Irma Sehwerert Mileham, die Mutter von René González Sehwerert, auf Deutschland-Tournee - Ihr Auftritt in Bonn1. Kleiner Rückblick auf ein tapferes kubanisches Frauenleben
Foto: Gabriele Senft
Irma war in diesem Jahr nicht zum ersten Mal in Deutschland, um die Sache der Los Cinco, der ihres Sohnes René González, seiner 4 Kameraden, Gerardo Hernández, Ramón Labañino, Antonio Guerrero und Fernando González sowie die ihrer Familienmitglieder zu vertreten.
2005 war sie gemeinsam mit dem leider verstorbenen, aber unvergessenen Resistencekämpfer Peter Gingold auf dem U.Z.-Pressefest aufgetreten, der bis an sein Lebensende für die Aufklärung nicht nur der Jugend über die Judenverfolgung in der Nazi-Zeit, sondern auch für Versöhnung und insbesondere für einen Lerneffekt aus der schmerzlichen Vergangenheit gekämpft hatte. Irma war uns dort auch als Mitglied der Kubanischen Nationalversammlung in der damaligen Legislaturperiode vorgestellt worden. Ihr bescheidenes und freundlich-gewinnendes Auftreten verriet nicht, wie sie zu dieser Ehre gekommen war und noch weniger über das Wahlverfahren, das jedes Mitglied der Kubanischen Nationalversammlung durchlaufen hat, bevor es dieses Mitspracherecht in der kubanischen Innenpolitik erwirbt. Wie wir später erfuhren, ist sie nicht nur die Mutter eines der fünf in Kuba gefeierten Helden, hat sie nicht nur tapfere und gut ausgebildete Söhne großgezogen, sondern auch als Bibliothekarin in einem Institut für Fischereiforschung gearbeitet und sich darüber hinaus in ihrer Freizeit als ehrenamtliche Sozialarbeiterin, insbesondere für verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche betätigt. (1) Auf Nachfrage der Moderatorin des Podiumsgesprächs Elfriede Haug in der "Casa Cuba" erzählte sie, dass ihre Eltern vor dem Batistaregime in die USA geflohen waren, dass sie in Chicago lebte, als sie dort ihren Ehemann Candidus González kennerlernte, der ebenfalls in die USA geflohen war, beide hatten von dort aus als Mitglieder der Bewegung "26. Juli" die kubanische Revolution z.B. durch Geldsammlungen für Waffenkäufe unterstützt und waren nach dem Sieg der Revolution mit ihren beiden Kindern, René und Roberto, nach Kuba zurückgekehrt. (2) Am 8. Dezember 2006 hatten wir das Glück, gemeinsam mit Magali Llort, der ebenfalls bewunderungswürdigen Mutter von Fernándo González, zu Irma nach Hause eingeladen worden zu sein.
Irma wohnt in Cotorro östlich von Havanna, in der Nähe von Santa Maria del Rosario. Ihr Häuschen liegt in einem Obst- und Gemüsegarten. Sie kam uns daraus freudestrahlend entgegen, stellte uns zuerst ihre hochgewachsenen Obstbäume vor und bedauerte nur, dass z.B. ihre Chirimoya-Bäume zurzeit keine Früchte trugen. (Im April 1998 durften wir bei einem Besuch auf einer von Cuba Sí, Berlin, unterstützten Farm den Geschmack der Chirimoya kennen lernen, einer etwa apfelgroßen Frucht mit weißem Fruchtfleisch, das von Aroma und Konsistenz an Litschi erinnert.) Sie erzählte uns, dass sie hier in Kuba zwar ihre Mutter vermisse, das Leben sei hier aber wesentlich angenehmer für sie als in den USA, wo alles so unpersönlich und anonym zugegangen sei. Hier seien sie alle eine große Familie, hier helfe man sich gegenseitig und so könne sie beispielsweise ihrer Nachbarin jederzeit zurufen: "Maria, hast du 'mal ein Ei?"
