde, einem anderen von der CIA benutzten Cubano-Amerikaner, der in Verbindung mit dem pensionierten ersten Offizier der Luftwaffe Richard Secord stand, der wiederum Colonel North assistierte. Der Terrorist erklärte, dass Quintero ihm 3.000 $ monatlich, zusätzlich Spesen zahlte, ihn mit falschen Papieren und dem Namen, Ramón Medina, ausstattete. Er erzählte, dass ihm, während er die geheimen Operationen auf dem Ilopango Luftstützpunkt leitete, ein Apparat, bekannt als KL-43 für kodierte Gespräche mit dem Chef des Stützpunktes der CIA in Costa Rica und anderen an diesem Projekt beteiligten US-Beamten, zur Verfügung stand. Posada enthüllte den FBI-Ermittlern, dass der CIA-Geheimagent Félix Rodríguez in ständigem telefonischen Kontakt mit dem Vizepräsidenten im Bush-Büro stand. Er behauptete, dass er diese Tatsache aus einem einfachen Grunde so genau wisse: Er habe seinerzeit persönlich dessen Telefonrechnungen bezahlt! George Bush Sen. leugnete immer, dass sein Büro an diesen kriminellen Operationen beteiligt war, obwohl es bekannt ist, dass sein Assistent Gregg es war, der Rodríguez mit der geheimen Operation in El Salvador beauftragte. Gregg und Rodríguez, zwei alte Kumpel aus dem Vietnamkrieg, leugneten immer, die illegalen Operationen besprochen zu haben, obwohl sie zugeben, dass sie während dieses Zeitraums ständig miteinander in Verbindung standen. 1988 untersuchte ein Ausschuss des US-Senats unter Leitung von John Kerry die skandalöse Drogen- und Waffenschmuggel-Operation, an der Oliver North, Donald Gregg, John Poindexter, Elliott Abrams, Otto Reich, Richard Armitage, John Negroponte, Mitch Daniels und der Rest der Komplizen von George Bush in dem imperialistischen Krieg gegen Nicaragua beteiligt waren. Die Dokumente, die sich Robert Parry beschafft hatte, enthüllen, dass Posada im Oktober 1986 folgendes gestanden hatte: Als die Cessna von Hasenfus abgeschossen worden war, habe er über Félix Rodríguez, der gerade zu Hause in Miami war, das Weiße Haus alarmiert. Dann habe er sich beeilt, den Mitarbeiterstab seiner Lagerhäuser zu warnen. Laut seinen Bekenntnissen gegenüber dem FBI, nahm Posada ebenfalls sofort Kontakt zu Colonel James Steele auf. Steele war der höchste US-Militärbeamte in El Salvador, der daraufhin nach Ilopango eilte, um sich dort mit Posada zu treffen und um noch jede letzte Einzelheit über den beschlagnahmten Flugplan des Piloten sowie die nächsten als notwendig erachteten Maßnahmen zu besprechen. Später telefonierte Posada mit Luis Rodríguez, einem Cubano-Amerikaner, der eng mit den Contras liiert war und den die DEA ein Jahr später des Drogenschmuggels beschuldigte. Laut Posada trafen zu dieser Zeit Rafael Quintero und sein Assistent Robert Dutton in El Salvador ein. Dutton informierte Posada, dass FBI-Ermittler seine Beteiligung an illegalem Handel herausgefunden hätten und dass die Agenten ihn verhören wollten. Posada sagte aus, dass der Justizminister Edwin Meese damals intervenierte, um die polizeilichen Ermittlungen zu beenden und dafür nationale Sicherheitsgründe angab. Das verschaffte Posada und seinen Komplizen genügend Zeit, um das Beweismaterial verschwinden zu lassen. "Dutton und Quintero verließen El Salvador schnell," heißt es in dem von Parry 1996 erlangten FBI-Dokument. "Posada wurde während der Periode nach der Hasenfus-Affäre damit allein gelassen, den Mist zu beseitigen. Posada