Aus unserer Sicht, der Sicht der Betreiber dieser Website www.miami5.de, und Übersetzer zahlreicher Texte zu Kuba und vor allem zu den "Cuban Five" bzw. "Miami 5" aus dem Englischen, ist Stephen Kimber nun der dritte wirklich zitierenswerte kanadische Autor.
Während der kanadische Politologe Arnold August sich seit den 1990er Jahren vor allem auf das kubanisch-sozialistische System, dessen Geschichte und dessen partizipativen demokratischen Anspruch spezialisiert hat, um es mit dem Demokratieverständnis der US-Amerikaner und deren politischer Praxis zu vergleichen (1), der investigative Journalist Jean-Guy Allard vor allem die Spur der exilkubanischen Terroristen verfolgt und deren Verflochtenheit mit dem US-amerikanischen System, sprich, auch der des FBI's, nachgeht, wie er sie am Fall der Fünf nachweisen kann (2), hat Stephen Kimber wieder einen anderen Zugang.
Was alle drei Autoren aus unserer Sicht gleichermaßen auszeichnet, ist nicht nur, dass sie gründlich recherchieren, sondern als Kanadier weder des US- noch des kubanischen Patriotismus' verdächtig sind.
Die Bücher aller Drei dienten uns bereits als Fundgrube. So wurden wir auf Arnold August durch sein Buch, "Democracy in Cuba and the 1997-98 Elections", zuerst aufmerksam, in dem er vor allem, aber nicht nur, seine Beobachtungen vor Ort über das kubanische Wahlsystem beschreibt. Danach verfolgten wir andere seiner Artikel zu Kuba und den Cuban Five", dazu gehörten auch Interviews mit zweien der Mütter der Fünf, Magali Llort, der Mutter von Fernando González Llort und Irma Sehwerert, der Mutter von René González Sehwerert, die wir gerne für unsere Website übersetzten.
Sein neues Buch, "Democracy in Motion - Cuba and its Neighbours" ist ebenso unbedingt lesenswert, da es sowohl den historischen Kontext Kubas berücksichtigt, als auch die Entwicklungen in Lateinamerika, als auch den Einfluss der US-Nachbarschaft und deren Praxis von "Democracy". Er hat dieses Buch den Fünfen gewidmet, und Fernando hat im Gefängnis, in dem er mit zehn Zellengenossen in Saffort, Arizona, zurzeit noch einsitzt, eine sehr lesenswerte Rezension dazu geschrieben. (3)
Jean-Guy Allard machte uns zuerst durch seine investigativen Artikel über "Reporter ohne Grenzen" in der englischen Ausgabe der "Granma Internacional" auf sich aufmerksam, dann durch seine Interviews mit Olga Salanueva, der Ehefrau von René González, und schließlich durch sein Buch, "Miami FBI Terrorist Connection", das wir komplett übersetzten.
Im Unterschied zu seinen Landsleuten beschreibt der Jounalistik-Professor Stephen Kimber im Prolog seines neuen Buches, "What Lies Across the Water - the Real Story of the Cuban Five" seinen persönlichen Zugang zu dieser Thematik, dass er nämlich gar nicht die Absicht hatte, ein "Sachbuch" über die Fünf zu schreiben, sondern vielmehr einen Roman, dessen Handlung teilweise in Kuba spielen sollte.
2004 habe er, wie es ja viele andere Kanadier zu tun pflegen, mit seiner Frau einen einwöchigen Strandurlaub in "Breezes Jibacoa, auf halber Strecke zwischen Havanna und Varadero" verbracht. Schon damals habe er die Idee für den Roman gehabt.
Andererseits hätten ihn schon damals die vielen Plakate mit den fünf kubanischen Helden dazu angeregt, zu Hause zu "googeln", um wen es da überhaupt geht. Er habe einige Kolumnen darüber geschrieben, die aber niemanden außer den Kubanern interessiert hätten. 2009 sei er dann zurückgekommen, um für seinen Roman zu recherchieren. Bei seinen Gesprächen mit seinem dortigen Reiseführer und Dolmetscher über die spannungsgeladenen US-kubanischen Beziehungen und eine vielleicht mögliche Entspannung unter Obama, habe der "einen kontemplativen Zug an seiner Zigarre" genommen und gesagt: "Es spielt keine Rolle, wer der Präsident der Vereinigten Staaten oder wer der in Kuba Verantwortliche ist. Nichts wird sich zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten ändern, solange sie das Problem der Fünf nicht lösen."