Sie zeigte uns auch Fotos von ihrem Auftritt auf der U.Z.-Pressekonferenz 2005 und ihrem letzten Aufenthalt in Miami, als zumindest einige der Verwandten der Fünf deren Gerichtsverhandlung von 2001 beiwohnen konnten. Sie betonte, es gebe auch in Miami sehr mitfühlende Leute. Irma sagte, ihnen sei dann von der kubanischen Interessenvertretung in Washington geraten worden, Ivette so schnell wie möglich nach Kuba zu holen, denn man habe erfahren, dass man sich des Kindes bemächtigen wolle - etwa nach dem Muster, wie sie es zuvor mit Elian versucht hatten. Ivette aber drohte eine Unterbringung in einem US-Waisenhaus. Aus Irmas Sicht bestand der schwierigste Teil ihrer "Nacht-und Nebel-Aktion" darin, das Kind aus seiner gewohnten Umgebung in Florida bei der Urgroßmutter und deren Lebensgefährten loszueisen. Die Erwachsenen hingen natürlich an dem Kind - ihre Mutter habe bitterlich geweint, als sie sich schon am folgenden Tag in den frühen Morgenstunden mit dem Kind auf die Rückreise machen musste, und das Kind habe die alten Leutchen als seine vertrautesten Angehörigen betrachtet. Irma beschrieb uns also nur die Probleme der anderen, aber nicht ihre möglichen eigenen damit, ein Kind - per Geburt US-Bürger - ohne Wissen der US-Behörden außer Landes zu "schmuggeln", eine Aktion, die ihr doch einige Nervenstärke abverlangt haben muss. Es sind eben nicht nur die Fünf Helden, ihre Mütter sind es nicht minder. (4) 1) Vgl.: Interview von Arnold August 2) (vgl.: Bericht 2005)
3) Vgl.:
Ein Imperium gegen ein Kind: Die Geschichte von Ivette González Salanueva 4) Vgl.: Bericht, unter 8. Dez. 2006
2. Irma Sehwererts Auftritt am 14. Januar 2011 in der Außenstelle der Kubanischen Botschaft,
Bonn (Gedächtnisprotokoll)
(Fotogalerie zur der Veranstaltung)
Nach der wie immer freundlichen Begrüßung vom Leiter der Bonner Außenstelle José Carlos Rodríguez und dessen Ankündigung des geplanten Programms, wobei er auch die Resolution von dem VI. Kolloquium in Holguin für die Fünf erwähnte, wurden wir von dem beliebten argentinischen Sänger und Liedermacher Daniel Rodríguez mit zwei der von ihm vertonten Gedichte von Antonio Guerrero eingestimmt - mit zwei der selben Lieder, nämlich "Regresaré" (Ich werde wiederkommen) und "Sigo en pie" (Ich bleibe auf den Beinen), hatte Daniel schon die Gründungsfeier unseres Komitee am 14. Dezember 2002 in Köln zur Gitarre bereichert.
Irma sprach nun mit Hilfe der Botschaftssekretärin und Übersetzerin Vanessa vor etwas mehr als 50 Gästen, unter denen saßen viele Kubaner, die in der Bonner Gegend ansässig geworden sind, einige Komiteemitglieder der ersten Stunde und andere Mitglieder, der Cuba-Soligemeinde, die das Anliegen der Fünf seit längerer Zeit tatkräftig unterstützen.
Einer der Anwesenden, das Komiteemitglied Günter Belchaus, erinnerte sie durch seine Frage nach Olga und Adriana daran, dass beiden der Besuch ihrer Ehemänner im Gefängnis bis heute verwehrt bleibt, was diese als zusätzliche psychische Folter empfinden. Danach standen den Zuhörern die Vertreter aus der Solidaritätsbewegung Rede und Antwort: die Vorsitzende der Freundschaftsgesellschaft BRD Cuba und Mitbegründerin des Komitees Renate Fausten, als Vertreter des Cuba-Netzwerkvorstands Dr. Klaus Piel, als Vertreter der DKP-Cuba AG Günter Pohl, und als Vertreter vom Komitee ¡Basta Ya! Josie und Dirk Brüning.