musste alle Ausrüstungen aus den Häusern holen und sie wegschließen. Posada musste dafür sorgen, dass das gesamte US-Personal außer Landes ging, ihre persönlichen Waffen, ihre Kommunikationsausrüstungen, verschwinden lassen, Mietverträge und Dienstprogramme aufkündigen, alle noch offenen Rechnungen bezahlen und alle Fäden auflösen." Während sich Posada in Zabadú, einem salvadorianischen Touristen-Ferienort versteckte, gab Hasenfus in Nicaragua preis, dass Ramón Medina (Posada) die geheimen Contra-Operationen auf dem Ilopango-Stützpunkt geleitet hatte. Offensichtlich ging die salvadorianische Duldung von illegalen US-Operationen so weit, dass Präsident Napoleon Duarte den Drogenschmuggel-Terroristen bald als "Sonder-Sicherheitsberater" verpflichtete. Als Robert Parry 1992 seine Untersuchungsergebnisse veröffentlichte, lebte Posada in diesem Land noch frei. Nach Quellen der salvadorianischen Regierung war es genau in dieser Zeit, als Posada einen neuen falschen Pass auf den Namen Ramón Medína Rodríguez erhielt und damit die Identität für sich zurückforderte, die Quintero für ihn besorgt hatte. Der Pass, Nr. 1-07-0005777 wurde in der Provinz Ilopango ausgestellt und hat 16 Ein- und Austräge zwischen El Salvador, Mittelamerika, Mexiko und (Achtung!) Los Angeles. Nachdem er von den FBI-Beamten, die es nicht für nötig hielten, ihn zu verhaften oder anzuklagen, interviewt worden war, kamen zu Posadas Lebenslauf im Sommer 1997 eine kriminelle Verschwörung zu Bombenanschlägen auf kubanische Touristeneinrichtungen, die den jungen italienischen Touristen Fabio di Celmo tötete und versuchte Mordanschläge auf den kubanischen Präsidenten in Kolumbien, Venezuela und Panama hinzu. In Panama wurde er dann verhaftet. Kubanische Behörden stellten später bei diesen Aktivitäten nicht nur Verbindungen zur CIA, sondern auch zu den paramilitärischen Gruppen der Cuban American National Foundation [Kubanisch-amerikanische Nationalstiftung, Anm. d. Ü. ] fest - einschließlich zu Luis Zuñiga Rey und Roberto Martín Pérez - die jetzt den Cuban Liberty Council [Kubanischen Freiheitsrat, Anm. d. Ü.] in Miami leiten. Am 10. Oktober 2004 umarmte Präsident George W. Bush im Rosengarten des Weißen Hauses Luis Zuñiga Rey zum Erstaunen von Ninoska Lucrecia Pérez-Castellón, der Ehefrau von Roberto Martín Pérez, öffentlich und überschwänglich Rechercheur Robert Parry erzählt weiter, dass Posada am späten Nachmittag im Februar 1992 seine FBI-Vernehmungsbeamten verließ und völlig frei aus dem Büro der US-Diplomatie davonging. Und dies geschah, obwohl er - nach amtlichen Belegen selbst des FBI - ein berühmt-berüchtigter internationaler Terrorist war, ein "Held" in Miamis Extremistenkreisen, ein der venezolanischen Justiz Entflohener und ein Drogenschmuggler. Posada ist einer der ältesten, erfahrensten und aktivsten CIA-Agenten, und diese Agentur verhielt sich ihm gegenüber Zeit seines Lebens loyal. Warum sollte es daher irgend jemanden überraschen, dass das FBI in seiner Korrespondenz mit den panamaischen Justizbehörden das Treffen in Tegucigalpa "vergessen" hatte und auch dabei bleibt, es zu vergessen? Und wer könnte überrascht sein, dass dieses FBI 1998 die Kubaner verhaftete, die gerade die mit Posadas Verbrechen in Verbindung stehenden Terrorgruppen in Miami unterwanderten? KAPITEL XVIII: In den Seilen
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