Ja, und danach scheint Stephen Kimber jede Einzelheit des Falles interessiert zu haben. Ihm schienen die Erklärungen beider Seiten, sowohl der kubanischen als auch die der US-Medien, in diesem Fall, insbesondere die von "Miami Herald" oder "El Nuevo Herald" zu einfach zu sein. Ja, er ging davon aus, dass "beide Seiten lügen". Er scheute nicht davor zurück, wie schon Ricardo Alarcón in seiner Rezension, "Eine Geschichte, die erzählt werden muss", vom 2. August 2013 über das dann entstandene Buch hervorhob, "über Zwanzigtausend Seiten von Gerichtsdokumenten" zu lesen.(4)
Natürlich ging er den aus seiner Sicht möglichen "Vorwänden" für die "Spionage" der Fünf, zu denen nicht nur die zu verhindernden Terroranschläge gehörten, sondern auch die zeitweilige Bedrohung einer militärischen US-Intervention nach dem Vorbild von 1983 auf Grenada unter Ronald Reagan nach. Denn die Anklage der "Verschwörung zu Spionage" basierte ja auf der Beobachtung militärischer Bewegungen im "Südkommando" des US-Militärs in Boca Chica, wo Antonio Guerrero Rodríguez als einfacher Arbeiter auf Vermittlung einer Arbeitsagentur in Miami seinen Dienst versah, indem er ständig beobachten konnte, was auch von außerhalb der Anlage auf einer für Zuschauer eingerichteten Plattform zu sehen war, ohne überhaupt zu versuchen, an US-Militärgeheimnisse zu gelangen.
Kimber greift auch auf die Recherche-Ergebnisse von Anne Luise Bardach und auf die von Jean-Guy Allard zu Luis Posada Carriles und Orlando Bosch zurück. In zahlreichen Interviews u.a. auch mit Juan O. Tamayo, dem Journalisten von "Miami Herald", versucht er das Bild zu komplettieren, nicht zuletzt aber mit den Fünfen selbst, vor allem in Korrespondenz mit Gerardo Hernández, dem mit zweimal Lebenslänglich plus 15 Jahren höchstbestraften der Fünf und in Gesprächen mit dem bereits in Kuba lebenden René González und seiner Ehefrau Olga Salanueva. Dabei interessieren ihn nicht nur die "Fakten", sondern auch die jeweilige psychische Verfassung der Fünf unter dem Druck, ihre wahre Identität verleugnen zu müssen sowie insbesondere auch die der mit involvierten Ehefrauen, Adriana Pérez und Olga Salanueva.
Wenn er ursprünglich einen fiktiven Liebesroman schreiben wollte, dann wäre er vielleicht nicht so anrührend ausgefallen, wie die Liebesgeschichten, die das wahre Leben schreiben kann.
Nun kann der Leser den offenen Fragen des Autors, mit denen er der Realität in erfrischend unkonventionellem Schreibstil mehr und mehr auf die Spur kommt, gespannt bis zur letzten Seite folgen. Vieles, von dem, was hier geschildert wird, fanden wir durch unsere bisherigen Übersetzungen der Artikel auf dieser Website bestätigt, aber einiges war uns neu.
Nur an zwei Stellen, waren wir irritiert:
1. als es um die Rückführung der Töchter von René und Olga, Irmita und Ivette nach Olgas Ausweisung im November 2000 aus den USA nach Kuba ging. Unserer Kenntnis nach mussten nicht beide Töchter nach Kuba geholt werden, sondern nur noch eine von beiden. Denn Irma Sehwerert, Renés Mutter, hatte uns 2006 erzählt, wie sie in einer "Nacht-und-Nebelaktion" die kleine Ivette von ihrer Urgroßmutter in Sarasota, Florida, nach Kuba geholt habe, während Irmita schon bei Olgas Verhaftung im August 2000 ihre Schulferien in Kuba verbrachte, dann gleich dort geblieben war und nicht mehr geholt werden musste. (5)
2. als wir lasen, dass nicht nur Olga 2010 René einmal habe im Gefängnis besuchen dürfen, sondern dass auch Adriana damals Gerardo im Gefängnis einmal habe sehen dürfen.