Renate begann mit einem Rückblick auf unser aller Solidaritätsarbeit im Fall der Fünf und betonte, wie fadenscheinig die damaligen Verurteilungen der Fünf, nachdem man ihnen keine Spionage von US-Geheimdokumenten nachweisen konnte, wegen "Verschwörung" zur Spionage gewesen seien. So etwas, meinte sie, könne praktisch jeden von uns treffen und vor allen Dingen, wie viel Hoffnung wir noch unmittelbar nach dem Urteil des Drei-Richtergremiums vom Appellationsgericht in Atlanta am 9. August 2005 hatten, wonach die Urteile der Fünf aufgehoben worden waren, um den Fall außerhalb von Miami neu zu verhandeln. Alle hätten damals gedacht, dass die Fünf bald frei sein würden, und wie entmutigend es dann gewesen sei, dass die US-Regierung mit ihrer dagegen eingelegten Revision erfolgreich war. Klaus betonte, dass das Netzwerk diese Arbeit unterstützen wolle und erinnerte an die regelmäßige Informationsweitergabe über die "NCN" im E-Mailverteiler des Netzwerkes, in der aktuelle Nachrichten über Lateinamerika und über die Fünf enthalten seien.
Günter nannte die Fünf "wahre Helden" und zitierte in diesem Zusammenhang den chilenischen Literaturnobelpreisträger Pablo Neruda, der anlässlich des ihm überreichten Nobelpreises gesagt habe, es bedürfe hinsichtlich einer Veränderung eines langen Atems und "brennender Geduld".
Josie griff Renates Pessimismus hinsichtlich eines gerechten US-Justizurteils für die Fünf auf, der sicher berechtigt sei, aber man dürfe auch diese Möglichkeit nicht aus den Augen verlieren, man könne der Öffentlichkeit z.B. auch die jetzt für Gerardo eingereichte "Habeas-Corpus" Petition nahe bringen [Habeas Corpus Act, ist ein in der US-Verfassung verankertes Gesetz, wonach auch ein bereits Verurteilter Berufung einlegen kann, wenn er neue, bisher nicht berücksichtigte Beweise zu seiner Entlastung vorlegen kann.] Auch diese neue anstehende Verhandlung eigne sich dazu, den Fall etwa durch Leser- und Zuschauerbriefe und Beiträge in Internet-Foren ins Gespräch zu bringen, es gebe dazu aktuelle Anknüpfungspunkte nach den jüngsten Medienberichten, wie jetzt im Fall des WikiLeaks-Gründers Julian Assange, der ebenfalls von der US-Justiz wegen "Verschwörung zur Spionage" vor Gericht gestellt werden soll, sowie der Fall seines erst 22-jährigen Informanten Bradley Manning, der sich seit 7 Monaten in US-Isolationshaft befindet und dort wohl für die Belastung von Julian Assange "weichgekocht" werden soll. Die Fünf seien aber noch viel länger als er in Isolationshaft gewesen.
Dirk wies auf die Informationen über den Fall auf dieser Website hin und erinnerte daran, dass sich das "Hauptschlachtfeld" nach wie vor in den USA befinde, dass wir daher die US-Komitees von hier aus unterstützten und nannte unseren finanziellen Beitrag von über 10.000 $ bei der ganzseitigen Anzeige in der "New York Times" von 2004 sowie unseren jetzigen Beitrag zur geplanten Anzeige in der "Washington Post".
Josie fügte schließlich noch hinzu, dass es einen neuen Dokumentarfilm zum Fall der Fünf von Saul Landau gebe, "Will the Real Terrorists, please, stand up?" Dann stellten noch zwei Kubanerinnen aus dem Publikum ihre Solidaritätsarbeit für die Fünf vor. Schließlich standen nach einander zwei italienische Kommunisten auf, um ihre Solidarität mit den Fünfen zu bekunden und Irma als Mutter der fünf Helden zu ehren, beide wiesen auf den Fall Ethel und Julius Rosenberg hin, die 1953, während der McCarthy-Ära, trotz internationalen Protestes unschuldig auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet worden waren. Der Abend endete mit einem erneuten Beitrag von Daniel Rodríguez. Diesmal sang ein Lied von Silvio Rodríguez, zuerst in deutscher Übersetzung und dann in seiner Muttersprache. Wir hoffen, dass Irma auch von dieser Solidaritätskundgebung gestärkt nach Kuba zurückgekehrt ist.
Im Nachhinein, als wir schon draußen vor der Tür waren, stellte sich heraus, dass an dieser Veranstaltung nicht nur bereits engagierte Unterstützer teilgenommen hatten: | |