Diese beiden Besuche seien aufgrund der Erlaubnis seitens der kubanischen Behörden für Judy Gross, der Ehefrau von Alan Gross, gewährt worden. Alan Gross ist bekanntlich seit Dezember 2009 in kubanischer Gefangenschaft und zwar wegen illegaler Einführung von Kommunikationsausrüstungen im Auftrag von USAID für kubanische Dissidenten wie die mit speziellen Chips ausgerüsteten Satellitentelefone, womit sich damit geführte Gespräche der Registrierung kubanischer Behörden entziehen. Die Besuchserlaubnisse für Olga und Adriana seien nur unter der Bedingung strikter Geheimhaltung gewährt worden.
Kuba habe sich an dieses Geheimhaltungsabkommen gehalten.
Die exilkubanische und für ihre kubafeindliche Einstellung bekannte Kongressfrau Ileana Ros-Lehtinen, muss aber trotzdem über anonym bleiben wollende Zuträger Wind davon bekommen haben und empörte sich öffentlich.
Danach hatte wohl auch Olga keine Hemmungen mehr, in einem Interview zuzugeben, dass das Besuchsverbot einmalig aufgehoben worden war.
Die Wahrheit ist, laut Stephen Kimber, dass beide Frauen zwar kein offizielles Einreisevisum erhalten hätten, aber dennoch eine einmalige und geheime Besuchserlaubnis gehabt hätten.
Daher sei der Wortlaut der kubanischen Behörden, wonach beide Ehefrauen kein Einreisevisum erhalten hätten, völlig korrekt. Es sei nur nicht ganz ehrlich...
Und da schließt sich der ursprüngliche Kreis nach dem Ehrenkodex der Geheimdienste wieder.
Nachdem wir Stephen Kimber unsere "Irritationen" per E-Mail mitgeteilt hatten, antwortete der:
Möglicherweise habe er sich verhört, als er sich mit René und Olga über die Rückführung ihrer Töchter nach Kuba unterhalten habe, wenn dem so wäre, würde er das in einer zweiten Auflage seines Buches ändern.
Aber er bliebe unbedingt dabei, dass beide Frauen 2010 eine einmalige Besuchserlaubnis bekommen hätten.
Während Stephen Kimber von den dankbaren US-Komitees für die Freiheit der Cuban Five zu Lesungen an verschiedenen Orten in den USA eingeladen wird, plädieren wir dafür, dass dieses Buch, von dem wir mit Glück noch ein Exemplar auf dem "9. Kolloquium für die Freiheit der Cuban Five und gegen den Terrorismus" in Kuba erwischt haben, auch als deutschsprachige Ausgabe zur Verfügung steht sowie natürlich auch das neue oben schon erwähnte Buch von Arnold August.
Fußnoten:
1) Arnold August, " Cuba and its Neighbours -Democracy in Motion ", Fernwood Publishing, 2013;
2) Jean-Guy Allard, "MIAMI FBI Terrorist Connection", deutsche Übersetzung aus dem Englischen, s.:
diese Website; 2007 wollte sich leider keine deutscher Verlag bereit erklären, diese deutsche Fassung herauszugeben. Die spanische Ausgabe, "La Conexión terrorista del FBI" erschien 2008 bei Editora Politica/La Habana;
3) Fernando González Llort, "Rezension des neuen Buches von Arnold August, "Cuba and its Neighbours, Democracy in Motion" [Kuba und seine Nachbarn, Demokratie in Bewegung];
4) Siehe: diese Website
5) Vgl.: Elisabeth Dietze, "Wieder zurück aus Havanna", ebd. unter Josie Michel-Brüning,
"Bericht über unsere Treffen in Havanna", ebd. unter 8. Dezember,
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